FeedbackAbschluss-Umfrage

SchadenabwicklungUnfallfahrzeug verkauft, aber bis zur Lieferung des bestellten Kfz genutzt: Wer ist Eigentümer?

Abo-Inhalt17.07.20257533 Min. Lesedauer

| Der Geschädigte hatte bereits ein Neufahrzeug bestellt. Über das von ihm bisher und bis zur Lieferung vereinbarungsgemäß weitergenutzte Fahrzeug gab es bereits einen Ankaufvertrag. Das führt nun zum Streit über die Anspruchsinhaberschaft und die Erstattung der Mehrwertsteuer sowie zur Frage eines UE-Lesers. |

Frage: Der Versicherer schreibt: „Aktivlegitimiert ist der Eigentümer einer Sache. Und zum Unfallzeitpunkt war Ihr Mandant nicht mehr Eigentümer. Allein das Nutzungsrecht einer Sache löst noch kein Anspruchsrecht aus. Ein Rücktritt vom Kaufvertrag ist offenbar – trotz des Unfallschadens – nicht erfolgt, sodass der Kaufvertrag uneingeschränkt rechtsgültig ist. Ergänzend weisen wir auch darauf hin, dass die Ersatzanschaffung nicht unfallbedingt erfolgte, sondern auch ohne Unfall erfolgt wäre. Insoweit stellt sich auch die Frage, ob ein Anspruch auf Mehrwertsteuer überhaupt bestünde, da die Kosten sowieso angefallen wären. Ohne substanziierten Nachweis der Aktivlegitimation ist uns eine weitere Regulierung nicht möglich.“ Was ist davon zu halten?

Antwort: Der Versicherer verkennt die Grundzüge des Eigentumserwerbs. Der Geschädigte ist noch Eigentümer des Unfallfahrzeugs und entsprechend (aktiv-)legitimiert. Ein Blick in das Gesetz liefert die Antwort.

So geht das mit dem Eigentumserwerb durch den Käufer

Mit dem schuldrechtlichen Kaufvertrag erwirbt der Käufer den Anspruch, zur vereinbarten Zeit das Eigentum übertragen zu bekommen. So steht es in § 433 Abs. 1 S. 1 BGB:

Wortlaut des § 433 Abs. 1 S. 1 BGB

Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen.

Erst mit der Übergabe durch den Verkäufer und der Einigung zwischen Verkäufer und Käufer, dass das Eigentum mit der Übergabe auf den Käufer übergehen soll, wird der Käufer zum Eigentümer.

Wortlaut des § 929 BGB

Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. Ist der Erwerber im Besitz der Sache, so genügt die Einigung über den Übergang des Eigentums.

Man kann etwas kaufen, was es noch nicht gibt

Es ist möglich, etwas zu kaufen, das es in dem Moment noch gar nicht gibt: Wird ein Auto gekauft, das nach dem Kaufvertrag erst für den Käufer gebaut wird, ist es ja schlichtweg unmöglich, dass das noch nicht gebaute Auto bereits zum Eigentum des Käufers wird. Das Einzige, was der Käufer mit dem Kaufvertrag bekommt, ist der Anspruch, dass das Auto für ihn gebaut und ihm zu gegebener Zeit übergeben und das Eigentum an ihn übertragen wird. Bildhaft gesprochen: „Nehmen Sie es, jetzt gehört es Ihnen!“

Man kann auch kaufen, was dem Verkäufer noch nicht gehört

Nicht anders wäre es, wenn der Käufer mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag abschließt über ein Fahrzeug, das es bereits gibt, der Verkäufer aber erst selbst noch kaufen muss, um es weiterzuverkaufen. Z. B. ein Fahrzeug aus dem Dienstwagenbestand des Herstellers, das auf einer dafür eingerichteten Plattform vom Hersteller an die Händler vermarktet wird. Weil es zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses mit dem Endkunden dem Verkäufer noch gar nicht gehört, kann der Verkäufer dem Käufer erst später, also nach dem eigenen Eigentumserwerb, das Eigentum daran verschaffen.

Für den hier vorliegenden Fall heißt das: Der Verkäufer, hier also der Geschädigte, durfte das Unfallfahrzeug noch bis zur Lieferung des Neufahrzeugs nutzen. Er hatte das Unfallfahrzeug, die Schlüssel und die Papiere noch nicht an den Käufer übergeben. Das Eigentum lag eindeutig beim Geschädigten.

Problematik der Ersatzbeschaffung – BGH liefert Antwort

Richtig ist, dass das konkrete Neufahrzeug bereits unfallunabhängig gekauft wurde. Es gibt jedoch überhaupt keinen Zweifel, dass es durch die neue Situation des Unfalls zur Ersatzbeschaffung wurde. Das ergibt sich problemlos aus der Entscheidung des BGH (Urteil vom 18.12.2007, Az. VI ZR 62/07, Abruf-Nr. 080195). Der Geschädigte dort hatte bereits vor dem Unfall ein anderes Auto bestellt, das demnächst geliefert werden sollte. Nun hat er den Unfall – und es stellt sich die Frage, ob der Geschädigte bis zur Lieferung des Neuwagens deutlich über die übliche Wiederbeschaffungsdauer hinaus Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung hat.

Ja, den hat er lt. BGH: „Nach diesen Grundsätzen kann dem Geschädigten über den vom Sachverständigen veranschlagten Zeitraum hinaus bis zur Lieferung des bereits vor dem Unfall bestellten Fahrzeugs Nutzungsausfallentschädigung zuzubilligen sein, soweit diese die wirtschaftlichen Nachteile, die durch den Ankauf und Wiederverkauf eines Zwischenfahrzeugs zusätzlich entstehen würden, nicht wesentlich übersteigt.“

Mit der Logik des Versicherers hätte er überhaupt keinen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung, weil er ja kein Ersatzfahrzeug beschafft habe.

Weiterführende Hinweise
  • Textbaustein 636: Eigentum geht nicht mit Kaufvertrag über (H/K) → Abruf-Nr. 50482272
  • Textbaustein 637: Aus anderen Gründen gekauftes Fahrzeug wird zur Ersatzbeschaffung (H/K) → Abruf-Nr. 50482273

AUSGABE: UE 8/2025, S. 15 · ID: 50482250

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte