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ImmobilienbesteuerungVorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden: So holen Sie das Maximum heraus
| Die Finanzverwaltung hat ausführlich Stellung bezogen, wie die Vorsteuer bei gemischt genutzten Gebäuden aufzuteilen ist. Das war höchste Zeit, weil es zuletzt einige EuGH- und BFH-Urteile gab, die der Auffassung der Verwaltung widersprachen, wonach die Aufteilung fast ausschließlich nach dem Verhältnis der vermieteten Flächen zu erfolgen hatte. SSP fasst die wichtigsten Aussagen des BMF-Schreibens für Sie zusammen. |
Die Grundsätze beim Vorsteuerabzug
Entscheidend für den Vorsteuerabzug ist die Verwendungsabsicht zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs. Beabsichtigt ein Unternehmer ein Gebäude für umsatzsteuerpflichtige Ausgangsleistungen zu verwenden, ist er zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt. Will er es für steuerfreie Umsätze verwenden, schließt das den Vorsteuerabzug aus. Für gemischt genutzte Objekte bestehen Besonderheiten. Handelt es sich um Kosten der Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung, hat, soweit dies möglich ist, eine direkte Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu erfolgen. Bei der Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes ist dies hingegen nicht zulässig. Hier hat vielmehr eine Aufteilung nach den geplanten prozentualen Verwendungsverhältnissen zu erfolgen (BFH, Urteil vom 10.08.2016, Az. XI R 31/09, Abruf-Nr. 188946).
Nach dem Unionsrecht richtet sich bei dieser Aufteilung der Anteil der abzugsfähigen Vorsteuer grundsätzlich nach einem Gesamtumsatzschlüssel, wobei die zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze zum Gesamtumsatz des Unternehmers ins Verhältnis zu setzen sind . Allerdings können die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen davon abweichen. Deutschland hat davon mit § 15 Abs. 4 UStG Gebrauch gemacht. Demnach ist eine Ermittlung des abzugsfähigen Vorsteueranteils nach dem Umsatzschlüssel nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Bei Grundstücken sah die Finanzverwaltung insbesondere den Flächenschlüssel, also das Verhältnis der steuerpflichtig und steuerfrei vermieteten Flächen, als den wirtschaftlich präzisesten Aufteilungsmaßstab. Dieser ist für viele Grundstücksbesitzer allerdings oft ungünstiger, da sich mit Gewerbeflächen in der Regel höhere Mieterträge erwirtschaften lassen.
Die Neuerungen durch das BMF-Schreiben
Dem Vorrang des Flächenmaßstabs waren EuGH und BFH in mehreren Urteilen entgegengetreten. Das hat das BMF zu einer Reaktion veranlasst. Prinzipiell hält das BMF aber daran fest, dass der Flächenschlüssel den vorrangigen Aufteilungsmaßstab darstellt. Das faktische Verbot eines Umsatzschlüssels gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 UStG hat das BMF aber aufgeweicht, indem es einige Voraussetzungen genannt hat, in denen ein Gesamtumsatz- oder ein objektbezogener Umsatzschlüssel Anwendung finden kann (BMF, Schreiben vom 20.10.2022, Az. III C 2 – S 7306/19/10003 :003, Abruf-Nr. 232631).
Wichtig ist, dass das Finanzamt die Feststellungslast trägt, dass der Flächenschlüssel präziser ist als ein objektbezogener Umsatzschlüssel, sofern alle für eine entsprechende Beurteilung notwendigen Unterlagen vorliegen (BFH, Urteil vom 11.11.2020, Az. XI R 7/20, Abruf-Nr. 220621).
Der Vorsteuerabzug bei Nutzung des Flächenschlüssels
Unklar war bisher oft, welche Flächen bei der Aufteilung zu berücksichtigen sind und in welcher Höhe. Das BMF hat das jetzt wie folgt geklärt:
- Entscheidend sind die Gebäudeinnenflächen ohne Außenstellplätze (BFH, Urteil vom 27.03.2019, Az. V R 43/17, Abruf-Nr. 209144).
- Einzubeziehen sind die Grundflächen aller Räume. Unabhängig davon, ob es sich um Wohn- oder Geschäftsräume handelt (z. B. Verkaufsräume, als Lagerflächen genutzte Keller oder Speicherräume, Tiefgarage).
- Dachschrägen bleiben bei der Flächenberechnung unberücksichtigt.
- Außer Ansatz bleiben auch Räume, die zur Versorgung des Gebäudes dienen sowie Gemeinschaftsräume (also Technikräume, Treppenhaus oder Waschküche).
- Balkone und Terrassen werden zur Hälfte der Fläche hinzugerechnet.
- Andere anerkannte Methoden der Flächenberechnung können angewendet werden, wenn dies für das Gebäude einheitlich erfolgt und diese Methode auch für andere Zwecke angewendet wird (z. B. bei Mietverträgen).
Der Gesamtumsatz- bzw. objektbezogene Umsatzschlüssel
Ein Gesamtumsatzschlüssel führt nur in Ausnahmefällen zu einer präziseren Aufteilungsmethode. Das BMF nennt hier ein Verwaltungsgebäude, das dem Gesamtunternehmen dient.
Ein präziserer Aufteilungsschlüssel kann der objektbezogene Umsatzschlüssel sein. Er setzt voraus, dass die Ausstattung der verschiedenen Flächen erheblich voneinander abweicht. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Innenausstattung oder die Dicke der Decken und Wände deutlich voneinander unterscheiden. Dies kann dazu führen, dass sich ein unterschiedlicher Bauaufwand ergibt, der sich in unterschiedlichen Mieterträgen widerspiegelt.
Ein deutlich unterschiedlicher Bauaufwand liegt z. B. dann vor, wenn einige Räume luxuriös, andere schlicht ausgestattet sind oder wenn nur für einen Gebäudeteil höhere Herstellungskosten anfallen. Letzteres gilt z. B. bei traglastverstärkten Böden, beim Einbau eines Schwimmbads nur für den Wohnbereich oder einer erheblich unterschiedlichen Nutzung der Flächen innerhalb des Gebäudes oder des Dachs, z. B. bei Nutzung der Dachflächen für eine Photovoltaikanlage. Was genau unter luxuriös oder schlicht zu verstehen ist, regelt das BMF-Schreiben leider nicht.
Wahlrecht bei mehreren Aufteilungsoptionen
Existieren mehrere Aufteilungsmaßstäbe, die präziser als der Flächenschlüssel sind, hat der Unternehmer ein Wahlrecht, wobei nicht zwingend der präziseste zur Anwendung kommen muss. So hat der BFH im Fall einer zeitlich abwechselnden Nutzung entschieden, dass eine Aufteilung nach Nutzungszeiten zu einer präziseren Aufteilung führt (BFH, Urteil vom 26.04.2018, Az. V R 23/16, Abruf-Nr. 204244). Abschnitt 15.17 Abs. 7 S. 6 und 7 UStAE sah bei erheblichen Ausstattungsunterschieden bislang eine direkte Zuordnung von Vorsteuerbeträgen vor. Diese Zuordnung wird nicht mehr akzeptiert. Sie bleibt aber möglich, wenn sie vor dem 20.10.2022 erfolgt ist.
Beispiel |
Die Anwendung der denkbaren Vorsteuerauf-
teilungsoptionen ... Ein Unternehmer, der bislang ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt, errichtet ein Gebäude, das er an Privatpersonen steuerfrei und an eine Steuerberaterkanzlei steuerpflichtig vermietet. Es sind Vorsteuerbeträge von 100.000 Euro entstanden. Unterschiedliche Ausstattungsmerkmale der einzelnen Gebäudeteile sind nicht vorhanden. Von der Gesamtfläche des Gebäudes entfallen 50 Prozent auf steuerfreie und 50 Prozent auf steuerpflichtige Umsätze. Das Verhältnis der Mieteinnahmen hingegen beträgt 60 (Steuerberaterkanzlei) zu 40 (Wohneinheiten). Durch die umsatzsteuerfreie Vermietung sinkt der Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Gesamtumsätze des Unternehmers auf 95 Prozent. ... am praktischen Fall duchdekliniert Lösung: Nach dem Gesamtumsatzschlüssel wären 95.000 Euro Vorsteuer abzugsfähig, nach dem objektbezogenen Umsatzschlüssel 60.000 Euro und nach dem flächenbezogenen Aufteilungsmaßstab 50.000 Euro. Eine Aufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel ist gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 UStG aber ausgeschlossen, da weitere Aufteilungsmethoden existieren, die zu einem präziseren Ergebnis führen. Da sich die einzelnen Gewerke in ihrer Ausstattung nicht unterscheiden, kommt auch eine Aufteilung nach dem objektbezogenen Umsatzschlüssel nicht in Betracht. Letztlich ist also der Flächenmaßstab anzuwenden. Die abzugsfähige Vorsteuer beträgt somit 50.000 Euro. |
Abwandlung des Beispiels |
Die Ausstattung der Steuerberatungskanzlei übersteigt die Ausstattung der Wohnungen deutlich. Dies spiegelt sich auch in den erzielten Mieten wieder. Der Anteil der steuerpflichtigen Mieterlöse beträgt nunmehr 70 Prozent. Insgesamt sind Vorsteuerbeträge in Höhe von 100.000 Euro entstanden, die bei direkter Zuordnung in Höhe von 75.000 Euro auf die Kanzlei und in Höhe von 25.000 Euro auf die Mietwohnungen entfallen. Lösung: Der Gesamtumsatzschlüssel kommt weiterhin nicht in Betracht. Aufgrund der höheren Ausstattungsmerkmale kann aber der objektbezogene Umsatzschlüssel angewendet werden. Somit sind 70 Prozent der Vorsteuerbeträge abzugsfähig. |
Ist das Gebäude vor dem 20.10.2022 hergestellt worden, wird es nicht beanstandet, wenn die direkte Zuordnung nach Abschn. 15.17 Abs. 7 S. 6 und 7 UStAE (alt) beibehalten wird. Dies sollte bei der oftmals noch ausstehenden Umsatzsteuererklärung 2022 berücksichtigt werden.
AUSGABE: SSP 7/2023, S. 15 · ID: 49325474