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VerjährungSo reagieren Sie auf das Problem der Verjährung der Grundforderung während der Regulierung

Abo-Inhalt18.09.20241400 Min. Lesedauer

| Die Schadenregulierung zieht sich lange hin, die Akte liegt auf dem „demnächst“-Stapel, und dann wird kurz vor schadenrechtlicher Verjährung Klage eingereicht. Oder der Prozess zieht sich lange hin, warum auch immer. Und dann wendet der Versicherer ein: Die noch offene Forderung der Werkstatt, des Schadengutachters, des Autovermieters, des Abschleppunternehmers (im Folgenden: Dienstleister) gegen den Geschädigten sei nun verjährt. Also müsse der Geschädigte nichts mehr an seinen Dienstleister bezahlen, womit der Schaden entfallen sei. |

Ein aktuelles Beispiel dafür ist ein Vorgang, der zu einem Urteil des AG Pforzheim führte. Das Gericht sagt: „Kein Erfolg beschieden sein kann dem weiteren Einwand der Beklagten, dem Kläger sei der geltend gemachte Schaden nicht (mehr) entstanden, da er sich seinerseits gegenüber dem Abschlepp- bzw. Mietwagenunternehmen auf Verjährung berufen könne. Denn die Klage wurde bereits im November 2023 und mithin in unverjährter Zeit erhoben; eine erst nach Eintritt der Verjährung erfolgende abschließende Entscheidung kann sich nicht zum Nachteil des Klägers bzw. des Abschlepp-/Mietwagenunternehmens auswirken.“ (AG Pforzheim 11.7.24, 2 C 1598/23, Abruf-Nr. 243031, eingesandt von RA Martin Lins, Pforzheim).

Das ist ein erfreuliches, aber dünn begründetes Ergebnis.

Nota bene: Es geht nicht um die Verjährung des Schadenersatzanspruchs, denn die ist durch die fristgerechte Einreichung der Klage gehemmt, § 204 Abs. 1 Ziff. 1 BGB. Es geht um die Verjährung der noch offenen Forderung des Dienstleisters gegen den Geschädigten.

1. Das alte Urteil, auf das sich die Versicherer zumeist stützen

Für die Auffassung „Grundforderung verjährt, Schaden entfallen“ berufen sich die Versicherer zumeist auf OLG Stuttgart 22.1.18, 7 U 122/12. Von allen Verjährungsfragen abgesehen, leidet diese Entscheidung jedoch an einem krassen Denkfehler: Das OLG meint, der Schaden des Geschädigten liege in der Belastung mit der Mietzinsforderung, die wegen Verjährung entfallen sei.

Das sieht der BGH ganz anders. Es gab mehrere bis zum BGH geführte Prozesse, in denen der Versicherer meinte, die jeweils zugrunde liegenden Mietverträge seien – zum Beispiel wegen Wuchers – nichtig.

Diese Frage hielt der BGH aber nie für bedeutsam. So heißt es im Urteil vom 9.10.07, VI ZR 27/07 dort Rn. 7, Abruf-Nr. 073378: „Für die Entscheidung des Streitfalls ist demzufolge nicht erheblich, ob der Mietvertrag zwischen der Klägerin und dem Mietwagenunternehmer wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach den §§ 138, 139 BGB nichtig ist.“

Wenn der Mietvertrag nichtig wäre, hätte der Vermieter von Anfang an keinen vertraglichen Anspruch gegen den Mieter. Soweit das den BGH gar nicht interessiert, ist das nur damit zu erklären, dass der Schaden nicht in der (dann ja nicht gegebenen) Belastung des Geschädigten mit dem Mietzins liegt, sondern im Entzug der Mobilität durch das Unfallereignis. Die Rechnung über den Mietwagen konkretisiert den Schaden, lässt ihn aber nicht entstehen und demgemäß auch nicht entfallen.

Wenn es „vorn“ unerheblich ist, ob die Grundforderung überhaupt entstanden ist, kann es „hinten“ auch nicht von Bedeutung sein, ob sie verjährt ist. Das ist die Quintessenz des schadenrechtlichen Grundsatzes, dass Rechtsprobleme im Grundverhältnis nicht auf das Schadenrechtsverhältnis durchgreifen.

Auf die Verjährung der Grundforderung kommt es also gar nicht an. Das kann man schon daran erkennen, dass es sonst unendlich viele BGH-Entscheidung gar nicht gäbe. Denn oft wird beim BGH erst verhandelt, wenn die werkvertragliche oder mietvertragliche Grundforderung, die dem Streit zugrunde liegt, inzwischen verjährt ist. Selbst wenn es darauf ankäme, muss bei der Frage, ob die Grundforderung verjährt ist, etwas genauer hingeschaut werden.

2. Die (vorgetäuschte) Sicherungsabtretung aus verflossener Zeit

Im Stuttgarter Prozess lagen erkennbar noch die früheren Sicherungsabtretungen aus der Zeit vor dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) zugrunde.

In jener Ära des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) waren Abtretungen in der Schadenabwicklung nur dann rechtskonform und wirksam, wenn sie als Sicherungsabtretungen formuliert waren. Sie taten so, als sei die Direktabrechnung des Dienstleisters mit dem Versicherer nur das letzte Mittel, wenn der Geschädigte selbst trotz Rechnung und Mahnung nicht gezahlt habe, der Sicherungsfall also eingetreten sei. Nach der Papierform verlangten die Dienstleister die Sofortzahlung vom Geschädigten. Von einer Stundung konnte also nicht die Rede sein.

3. Die Lage ist heute anders

Seit der Geltung des RDG Mitte 2008 ist das aber anders. Die unfallersatztypische Gesamtkonstellation ist wie folgt zu beschreiben:

Statt sofort bezahlen zu müssen, unterzeichnet der Geschädigte eine Abtretung erfüllungshalber. Der Dienstleister nimmt die Abtretung an. Gegebenenfalls wird die Abtretung als stille Abtretung vereinbart und behandelt.

Entweder wird dabei ausdrücklich besprochen oder jedenfalls konkludent vereinbart, dass der Dienstleister dem Geschädigten die Mietzinsforderung derzeit stundet. Ebenfalls ausdrücklich besprochen oder jedenfalls konkludent vereinbart ist

  • entweder, dass der Geschädigte die Forderung mit anwaltlicher Unterstützung selbst durchsetzt
  • oder dass der Dienstleister nun versucht, die abgetretene Schadenersatzforderung beim Schuldner geltend zu machen. Von dort erlangte Zahlungen werden auf die Mietzinsforderung angerechnet und lassen sie insoweit erlöschen.

Jedenfalls aber darf der Geschädigte zunächst abwarten, wie sich die Schadenregulierung gestaltet. So lange muss er nicht zahlen.

4. Beispiel aus der BGH-Rechtsprechung

Eine tragfähige, weil vom BGH für wirksam erachtete Abtretungsformulierung, nämlich die aktuell empfohlene vom Bundesverband der Autovermieter BAV, zeigt die Entscheidung BGH 17.10.23, VI ZR 27/23 unter Rn. 3, Abruf-Nr. 238418, auf. Darin heißt es u. a.: „Jedoch wird die Mietzinsforderung bis zur endgültigen Klärung mit der Versicherung gestundet. Die Stundung endet durch Zahlungsaufforderung durch die Autovermietung mir gegenüber.“

Das ist die wohl beste Absicherung des Dienstleisters, denn die vereinbarte Stundung hemmt die Verjährung völlig eindeutig, sei es gemäß § 205 BGB, sei es durch eine von der Regel abweichende Fälligkeit gemäß § 199 BGB.

5. „Konkludent“ ist weniger eindeutig. Also: Sondervereinbarung

Fehlt es an dieser Deutlichkeit, muss eine konkludente Stundung vorgetragen werden. Das ist dünn. Erkennt man den (theoretischen) Ablauf der Verjährungsfrist der Grundforderung früh genug, ist es sinnvoll, eine gesonderte Stundungsabrede zwischen Dienstleister und Geschädigtem nachzuholen.

6. (Stille) Abtretung vorlegen oder nicht?

Bei Klagen aus abgetretenem Recht stellt sich die Frage der Offenlegung der Abtretung gar nicht. Denn da liegt die Abtretung ohnehin offen und der subjektbezogene Schadenbegriff greift nicht.

Eine Stille Abtretung vorzulegen, um die darin formulierte Stundung zu beweisen, bringt den Vorteil der eindeutig nicht verjährten Forderung. Der Preis ist aber hoch: Der subjektbezogene Schadenbegriff ist damit nicht mehr anwendbar. Das mag bei restlichen Mietwagenkosten oder bei restlichen Sachverständigenkosten verschmerzbar sein, wenn sie im Rahmen der vom jeweiligen Gericht für deren Erstattung angewendeten Schätzgrundlage liegen. Bei restlichen Abschlepp- oder Reparaturkosten ist das aber in der Regel ein empfindlicher Nachteil. Also kann es auch dort sinnvoll sein, eine isolierte schriftliche Stundungszusage vorzulegen, um die man den Dienstleister bittet, und die stille Abtretung weiterhin unter Verschluss zu halten.

7. Passende Musterformulierung

Mit dem Textbaustein Abruf-Nr. 50123095 „Verjährung der Grundforderung ist nicht von Bedeutung“ haben wir eine passende Musterformulierung für Sie vorbereitet. Diese finden Sie unter den Downloads auf der VA-Homepage (iww.de/va) oder unter Abruf-Nr. 501230095.

AUSGABE: VA 10/2024, S. 171 · ID: 50120187

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