FeedbackAbschluss-Umfrage

PV-AnlagenDie neue PV-Anlagen-Besteuerung: Zwölf konkrete Anwendungsfragen und die Antwort darauf

Abo-Inhalt20.02.20232915 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Die Besteuerung von PV-Anlagen ist fundamental geändert worden. Mit § 3 Nr. 72 EStG ist eine rückwirkend ab 2022 und fast alle Anlagen betreffende Steuerbefreiung geschaffen, mit § 12 Abs. 3 UStG ein ab 2023 geltender Nullsteuersatz eingeführt worden. Wie immer steckt der Teufel im Detail. Das belegt die Vielzahl an Anwendungsfragen, die an die SSP-Redaktion herangetragen worden sind. Zwar ist auch ein Schreiben aus dem BMF in Arbeit. SSP will Sie aber nicht so lange im Regen stehen lassen, sondern Ihnen auf Ihre Fragen eine „sachverständige“ Antwort geben. |

1. Mehrere PV-Anlagen auf einem Gebäude – und nun?

Auf manchen Gebäuden befindet sich nicht nur eine PV-Anlage, sondern mehrere. Wie ist bei diesen hinsichtlich der maximalen Anlagengröße zu verfahren?

Antwort: Die in § 3 Nr. 72 a) EStG verankerte Grenze von 30 kWp bezieht sich auf das Gebäude, wohingegen § 3 Nr. 72 b) EStG mit seiner Grenze von 15 kWp auf die jeweilige Anzahl der in dem Gebäude enthaltenen Wohn- und Gewerbeeinheiten abstellt. Das bedeutet, dass die installierte Anzahl an PV-Anlagen unbedeutend ist. Es müssen vielmehr in einem ersten Schritt die Leistungen aller auf dem Gebäude installierten Anlagen addiert werden (auch die Leistungen technisch getrennter Anlagen) und dieser Betrag wird in einem zweiten Schritt mit der maximal für das Gebäude zulässigen Anlagengröße verglichen. Werden auf einem Einfamilienhaus z. B. zwei PV-Anlagen mit jeweils 15 kWp installiert, dann beträgt die Leistung zusammen 30 kWp und § 3 Nr. 72 a) EStG greift. Wird noch eine dritte Anlage mit fünf kWp installiert, dann erhöht sich die gemeinsame Leistung auf 35 kWp und für alle PV-Anlagen findet § 3 Nr. 72 EStG keine Anwendung.

Wichtig | Wird jedoch für die Anlage mit den fünf kWp gemäß dem BMF-Schreiben vom 29.10.2021 (Az. IV C 6 – S 2240/19/10006 :006, Abruf-Nr. 225592) ein Antrag auf Liebhaberei gestellt, dann bleibt diese Anlage bei der Ermittlung der Grenzwerte des § 3 Nr. 72 EStG unberücksichtigt. Infolge dessen fallen die weiteren Anlagen mit je 15 kWp doch unter die Steuerbefreiung.

2. Maximalgrenze von 100 kWp

Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG ist auf höchstens 100 kWp pro Steuerzahler bzw. Mitunternehmerschaft begrenzt. Was passiert, wenn die PV-Anlagen des Steuerzahlers diesen Grenzwert überschreiten?

Antwort: Da der Gesetzgeber die Formulierung „… insgesamt höchstens 100 kWp …“ gewählt hat, ka nn es sich nicht um eine Freigrenze handeln, bei deren Überschreiten sämtliche PV-Anlagen nicht mehr unter § 3 Nr. 72 EStG fallen würden. Vielmehr ist bei mehreren – von einem Steuerzahler betriebenen – PV-Anlagen, die insgesamt die Grenze von 100 kWp überschreiten, zu unterscheiden:

  • Vom Steuerzahler gewählte Anlagen mit einer Leistung von insgesamt maximal 100 kWp fallen unter § 3 Nr. 72 EStG.
  • Alle anderen (dann über 100 kWp hinausgehende) PV-Anlagen sind der regulären Besteuerung zu unterwerfen.

Dieses Ergebnis wäre auch zielgerechter als eine Freigrenze. Denn sollte es sich um eine Freigrenze handeln, und der Steuerzahler betreibt zunächst jahrelang 90 kWp und erweitert sein Portfolio im Jahr 2030 um weitere 15 kWp, dann müssten für die bisherigen PV-Anlagen ab sofort Gewinnermittlungen abgegeben werden.

Wichtig | In die Prüfung des § 3 Nr. 72 EStG werden nur solche Anlagen einbezogen, die einen Gewerbebetrieb i. S. v. § 15 EStG darstellen. Das bedeutet, dass alle PV-Anlagen unberücksichtigt bleiben, bei denen keine Gewinnerzielungsabsicht besteht oder bei denen gemäß BMF-Schreiben vom 29.10.2021 Liebhaberei beantragt wurde. Sie werden nicht in die Grenze von 100 kWp einbezogen. Gleiches gilt für Anlagen, bei denen die Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 EStG nicht vorliegen (z. B. weil die Grenzwerte von 30 kWp je Gebäude oder 15 kWp je Einheit überschritten werden).

3. Installation der PV-Anlage auf Eigentum erforderlich?

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG setzt voraus, dass die PV-Anlage eine bestimmte Anlagengröße nicht überschreitet und dass ein bestimmter Installationsort (z. B. Einfamilienhaus) eingehalten wird. Ist es zudem erforderlich, dass sich der Installationsort im Eigentum des Betreibers der PV-Anlage befindet oder können es auch gemietete Dachflächen sein?

Antwort: Werden die Anlagengrößen und der Installationsort eingehalten, dann findet die Steuerbefreiung kraft Gesetzes Anwendung. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Installationsort (z. B. das Gebäude) im Eigentum des Betreibers befindet. Auch eine Installation auf gemieteten oder unentgeltlich überlassenen Installationsorten führt unter den übrigen Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 EStG zur Steuerbefreiung.

4. Endabrechnung des Netzbetreibers in 2022 für 2021

Regelmäßig hat der Netzbetreiber für die Einspeisung des Jahres 2021 im Jahr 2022 eine Endabrechnung erteilt. Weist diese ein Guthaben aus, bezieht sich das Guthaben auf das Jahr 2021. Findet die Steuerbefreiung trotzdem Anwendung?

Antwort: § 3 Nr. 72 EStG gilt für alle Entnahmen und Einnahmen ab dem 01.01.2022. Da der Gewinn der PV-Anlage regelmäßig nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird, gilt für die zeitliche Zuordnung der Einnahmen § 11 Abs. 1 EStG. Das bedeutet, dass diese in dem Jahr anzusetzen sind, in dem sie zugeflossen sind. Fließt das Guthaben für 2021 dem Anlagenbetreiber erst im Jahr 2022 zu, dann findet bereits die Steuerbefreiung Anwendung. Auf den wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einspeisung des Jahres 2021 und der dort noch nicht geltenden Steuerbefreiung kommt es nicht an. Gleiches gilt im Übrigen für etwaige Rückforderungen des Netzbetreibers aufgrund zu hoch geleisteter Abschlagszahlungen.

5. § 3 Nr. 72 EStG – Betriebs- oder Privatvermögen?

Fällt eine bisher im Betriebsvermögen befindliche PV-Anlage unter § 3 Nr. 72 EStG, handelt es sich dann künftig um Privat- oder Betriebsvermögen?

Antwort: Bei dem Betrieb einer PV-Anlage handelt es sich um einen Gewerbebetrieb i. S. v. § 15 EStG, vorausgesetzt eine Gewinnerzielungsabsicht ist gegeben. Das bedeutet, dass die Anlage dem Betriebsvermögen zuzuordnen ist. Erst im nächsten Schritt erfolgt die Prüfung der möglicherweise über § 3 Nr. 72 EStG bestehenden Steuerfreiheit. Deshalb ist eine steuerfreie PV-Anlage dem (steuerfreien) Betriebs- und nicht dem Privatvermögen zuzurechnen. Das stellt auch § 3 Nr. 72 S. 2 EStG klar. Denn nur wenn die Einnahmen „insgesamt“ steuerfrei sind, ist für die PV-Anlage (zur Vereinfachung) kein Gewinn zu ermitteln.

Wichtig | Liegt keine Gewinnerzielungsabsicht vor oder wurde auf Basis des BMF-Schreibens vom 29.10.2021 Liebhaberei beantragt, dann liegt insgesamt kein Gewerbebetrieb vor und die PV-Anlage gehört zum Privatvermögen.

6. Übergang zu § 3 Nr. 72 EStG: Was ist mit stillen Reserven?

Wurde die PV-Anlage bereits vor dem 01.01.2022 installiert, haben sich in der Zeit zwischen der Installation und dem 01.01.2022 regelmäßig stille Reserven gebildet. Sind diese infolge des Übergangs zur Steuerfreiheit aufzudecken und zu versteuern? Schließlich entfallen sie auf einen Zeitraum, in dem Gewinne und Verluste aus der PV-Anlage noch steuerlich relevant waren.

Antwort: Nein, die stillen Reserven unterliegen nicht der Besteuerung. Zwar ist es so, dass bei einem Übergang zur Liebhaberei gemäß § 180 Abs. 2 AO i. V. m. § 8 der Verordnung zu § 180 AO die bis zum Übergang zur Liebhaberei entstandenen stillen Reserven gesondert festzustellen und bei einer späteren Veräußerung der Anlage aufzudecken sind. Aber der Übergang zur Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG stellt keinen Übergang zur Liebhaberei dar, weshalb sich die PV-Anlage auch weiterhin im Betriebsvermögen befindet. Deshalb stellt bereits der Wortlaut von § 3 Nr. 72 EStG klar, dass ab dem 01.01.2022 die Entnahmen und Einnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb der PV-Anlage steuerfrei sind. Diese Begriffe umfassen nicht nur die Einspeisevergütung und den dezentral verbrauchten Strom, sondern auch einen späteren Veräußerungserlös (inkl. aller dabei aufgedeckter stiller Reserven) wie auch einen späteren Entnahmegewinn.

Praxistipp | Auch bei einem Antrag auf Liebhaberei nach BMF-Schreiben vom 29.10.2021 sind keine stillen Reserven aufzudecken und zu versteuern. Denn in diesem Fall gilt die Liebhaberei rückwirkend ab dem Tag der Inbetriebnahme, sodass sich keine stillen Reserven ergeben können.

7. Anwendbarkeit von § 35a EStG bei Steuerfreiheit?

Fällt die PV-Anlage in den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 72 EStG, dann lassen sich gemäß § 3c Abs. 1 EStG Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben absetzen, die im Zusammenhang mit den steuerfreien Entnahmen und Einnahmen stehen. Das gilt insbesondere auch für die Abschreibung. Es stellt sich deshalb die Frage, ob für die in den Installations-, Reparatur- und Wartungskosten enthaltenen Lohnanteile die in § 35a EStG verankerte Steuerermäßigung von 20 Prozent beantragt werden kann.

Antwort: Das geht leider nicht. Denn wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem Betrieb der PV-Anlage weiterhin um einen (steuerfreien) Gewerbebetrieb i. S. v. § 15 EStG. Das bedeutet, dass die durch die PV-Anlage veranlassten Aufwendungen Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG darstellen, diese jedoch aufgrund der Steuerfreiheit nicht zum Abzug zugelassen werden (§ 3c Abs. 1 EStG). Die Inanspruchnahme der in § 35a EStG verankerten Steuerermäßigung scheidet deshalb gemäß § 35a Abs. 5 S. 1 EStG aus, da es schädlich ist, wenn die Lohnkosten Betriebsausgaben „darstellen“. Und das tun sie, wenn die PV-Anlage unter § 3 Nr. 72 EStG fällt.

Praxistipp | Liegt keine Gewinnerzielungsabsicht vor oder wurde auf Basis des BMF-Schreibens vom 29.10.2021 Liebhaberei beantragt, dann liegt insgesamt kein Gewerbebetrieb vor. Es ergeben sich keine Betriebsausgaben, und die Lohnkosten berechtigen unter den weiteren Voraussetzungen des § 35a EStG zur Inanspruchnahme der Steuerermäßigung.

8. IAB – Bildung ab 2022 noch zulässig?

Mit Investitionsabzugsbeträgen (IAB) ist in der Vergangenheit oft gestaltend in den Erwerbsprozess einer PV-Anlage eingegriffen worden. Es stellt sich die Frage, ob das ab dem Veranlagungszeitraum 2022 infolge der Steuerbefreiung noch immer geht.

Antwort: Grundsätzlich enthält der Wortlaut des § 7g EStG keine Einschränkung dahingehend, dass eine Bildung für steuerbefreite Betriebe ausgeschlossen ist. Allerdings hat der BFH bereits am 10.10.2017 (Az. X R 33/16, Abruf-Nr. 198859) zur alten Fassung des § 7g EStG entschieden, dass die Bildung eines Investitionsabzugsbetrags ausgeschlossen ist, soweit die geplanten Aufwendungen als unangemessen im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG anzusehen sind. Denn andernfalls würde der Zweck des § 7g EStG verfehlt werden. Eine entsprechende Auslegung dürfte auch für die neue Fassung des § 7g EStG gelten, weshalb aus identischen Gründen ein Abzug zu versagen wäre. Zudem ist zu beachten, dass der Abzugsbetrag ausschließlich mit nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfreien Einnahmen in Zusammenhang stehen würde, sodass auch gemäß § 3c Abs. 1 EStG ein Abzug ausgeschlossen wäre.

Praxistipp | Wird jedoch beabsichtigt, eine PV-Anlage anzuschaffen, die nicht unter § 3 Nr. 72 EStG fällt (z. B. Freilandanlage), kann § 7g EStG wie schon bisher genutzt und ein Investitionsabzugsbetrag steuermindernd gebildet werden.

9. IAB – Bildung vor 2022 und Investition ab 2022

Korrespondierend stellt sich die Frage, wie mit vor dem 01.01.2022 gebildeten Investitionsabzugsbeträgen für unter § 3 Nr. 72 EStG fallende PV-Anlagen zu verfahren ist, bei denen die Investition erst ab dem 01.01.2022 erfolgt.

Antwort: Zunächst ist die Bildung des IAB in der Zeit vor dem 01.01.2022 nicht zu beanstanden, sofern die Grundsätze des § 7g EStG beachtet worden waren. Kommt es ab dem 01.01.2022 zur Investition in eine unter § 3 Nr. 72 EStG fallende PV-Anlage, ist der Investitionsabzugsbetrag außerbilanziell aufzulösen. Diese außerbilanzielle Hinzurechnung erfolgt jedoch mit voller Wirkung und ist nicht nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei. Denn unter § 3 Nr. 72 EStG fallen begrifflich nur „die Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb von PV-Anlagen“. Bei der Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrags handelt es sich jedoch nicht um eine derartige Entnahme oder Einnahme, sondern um eine außerbilanzielle Gewinnkorrektur. Effektiv kommt es damit lediglich zu einer Verlagerung von Einkünften vom Bildungs- ins Auflösungsjahr, sodass lediglich Progressionsvor- und -nachteile denkbar sind.

Wichtig | Der außerbilanziellen Gewinnerhöhung kann auch nicht durch eine nach § 7g EStG zulässige erfolgswirksame Herabsetzung der Anschaffungskosten entgegengewirkt werden. Das liegt daran, dass diese Aufwendungen aufgrund des ausschließlichen Zusammenhangs zu den steuerfreien Einnahmen gemäß § 3c Abs. 1 EStG vom Abzug ausgeschlossen sind.

10. Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 EStG zulässig?

Für nahezu alle PV-Anlagen konnten bisher im Jahr der Anschaffung und in den folgenden vier Jahren nach § 7g Abs. 5 EStG Sonderabschreibungen von insgesamt bis zu 20 Prozent der Anschaffungskosten vorgenommen werden. Was gilt, wenn die PV-Anlage unter die in § 3 Nr. 72 EStG geregelte Steuerbefreiung fällt?

Antwort: Sonderabschreibungen ab dem Jahr 2022 stehen in vollem Umfang mit den nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfreien Entnahmen und Einnahmen in Zusammenhang. Daher sind diese gemäß § 3c Abs. 1 EStG in voller Höhe von einem Abzug ausgeschlossen, ebenso wie auch die normale Abschreibung. Wird jedoch in Jahren vor dem 01.01.2022 eine Sonderabschreibung beansprucht, ist zu unterscheiden. Da sich diese sowohl auf Jahre bis einschl. 2021 (also mit steuerlicher Relevanz der PV-Anlage) als auch auf Jahre ab einschl. 2022 (ohne steuerliche Relevanz der PV-Anlage wegen § 3 Nr. 72 EStG) bezieht, ist diese für den letztgenannten Zeitraum gemäß § 3c Abs. 1 EStG nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig („soweit“). Zwar wurde die Sonderabschreibung bereits in einem Jahr vor 2022 geltend gemacht, jedoch bezieht sich diese auf die gesamte für die Dauer von mindestens 20 Jahre nutzbare PV-Anlage und damit sowohl auf den vor dem 01.01.2022 als auch auf den nach dem 31.12.2021 produzierten Strom. Wurde die PV-Anlage z. B. 2019 installiert und soll 2021 eine Sonderabschreibung abgezogen werden, so wäre diese nur zu 3/20-stel abzugsfähig. Denn die weiteren 17/20-stel entfallen auf die Zeit ab dem 01.01.2022 – und insoweit greift § 3c EStG.

Wichtig | Wurde für das Jahr der Sonderabschreibung bereits ein Steuerbescheid erteilt und die volle Sonderabschreibung berücksichtigt, ist der Bescheid fehlerhaft. Eine Änderung ist jedoch nur möglich, wenn eine Korrekturnorm Anwendung findet und noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Da das regelmäßig nicht der Fall ist, verbleibt es bei dem (überhöhten) Abzug.

11. Fällt gewerbliche Prägung rückwirkend für 2022 weg?

Hat eine vermögensverwaltende Personengesellschaft ein Gebäude vermietet (§ 21 EStG) und zugleich eine PV-Anlage betrieben (§ 15 EStG), so hat diese infolge der Abfärbung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bisher vollumfänglich gewerbliche Einkünfte erzielt. Fällt nun die PV-Anlage unter § 3 Nr. 72 EStG, kommt es dann zur Betriebsaufgabe mit der Folge, dass sämtliche stillen Reserven aufzudecken sind?

Antwort: Ja. Eine unter § 3 Nr. 72 EStG fallende PV-Anlage begründet gemäß Satz 3 der Vorschrift keine weitere Abfärbung der übrigen Einkünfte. Damit kommt es zwangsweise zum 01.01.2022 zu einer Betriebsaufgabe (vgl. auch BFH, Urteil vom 22.02.2021, Az. IX R 13/19, Abruf-Nr. 223874), sofern nicht andere Gründe für eine weitere Gewerblichkeit sprechen (z. B. Betriebsaufspaltung, Ausübung einer anderen gewerblichen Tätigkeit etc.). Damit sind alle stillen Reserven im Rahmen des § 16 EStG aufzudecken, also auch die des Vermietungsobjekts. Nur die auf die PV-Anlage entfallenden stillen Reserven sind nicht zu versteuern. Denn diese sind gemäß § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei. Ob die Finanzverwaltung für diese Fälle eine Billigkeitsregelung schaffen wird, bleibt zu hoffen und abzuwarten.

12. Praxisfragen zum Nullsteuersatz nach § 12 Abs. 3 UStG

Natürlich ist neben § 3 Nr. 72 EStG auch die konkrete Anwendung des neuen Nullsteuersatzes in vielen Fällen und Sonderkonstellationen umstritten. Doch im Gegensatz zu den ertragsteuerlichen Fragen hat sich das BMF hierzu bereits weitestgehend positioniert und seine Auffassung kundgetan. Einerseits hat es mit Datum vom 16.12.2022 auf seiner Homepage die FAQ „Umsatzsteuerliche Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus von Photovoltaikanlagen“ und andererseits mit Datum vom 26.01.2023 einen umfangreichen Entwurf eines BMF-Schreibens zum neuen Nullsteuersatz veröffentlicht. Diesen Veröffentlichungen können bereits die meisten Zweifels- und Anwendungsfragen entnommen werden. Aus diesem Grund werden hier nur zwei in der Praxis sehr häufig auftretende Fragen beantwortet:

1. Stromeinspeisung zu null oder 19 Prozent?

Da der in das Netz des Energieversorgers eingespeiste Strom bis zum 31.12.2022 dem regulären Steuersatz von 19 Prozent unterlag, fragen sich viele Anlagenbesitzer, ob sich daran ab dem 01.01.2023 etwas ändert. Es wird vermutet, dass der Strom nun unter § 12 Abs. 3 UStG fallen und sich deshalb die Umsatzsteuer auf null Prozent reduzieren könnte. Korrekt?

Antwort: Nein. Dieser Auffassung ist eine klare Absage zu erteilen. Denn von § 12 Abs. 3 UStG werden lediglich die Lieferung und Installation der PV-Anlage, nicht jedoch die Einspeisung (und auch nicht die unentgeltlichen Wertabgaben) begünstigt. Diese Sachverhalte unterliegen weiterhin dem Regelsteuersatz von 19 Prozent.

Wichtig | Findet jedoch die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) Anwendung, wird die anfallende Umsatzsteuer vom Finanzamt nicht erhoben. Da muss der Netzbetreiber aber hingewiesen werden, damit er die Gutschriften ohne Ausweis von Umsatzsteuer erstellen kann. Andernfalls würde diese zu Unrecht ausgewiesene Steuer nach § 14c UStG geschuldet werden.

2. Umgehung der USt: Verkauf der PV-Anlage an den Partner

Hat der Anlagenbetreiber bei einer vor dem 01.01.2023 installierten PV-Anlage aufgrund des Vorsteuerabzugs zur Regelbesteuerung optiert, ist er daran fünf Jahre lang gebunden. Soll die Kleinunternehmerregelung früher angewandt werden, könnte er doch die PV-Anlage gemäß § 12 Abs. 3 UStG mit null Prozent Umsatzsteuer an seinen Ehegatten verkaufen. Dieser wendet dann die Kleinunternehmerregelung an und es ergibt sich kein Fall des § 15a UStG.

Antwort: Von diesem „Modell“ sollten Sie die Finger lassen. Denn beim Verkauf der PV-Anlage handelt es sich regelmäßig gemäß § 1 Abs. 1a UStG um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen, sodass keine Umsatzsteuer anfällt. Wendet nun der Partner, der die PV-Anlage erwirbt, die Kleinunternehmerregelung an, kommt es zu einer Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse i. S. v. § 15a Abs. 7 und 10 UStG. Ist der Berichtigungszeitraum von fünf Jahren (bzw. zehn Jahren bei dachintegrierten PV-Anlagen) noch nicht abgelaufen, kommt es folglich zu einer ungewollten (und meist hohen) Vorsteuerrückforderung durch das Finanzamt.

Weiterführende Hinweise
  • Die Grundprinzipien der neuen PV-Anlagen-Besteuerung finden Sie leicht verständlich dargestellt in der SSP-Sonderausgabe „Photovoltaik und die Steuern: Monumentale Änderungen aus 2023 kennen und schon für 2022 anwenden“ auf ssp.iww.de → Abruf-Nr. 49040269
  • Sie haben Fragen, die in der obigen Fragen-Antworten-Liste nicht behandelt worden sind? Dann mailen Sie diese einfach an ssp@iww.de.

AUSGABE: SSP 3/2023, S. 14 · ID: 49198804

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2023

Bildrechte