Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe März 2023 abgeschlossen.
Außergewöhnliche BelastungenFitnessstudio auf Rezept – Sind Mitgliedsbeiträge außergewöhnliche Belastungen?
| Nicht alle Kosten, die einem aufgrund von Krankheit entstehen, sind steuerlich als außergewöhnliche Belastung (agB) nach § 33 EStG absetzbar. Oft ist die Abgrenzung schwierig. Das gilt vor allem für die Frage, ob Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio krankheitsbedingte – und damit als agB-anzuerkennende – Aufwendungen darstellen. Das FG Niedersachsen hat das aktuell verneint, der Fall hängt aber mittlerweile beim BFH. SSP nimmt das zum Anlass, Licht ins Dunkel um die Abzugsfähigkeit von Mitgliedsbeiträgen für Fitnessstudios zu bringen. |
Der agB-Fall vor dem FG Niedersachsen
In dem Fall vor dem FG Niedersachsen stritt eine Person mit Behinderung (GdB 30) mit der Finanzverwaltung um den Abzug von Aufwendungen für ein Funktionstraining in einem Fitnessstudio als agB.
Ärztlich veordnete Wassergymnastik im Fitnessstudio als agB abziehbar?
Das Funktionstraining in Form eines Wassergymnastik-Kurses hatte die Behinderte zur Behandlung ihrer Bewegungseinschränkungen, zur funktionellen Verbesserung und zur Schmerzreduktion ärztlich verordnet bekommen. Die Kosten übernahm die Krankenkasse. Die Behinderte nahm an dem Kurs zunächst in einem Verein teil. Dann entschied sie sich, ihn in einem näher zum Wohnort gelegenen Fitnessstudio zu absolvieren. Dort finden spezielle Kurse statt, an denen nur Personen teilnehmen können, die aus Krankheitsgründen eine entsprechende Verordnung erhalten haben. Die Kurse werden von Übungsleitern mit gültiger Lizenz für den Rehasport durchgeführt. Um am Kurs teilnehmen zu können, musste sich die Behinderte im Fitnessstudio als Mitglied anmelden und den Beitrag für das auf die Teilnahme am verordneten Kurs zugeschnittene Modul „Wasserwelt“ entrichten. Der Beitrag berechtigte zusätzlich, weitere Aqua-Fitness-Kurse zu besuchen und die Sauna zu nutzen. Obendrein stellte das Fitnessstudio den wöchentlichen Beitrag für den Reha-Verein, der den Wassergymnastik-Kurs durchführte, in Rechnung.
Finanzamt verwehrt den Abzug
In der Steuererklärung machte die Behinderte Kosten in Höhe von insgesamt 766,80 Euro als Teil ihrer Heilbehandlungskosten i. S. v. § 33 EStG geltend. Davon entfielen 545,50 Euro auf die Beiträge (Fitnessstudio und Reha-Verein) und 167,20 Euro auf Fahrtkosten. Das Finanzamt ließ den Abzug nicht zu; die Behinderte klagte. Die Klage hatte aber nur teilweise Erfolg.
So hat das FG Niedersachsen entschieden
Die Gesamtkosten der Behinderten (Fitnessstudio-Beitrag, Reha-Vereinsbeitrag, Fahrtkosten) hat das Gericht vor diesem Hintergrund wie folgt beurteilt (FG Niedersachsen, Urteil vom 14.12.2022, Az. 9 K 17/21, Abruf-Nr. 233358).
Mitgliedsbeitrag für das Fitnessstudio ist keine agB
Hinsichtlich des Mitgliedsbeitrags für das Fitnessstudio und das für die Teilnahme am Wassergymnastik-Kurs zugeschnittene Modul „Wasserwelt“ vertritt das FG Niedersachsen die Auffassung, dass keine agB i. S. v. § 33 EStG vorliegen. Und zwar deshalb, weil mit dem Beitrag auch weitere Aqua-Fitness-Kurse sowie die Saunanutzung abgegolten werden. Diese Leistungen können nicht nur von kranken, sondern auch von gesunden Menschen in Anspruch genommen werden, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten. Irrelevant ist dabei, ob die Behinderte die Nutzungsmöglichkeit in Anspruch genommen hat oder nicht. Eine Aufteilung nach objektiven Kriterien sah das Gericht nicht als möglich an. Auch sah das FG Niedersachsen keine Zwangsläufigkeit gegeben. Die Behinderte hätte die ärztlich verordneten Kurse auch außerhalb eines Fitnessstudios durchführen können. Die räumliche Nähe allein begründe nämlich keine Zwangsläufigkeit, so das Gericht.
Reha-Vereinsbeitrag ist zwangsläufig und daher als agB abziehbar
Etwas anderes gilt jedoch für die Beiträge für den Reha-Verein, der die ärztlich verordneten Kurse in dem Fitnessstudio durchführt. Diese sind nach Auffassung des Gerichts zwangsläufig angefallen und stellen daher als agB anzuerkennende Heilbehandlungskosten dar. Die Aufwendungen dafür durfte die Behinderte also steuerlich geltend machen.
Fahrtkosten teilen das Schicksal des Reha-Vereinsbeitrags
Ebenfalls zum Abzug zuzulassen waren nach Auffassung des FG Niedersachsen die Aufwendungen für die Fahrten zum Fitnessstudio, die ausschließlich im Zusammenhang mit der Durchführung des ärztlich verordneten Wassergymnastik-Kurses anfallen. Sie teilen das Schicksal der Kosten als zwangsläufige Heilbehandlungskosten und sind daher ebenfalls als agB abziehbar.
Wie entscheidet der BFH in der Revision?
Das FG hat erkannt, dass die Problematik um die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Fitnessstudiobeiträge große Breitenwirkung entfaltet. Es hat die Revision zum BFH zugelassen. Die Steuerzahlerin hat sie eingelegt.
Praxistipp | Der Musterprozess beim BFH trägt das Az. VI R 1/23. Darin muss und wird der BFH klären, ob und inwieweit die Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio bei medizinischer Indikation der Behandlung agB sein können. Dann wird auch höchstrichterlich geklärt sein, ob im Fall der Behinderten etwas anderes gelten könne, wenn ihr zur Durchführung des Kurses neben dem Fitnessstudio keine sinnvolle Alternative zur Verfügung gestanden hätte. |
Weitere FG-Urteile im Bereich Fitnessstudio und agB
Die Entscheidung aus Niedersachsen ist nur eine unter vielen in der jüngeren Vergangenheit zum Abzug von Fitnessstudiobeiträgen und damit zusammenhängenden Fahrtkosten als Heilbehandlungskosten i. S. v. § 33 EStG. Dabei hat bis jetzt kein FG den Abzug von Mitgliedsbeiträgen für ein Fitnessstudio als agB anerkannt.
Die folgende Übersicht fasst die FG-Urteile überblicksartig, beginnend mit dem jüngsten Urteil, für Sie zusammen. In der linken Spalte wird die Kernaussage des Urteils widergegeben; der rechten Spalte können Sie die Rechtsquelle und die Abruf-Nr. für ssp.iww.de entnehmen.
Rechtsprechungsübersicht: Wichtige FG-Urteile zur Abzugfähigkeit von Fitnessstudiobeiträgen | |
Kernaussage des Urteils | Rechtsquelle |
Mitgliedsbeiträge für den Besuch eines Fitnessstudios, in dem der Steuerzahler ein durch ausgebildete Fachkräfte angeleitetes bzw. begleitetes, aber tatsächlich auch ohne fachliche Betreuung nutzbares Rückentraining absolviert, das nicht nur von kranken, sondern auch von gesunden Menschen zur Gesunderhaltung, zur Steigerung des Wohlbefindens oder zur sinnvollen Freizeitgestaltung in Anspruch genommen wird, sind mangels Zwangsläufigkeit nicht als agB abzugsfähig. Selbst wenn man in solchen Fällen von Krankheitskosten ausginge, fehle es an der erforderlichen konkreten Einzelverordnung. Auch hier kam das FG zu dem Schluss, dass die Fahrtkosten das Schicksal der Behandlungskosten teilten und damit insgesamt nicht abzugsfähig sind. | FG Münster, Urteil vom 17.01.2022, Az. 9 K 1471/20 E → Abruf-Nr. 228066 |
Aufwendungen für den Besuch eines Fitness- und Gesundheitsclubs sind nur dann als agB abzugsfähig, wenn die Nachweiserfordernisse nach § 33 Abs. 4 EStG in Verbindung mit § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV erfüllt sind. Es reicht nicht, dass ein Arzt pauschal bescheinigt, dass Sporttherapie, Krankengymnastik, Bewegungsübungen, Massagen und Bewegungsübungen im Bewegungsbad unter therapeutischer Anleitung benötigt werden und er Aufbautraining der Muskulatur durch Bewegungsbäder, Muskeltraining sowie Gymnastikkurse rät, um die Gesundheit aufrechtzuerhalten. Diese Bestätigungen stellen kein Rezept oder eine Verschreibung einer konkreten und individuellen Therapiemaßnahme dar. | FG Köln, Urteil vom 30.01.2019, Az. 7 K 2297/17 → Abruf-Nr. 210781 |
Aufwendungen für die Ausübung eines Sports gehören grundsätzlich zu den gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen nur in Betracht, wenn der Sport betrieben werde, um eine Krankheit oder ein Gebrechen zu heilen oder zu seiner Besserung oder Linderung beizutragen. Die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme muss vor Beginn feststehen – erst recht, wenn sie in einem auch von gesunden Menschen besuchten Fitnessstudio durchgeführt wird und sie nicht eindeutig eine rein medizinische Maßnahme einer Heilbehandlung darstellt. Auch hier fehlte der Nachweis der medizinischen Indikation und der Zwangsläufigkeit für die in einem Fitnessstudio durchgeführten Kurse. | FG München, Urteil vom 08.09.2017, Az. 7 K 732/17 → Abruf-Nr. 233901 |
Aufwendungen für die Ausübung von Sport sind nur dann ausnahmsweise als agB zu berücksichtigen, wenn der Sport nach genauer Einzelverordnung und unter Verantwortung eines Arztes, Heilpraktikers oder einer sonst zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Person betrieben wird. Sportliche Übungen zur Kräftigung der Rückenmuskulatur, ein Herz-Kreislauf-Training und eine Wirbelsäulen- und Muskeldehnungsgymnastik sowie Aquajogging genügen diesen Anforderungen nur dann, wenn ihr Umfang und ihre Durchführung im Einzelnen nicht im Wesentlichen dem Patienten selbst oder ggf. einer selbständig handelnden, zur Ausübung der Heilkunde nicht zugelassenen Person - wie einem Sportlehrer - überlassen sind, sondern nach genauer Einzelverordnung und unter Verantwortung (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB V) eines Arztes, Heilpraktikers oder einer sonst zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Person durchgeführt werden. | FG Nürnberg, Urteil vom 30.04.2014, Az. 3 K 363/13 → Abruf-Nr. 142296 |
Wichtig | Alle vorgestellten Fälle scheiterten am erforderlichen Nachweis der Zwangsläufigkeit nach § 33 Abs. 4 EStG i. V. m. § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV, der ganz oder teilweise nicht vorlag.
Fazit | Müssen Sie aus gesundheitlichen Gründen trainieren, müssen Sie nachweisen, dass der Sport für die Linderung oder Heilung Ihrer Krankheit erforderlich ist. Als Nachweis dazu dient eine amtsärztliche Bescheinigung. Diese muss vor Beginn des Trainings vorliegen – nur so machen Sie es richtig. |
AUSGABE: SSP 3/2023, S. 9 · ID: 49033263