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BetreuungsrechtWirksame Vollmacht verhindert gerichtliche Betreuung
| Sind in einer Vorsorgevollmacht mehrere einzelvertretungsberechtigte Bevollmächtigte bestellt und erweist sich nur einer von ihnen als ungeeignet, gilt: Eine Vollbetreuung in den von der Vorsorgevollmacht umfassten Aufgabenbereichen ist i. d. R. nicht einzurichten, wenn und soweit für die Besorgung der Angelegenheiten des Betroffenen noch ein geeigneter Bevollmächtigter mit Einzelvertretungsbefugnis zur Verfügung steht. Die Einrichtung einer Kontrollbetreuung kann sich auch auf einen von mehreren Vorsorgebevollmächtigten beziehen. Das hat der BGH entschieden. |
Sachverhalt
Für den Betroffenen B war eine Betreuung mit mehreren Aufgabenkreisen eingerichtet. Die Ehefrau F war als Betreuerin und eine Tochter T zur Ersatzbetreuerin bestellt worden. Es kam zu gerichtlichen Beanstandungen bei der Erstellung des Vermögensverzeichnisses sowie Vermögensverfügungen, die die F zu eigenen Gunsten vorgenommen hatte. Daraufhin entließ das AG beide Betreuerinnen hinsichtlich des Aufgabenbereichs „Vermögenssorge“ aus dem Betreueramt und bestellte eine Berufsbetreuerin Bt. Zudem erweiterte es die Betreuung um den Aufgabenbereich „Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der bisherigen Betreuerin“. Eine dagegen gerichtete Beschwerde der F blieb erfolglos. Im hier gegenständlichen Verfahren begehrt die F unter Hinweis auf eine notarielle Vorsorgevollmacht für sich und T, dass die Betreuung insgesamt aufgehoben wird. Das AG hat in Abänderung des Beschlusses angeordnet, dass die Bestellung der Bt nun weitere Aufgabenbereiche wie insbesondere die „Vermögenssorge“ „und den „(Teil-)Widerruf der Bevollmächtigung der F und der T hinsichtlich der Vermögenssorge“ umfasst. Das LG hat auf die dagegen gerichteten Beschwerden des B und der F die Betreuung nur im Hinblick auf den Aufgabenbereich „Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der bisherigen Betreuerin“ aufgehoben. Die dagegen gerichteten Rechtsbeschwerden von B und F sind erfolgreich und führen zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (BGH 8.5.24, XII ZB 577/23, Abruf-Nr. 242915).
Entscheidungsgründe
Das LG ist rechtlich fehlerhaft davon ausgegangen, dass eine Berufsbetreuung wegen der langjährig defizitären Betreuungsausübung durch die F und einer nicht näher begründeten Ungeeignetheit der T, die Vorsorgevollmacht auszuüben, erforderlich ist. Ein Betreuer ist nur zu bestellen, wenn dies erforderlich ist. Daran fehlt es, soweit ein Bevollmächtigter die Angelegenheiten des Betroffenen gleichermaßen besorgen kann. Dies ist beim Vorliegen einer wirksamen Vorsorgevollmacht grundsätzlich der Fall.
Anders liegen die Dinge aber, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, insbesondere weil zu befürchten ist, dass das Wohl des Betroffenen gefährdet wird, wenn der Bevollmächtigte dessen Interessen wahrnimmt. Der Bevollmächtigte darf daher nicht wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheinen.
Vorliegend wurden sowohl der F als auch der T durch notarielle Vollmachtsurkunde die Befugnis zur Einzelvertretung eingeräumt. Es spricht zwar einiges dafür, dass die F sich als ungeeignet erwiesen hat. Es ist jedoch gleichfalls auf die T abzustellen. Soweit das AG auch die T als ungeeignet angesehen hat, die Vorsorgevollmacht auszuüben, ist diese Feststellung nicht tragfähig begründet.
Solange zumindest ein geeigneter Bevollmächtigter mit Einzelvertretungsbefugnis zur Verfügung steht, um die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, kommt es nicht in Betracht, eine Betreuung mit den von der Vorsorgevollmacht umfassten Aufgabenbereichen einzurichten. Wenn sich nur einer von mehreren einzelvertretungsberechtigten Bevollmächtigten nicht als geeignet erweist, verbleibt noch immer eine wirksame Bevollmächtigung des anderen.
Zudem kann das Bedürfnis nach einer Überwachung und ggf. einem Teilwiderruf der Vollmacht bestehen.
Ob und inwieweit die anderen Einzelbevollmächtigten hierzu jeweils befugt sind, ist eine Frage der Auslegung der konkreten Vorsorgevollmacht im Einzelfall, die jedoch in vielen Fällen dahin gehend zu beantworten sein dürfte, dass dem Bevollmächtigten die Möglichkeit zum Widerruf der gleichrangigen Vollmacht eines anderen Bevollmächtigten nicht eingeräumt werden soll.
Merke | Für diese Fälle kann indes die gerichtliche Bestellung eines Kontrollbetreuers geboten sein. |
Relevanz für die Praxis
Die Einrichtung einer Betreuung ist zwar ein Instrument der Erwachsenenhilfe. Gleichwohl stellt sie einen erheblichen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen dar. Sie darf daher nur erfolgen, wenn und soweit sie auch erforderlich ist. Daran fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten gleichermaßen besorgt werden können.
Das Instrument der Vorsorgevollmacht dient daher gerade dazu, zu verhindern, dass eine Betreuung eingerichtet wird. Wird diese jedoch nicht i. S. d. Betroffenen genutzt, weil sich ein Vollmachtnehmer als ungeeignet erweist, wird eine Betreuung gleichwohl erforderlich. In Bezug auf die Möglichkeit, dass der Betreuer die Vollmacht widerruft, ist indes auf die neue Rechtslage hinzuweisen.
Nach § 1820 Abs. 5 BGB besitzen sowohl der Kontrollbetreuer als auch jeder andere Betreuer im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises gleichzeitig die rechtliche Befugnis, eine Vorsorgevollmacht zu widerrufen, ohne dass dies bei der Betreuerbestellung besonders angeordnet werden müsste.
AUSGABE: FK 1/2025, S. 10 · ID: 50199398