Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Okt. 2024 abgeschlossen.
BussgeldbescheidDas müssen Sie zum Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach den §§ 67 ff. OWiG wissen
| Im Bußgeldverfahren endet das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde mit dem Erlass des Bußgeldbescheids (dazu VA 24, 124 u. 160). Legt der Betroffene dagegen Einspruch ein, wird das Verfahren i. d. R. in das gerichtliche Verfahren übergeleitet. Wir wollen Ihnen mit den nachfolgenden Übersichten aufzeigen, worauf Sie bei der Einlegung des Einspruchs achten müssen. |
Übersicht 1 / Allgemeines | |
Frage | Antwort |
| Nein. Beim Einspruch gegen den Bußgeldbescheid handelt es sich nicht um ein Rechtsmittel, sondern um einen sog. „Rechtsbehelf eigener Art“. Die Einspruchseinlegung führt nämlich nicht dazu, dass die vorläufige Bußgeldentscheidung der Verwaltungsbehörde auf ihre Richtigkeit überprüft wird. |
| Die Einspruchseinlegung hat den Übergang des Verfahrens von der Verwaltungsbehörde an das AG / den Richter. Der prüft dann den Sachverhalt (noch einmal) eigenverantwortlich (weiter). |
| Durch die Einspruchseinlegung ändert sich die Bedeutung des Bußgeldbescheids. Er ist nun nicht mehr vorläufig abschließende Entscheidung des vorbereitenden Verfahrens bei der Bußgeldbehörde, sondern er hat jetzt „Anklagefunktion“. D. h.: Im Bußgeldbescheid ist festgehalten, was dem Betroffenen vorgeworfen wird. |
| Ja, sie muss es sogar. Denn sie muss z. B. prüfen, ob der im Bußgeldbescheid enthaltene Vorwurf aufrechterhalten wird. |
| Nein. Die Einlegung des Einspruchs gehört nach Vorbem. 5.1.2 VV RVG noch zum Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, sodass dadurch keine neuen Gebühren entstehen. Praxistipp | Wird allerdings nach Einlegung des Einspruchs der Bußgeldbescheid von der Verwaltungsbehörde zurückgenommen und ein neuer Bußgeldbescheid erlassen, gegen den dann kein Einspruch mehr eingelegt wird, erhält der Verteidiger eine Befriedungsgebühr nach Nr. 5115 Anm. 1 Nr. 3 VV RVG. |
Übersicht 2 / Form, Frist, Inhalt des Einspruchs | |
Frage | Antwort |
| Der Einspruch kann durch den Betroffenen selbst, durch seinen Verteidiger, aber auch durch andere bevollmächtigte Personen eingelegt werden. Praxistipp | Der Verteidiger kann den Einspruch auch im eigenen Namen einlegen. |
| Nein, da er den Einspruch auch im eigenen Namen einlegen kann (VGH Rheinland-Pfalz VA 21, 205; Burhoff, OWi, Rn. 916). Praxistipp | Um unnötigen Streit zu vermeiden, kann es sich je nach dem Verfahrensziel in der Praxis aber empfehlen, eine schriftliche Vollmacht vorzulegen. Allerdings sollte der Verteidiger ggf. darauf achten, dass diese keine Zustellungsvollmacht enthält (zu den Vollmachtsfragen allgemein Burhoff, OWi, Rn. 4043). |
| Nach § 67 Abs. 1 S. 1 OWiG muss der Einspruch bei der Verwaltungsbehörde eingelegt werden, die ihn erlassen hat. Praxistipp | Ausreichend ist der Eingang bei einer anderen Verwaltungsbehörde, wenn diese den Einspruch an die „richtige“ Verwaltungsbehörde weiterleitet. Der Einspruch ist dann aber nur wirksam, wenn er dort innerhalb der Einspruchsfrist eingeht. Nach wohl h. M. in der Rechtsprechung ist die Eingangsbehörde nicht verpflichtet, besondere Maßnahmen zu treffen, damit der Einspruch bei der richtigen Behörde noch rechtzeitig eingeht (vgl. dazu OLG Düsseldorf NStZ-RR 99). |
| Der Einspruch muss binnen 2 Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids eingelegt werden. Die Frist beginnt mit der (wirksamen) Zustellung des Bußgeldbescheids zu laufen (zu den Zustellungsfragen Burhoff, OWI, Rn. 4284 ff.; zur Fristwahrung Burhoff, OWi, Rn. 955 ff.). |
| Die Berechnung der Frist richtet sich nach § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. §§ 42, 43 StPO. Praxistipp | Für die Einhaltung der Frist und die damit ggf. zusammenhängende Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach einer Fristversäumung ist von Bedeutung, dass der Betroffene auf „normale Postlaufzeiten“ vertrauen darf (BVerfG NJW 01, 744; OLG Frankfurt NStZ-RR 02, 12; s. aber KG NStZ-RR 06, 124). Das Verschulden des Verteidigers wird dem Betroffenen nicht zugerechnet. |
| Nach § 67 Abs. 1 S. 1 OWiG ist der Einspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, einzulegen. Praxistipp | Hinsichtlich des Schriftformerfordernisses gelten die allgemeinen Regeln. Das bedeutet, dass die Unterschrift des den Einspruch Einlegenden nicht unbedingt erforderlich ist, solange sich aus dem Schriftstück erkennen lässt, von wem es stammt (vgl. Burhoff, OWI, Rn. 944 ff. m. w. N.). |
| Ja, das ist zulässig. In Betracht kommen
|
| Nach überwiegenden Ansicht der Rechtsprechung entspricht die einfache E-Mail nicht der Form des § 67 OWiG (OLG Jena 10.11.17, 1 OLG 145 SsBs 49/16; OLG Karlsruhe 16.2.23, 2 ORbs 35 Ss 4/23, zfs 23, 472; ). Praxistipp | Wird die E-Mail jedoch innerhalb der Einspruchsfrist ausgedruckt und zur Akte genommen, ist der Einspruch wirksam, wenn die vom BGH aufgestellten Anforderungen an die Schriftlichkeit eingehalten sind (AG Baden-Baden 24.8.20, 14 OWi 308 Js 3503/20; AG Stuttgart 23.9.21, 18 OWi 73 Js 75232/21; s. a. OLG Koblenz 18.11.21, 3 OWi 32 SsBs 119/21, NZV 22, 442). Dabei ist das Datum des Ausdrucks für die Frage der Frist maßgeblich, nicht das der Speicherung der E-Mail. |
| Die Frage ist inzwischen obergerichtlich geklärt. Das ist nicht erforderlich (OLG Frankfurt a. M. 28.2.23, 1 Ss-OWi 1460/22, NJW 23, 1528; OLG Karlsruhe 22.3.23, 2 ORbs 35 Ss 125/23, DAR 23, 338; andererseits AG Hameln 14.2.22, 49 OWi 23/22, DAR 22, 284; dazu a. Krenberger, zfs 22, 664, 666). Praxistipp | § 110c OWiG ist inzwischen aber dahin geändert, dass der Einspruch, seine Rücknahme und der Verzicht ggf. durch elektronisches Dokument zu erfolgen haben. Diese Änderung tritt aber erst am 1.1.26 in Kraft. Der Verteidiger sollte aber auch jetzt schon diesen Weg wählen. |
| Die Frage ist umstritten. Teilweise wird in der Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 80, 1290; OLG Stuttgart NStZ 89, 42; BayObLG DAR 88, 371 bei Bär; OLG Celle NJW 70, 1142; OLG Hamm NStZ 85, 472) davon ausgegangen, dass das ausreicht, wenn bei der zuständigen Verwaltungsbehörde ein Vermerk darüber gefertigt wird: Zum Teil wird diese Möglichkeit aber auch abgelehnt (OLG Düsseldorf NStZ 84, 184). |
| Nein, der Einspruch muss nicht begründet werden. Allerdings wird sich eine Begründung empfehlen, wenn der Verteidiger eine Rücknahme des Bußgeldbescheids und Erlass einer neuen mit einer für den Betroffenen günstigeren Rechtsfolge erstrebt. |
| Ja, eine Beschränkung des Einspruchs ist nach § 67 Abs. 2 OWiG grds. zulässig (wegen der Einzelheiten Burhoff, OWi, Rn. 921 ff.). Der Einspruch kann auch teilweise beschränkt werden. So ist z. B. die Beschränkung auf die Rechtsfolgen, also Geldbuße und Fahrverbot, möglich (st. Rspr. der Obergerichte, wie z. B. BayObLG 22.2.23, 201 ObOWi 66/22; 21.12.23, 202 ObOWi 1264/23). Praxistipp | Der Verteidiger muss darauf achten, dass der Einspruch durch eine ggf. abgegebene Einspruchsbegründung nicht (teilweise) ungewollt beschränkt wird. Das kann z. B. der Fall sein, wenn in der Begründung nur zu den Rechtsfolgen Stellung genommen wird. Dann sollte durch entsprechende Formulierungen vorab deutlich gemacht werden, dass aus der Begründung keine (konkludente) Beschränkung des Einspruchs abzuleiten ist, sondern der Bußgeldbescheid in vollem Umfang angefochten wird (zur konkludenten Beschränkung OLG Hamm 22.11.07, 3 Ss OWi 641/07, Abruf-Nr. 082356). |
| Nein. Grds. kann nur auf die Rechtsfolgen insgesamt beschränkt werden (vgl. u. a. BayObLG NZV 99, 51; OLG Brandenburg 28.2.22, 1 OLG 53 Ss-OWi 28/22; OLG Celle NZV 99, 524; OLG Hamm VRS 99, 220; 22.11.07, 3 Ss OWi 641/07; AG Dortmund NZV 22, 540). Erforderlich ist aber, dass der Bußgeldbescheid eine tragfähige Grundlage zur Bemessung der Rechtsfolgen bildet und insbesondere eine Angabe zur Schuldform enthält (OLG Jena NZV 06, 168). Etwas anderes gilt, wenn der Bußgeldbescheid die Regelgeldbuße nach der BKatV anordnet. Daraus kann dann nämlich wegen § 1 Abs. 2 BKatV auf fahrlässige Begehungsweise und gewöhnliche Tatumstände geschlossen werden (OLG Bamberg NJW 06, 627; OLG Jena NZV 06, 168; OLG Zweibrücken VRS 110, 292). Praxistipp | Es ist umstritten, ob der Einspruch nur auf die Höhe der Geldbuße beschränkt werden kann, wenn auch ein Fahrverbot festgesetzt ist (vgl. dazu Burhoff, OWi, Rn. 921 ff.). Der Verteidiger sollte daher von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen. |
| Nein, sie kann auch noch im Laufe des Verfahrens erfolgen, also z. B. in der Hauptverhandlung (OLG Frankfurt a. M. 24.11.22, 1 Ss-OWi 1149/22, NStZ-RR 23, 188; OLG Oldenburg DAR 16, 472; OLG Rostock DAR 22, 578). Nach § 67 Abs. 1 S. 2 OWiG i. V. m. § 302 Abs. 2 StPO benötigt der Verteidiger dafür aber eine ausdrückliche Vollmacht (BayObLG 1.2.21, 202 StRR 4/21 m. w. N.; 21.12.23, 202 ObOWi 1264/23). Liegt die nicht vor, ist die Teilbeschränkung, die einer Teilrücknahme entspricht, unwirksam (zur besonderen Vollmacht Burhoff, OWi, Rn. 926 m. w. N.). |
| Nein, die Einspruchseinlegung ist bedingungsfeindlich (so schon OLG Hamm NJW 73, 257). Zulässig sind aber bloße Rechtsbedingungen (BGH NJW 74, 66). |
Übersicht 3 / Rücknahme des Einspruchs | |
Frage | Antwort |
| Ja, der Einspruch kann zurückgenommen werden. |
| Ja, die Einspruchsrücknahme ist nach § 67 Abs. 1 S. 2 i. V. m. 302 Abs. 1 S. 1 StPO jederzeit möglich, und zwar bis zum Beginn der Urteilsverkündung. |
| Nein, sobald der Hinweis nach § 81 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 OWiG erteilt wurde, kann der Einspruch nicht mehr zurückgenommen werden (BGH NJW 80, 2364; OLG Köln NZV 02, 419). Das wird in der Rechtsprechung z. T. anders gesehen, wenn der Betroffene vor Erteilung des Hinweises nicht gehört worden ist (vgl. LG Kaiserslautern NJW 87, 966; LG Traunstein NJW 82, 1826). Praxistipp | Der Verteidiger muss den Übergang in das Strafverfahren und den daraus folgenden Ausschluss der Rücknahme des Einspruchs immer im Auge behalten, wenn der dem Betroffenen gemachte Vorwurf auch Gegenstand eines Strafverfahrens werden könnte (z. B. Verkehrsunfall mit Körperverletzung). Zeichnet sich in der Hauptverhandlung ab, dass der Amtsrichter den Übergang ins Strafverfahren gem. § 81 OWiG erwägt, sollte der Einspruch schnellstens zurückgenommen werden. |
| Ja, das ist möglich, wenn ein erstes Urteil vom OLG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden ist (OLG Hamm MDR 80, 161). Allerdings ist die Rücknahme ausgeschlossen, wenn das OLG nur im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben hat (OLG Hamm NZV 97, 89; OLG Köln NStZ 87, 372). |
| Nein, ausreichend ist die für die Einlegung des Einspruchs geforderte Form (dazu oben Übersicht 2, Ziffer 6 ff.). |
| Ja, die o. a. Ausführungen zur nachträglichen Beschränkung des Einspruchs gelten entsprechend. |
Übersicht 4 / Verfahren | |
Frage | Antwort |
| Die Verwaltungsbehörde prüft, ob sie den Bußgeldbescheid aufrechterhält. Ist das der Fall, werden die Akten über die Staatsanwaltschaft dem Gericht vorgelegt (§ 69 OWiG). |
| Nein, das Gericht kann in der Hauptverhandlung eine dem Betroffenen nachteiligere Entscheidung treffen. Praxistipp | Etwas anderes gilt nach § 72 Abs. 3 S. 2 OWiG, wenn das AG im Beschlussverfahren entscheidet. Deshalb kann es sich für den Verteidiger empfehlen, das Verfahren nach § 72 OWiG anzuregen (vgl. dazu Burhoff VA 09, 14). |
| Ja. Gegen die Fristversäumung kann Wiedereinsetzung nach den allgemeinen Regeln beantragt werden. Über diese entscheidet die Verwaltungsbehörde. Gegen deren Entscheidung ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG zulässig. Praxistipp | Ein weiteres Rechtsmittel steht dem Betroffenen nach § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG dann nicht mehr zu. |
| Ist der Einspruch nicht wirksam eingelegt, verwirft die Verwaltungsbehörde den Einspruch gem. § 69 Abs. 1 S. 1 OWiG als unzulässig. |
| Ja. Dagegen ist Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 S. 2 OWiG i. V. m. § 62 OWiG zu stellen. Praxistipp | Die Frist für den Antrag beträgt 2 Wochen nach Zustellung der Verwerfungsentscheidung. |
| Nein. Nach § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG ist ein weiteres Rechtsmittel ausgeschlossen. |
AUSGABE: VA 10/2024, S. 179 · ID: 50131606