FeedbackAbschluss-Umfrage

HaftungVermittler haftet für Unterversicherung in der Wohngebäudeversicherung

Abo-Inhalt29.02.2024413 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Stephan Michaelis LL.M., Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Hamburg

| Vermittler müssen Versicherungsnehmer (VN) über die Versicherungssumme und die Risiken einer Unterversicherung in der Wohngebäudeversicherung angemessen aufklären und sollten dies ausführlich dokumentieren. Nur so können sie in einem späteren Haftungsprozess parieren. Diese Lehre lässt sich aus einem Fall ziehen, den das LG Halle entschieden hat. |

Um diesen Unterversicherungsfall ging es vor Gericht

Der VN hatte ein leerstehendes und sanierungsbedürftiges Mehrfamilienhaus für 40.000 Euro erworben; dieses hatte ein Vertreter mit der Versicherungssumme „200.000 Euro Zeitwert“ versichert. Am 30.09.2018 wurde das Mehrfamilienhaus durch einen Brand beschädigt. Das obligatorische Gutachten wies einen Zeitwert des Gebäudes von 508.000 Euro aus. Der Zeitwertschaden lag bei 142.689 Euro netto zzgl. 8.925 Euro brutto Aufräumkosten. Aufgrund der Unterversicherung erstattete der Versicherer eine Quote von 40 Prozent als Versicherungsleistung.

So argumentierte der VN

Der VN verlangte jedoch die vollständige Erstattung des Schadens. Er erklärte, dass er sich im Rahmen des Vertragsschlusses durch den Vertreter fehlerhaft beraten gefühlt habe. Dieser habe im Beratungsgespräch zwar den Betrag von 200.000 Euro angegeben, zugleich jedoch erläutert, dass dies „aus der Luft gegriffen“ sei und er keine Vorstellung darüber habe, ob diese Ver-sicherungssumme zutreffend und ausreichend sei. Dabei habe der Versicherungsvertreter weder nachgefragt noch den Zeitwert erläutert oder erklärt, wie eine Versicherungssumme zu ermitteln sei. Nach Auffassung des VN sei das Beratungsprotokoll unvollständig ausgefüllt. Denn der vermerkte Kundenwunsch nach einem Zeitwert von 200.000 Euro sei eben gerade nicht Ergebnis einer Beratung, sondern habe lediglich auf seiner in den Raum gestellten Schätzung beruht.

So verteidigte sich der Vertreter

Der Vertreter behauptete, nach dem Wertermittlungsprogramm einen Ver-sicherungswert in Höhe von etwas über 500.000 Euro ermittelt zu haben, dem VN sei die Prämie jedoch zu hoch gewesen. Natürlich hätte er auch die Folgen einer Unterversicherung im Schadensfall erläutert. Das Beratungsprotokoll wies aus: „Kundenwunsch zum Wert von 200.000 Euro absichern“.

LG Halle: Vertreter hat Beratungspflichten verletzt

Das LG Halle gab dem VN Recht und bejahte eine Haftung des Vertreters. Die Richter sind der Auffassung, dass dem VN ein Anspruch nach §§ 61, 63 VVG zustehe, da er bewiesen habe, dass der Vertreter seiner Beratungspflicht nicht nachgekommen sei (LG Halle, Urteil vom 31.03.2023, Az. 5 O 414/21, Abruf-Nr. 239544).

Objektive Risikosituation muss aus Dokumentation hervorgehen

Zwar ist der VN grundsätzlich beweisbelastet für eine Falschberatung, gleichwohl werden bei fehlerhafter Dokumentation Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr gebilligt. Zwar sei im konkreten Fall durchaus ein Beratungsprotokoll vorhanden, und es müssten nicht sämtliche Einzelheiten des Beratungsgesprächs in Textform dokumentiert werden. Gleichwohl müsse, um dem Schutzbedürfnis des VN und damit Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht gerecht werden zu können, daraus hervorgehen, welche objektive Risikosituation vorliegen.

Vertreter hat gegen Beratungspflichten verstoßen

Nach Auffassung des Gerichts hätte, sofern man diese Dokumentation ernst nimmt, keine Beratung hinsichtlich des Versicherungswerts nach dem Bedarf stattgefunden und noch viel weniger eine Beratung zu einem Versicherungswert von über 500.000 Euro. Denn im Beratungsprotokoll ist ausdrücklich vermerkt, dass es zu der empfohlenen Absicherung keinen abweichenden Kundenwunsch oder Empfehlung gegeben hat.

Auch wird die Dokumentation hier einer Beratung für eine Gebäudeversicherung und dem zu versichernden Wert nicht gerecht. Da die Wertbestimmung bei der Gebäudeversicherung von komplexer Natur ist und einer sorgfältigen Prüfung durch den Vermittler und Befragung des VN bedarf, muss dieses auch aus der Beratungsdokumentation hervorgehen.

Das Gericht weist auch darauf hin, dass es dem Vertreter ein Leichtes gewesen wäre, den Hinweis auf die Unterversicherung kurz und bündig im Freitext der Dokumentation zu notieren.

Das sind die Handlungsempfehlungen für die Praxis

Auch wenn es sich hier um den Haftungsfall eines Vertreters handelt, ist das Urteil auch für Haftungsfälle von Versicherungsmaklern relevant. Denn immer häufiger landen Streitigkeiten über die Versicherungssumme vor Gericht – mal gegen den Versicherer, mal gegen den Makler.

Praxistipps |

  • Die Entscheidung lehrt, dass in der Regel nur eine umfassende Beratungs-dokumentation vor Haftungsfällen schützt.
  • Dokumentieren Sie eine gewünschte Herabsetzung der Versicherungssumme zur Prämienersparnis zwingend und sorgfältig. Warnen Sie deutlich vor den Folgen einer Unterversicherung im Versicherungsfall und dokumentieren Sie dies zwingend.
  • Prüfen Sie Ihren Bestand, um ggf. bestehende, zu geringe Versicherungssummen unverzüglich anzupassen oder den Kunden zu bestehenden Unterversicherungen nachweislich zu beraten. Dokumentieren Sie eine Unterversicherung sowie den Verzicht des VN auf Erhöhung nach Ihrem Einwand der Unterversicherung zwingend.

AUSGABE: VVP 3/2024, S. 5 · ID: 49904810

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte