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AbschreibungGebäude-AfA: Kürzere Restnutzungsdauer kann durch Wertgutachten nachgewiesen werden
| Wird die Restnutzungsdauer eines Gebäudes mittels eines Wertgutachtens nach der Wertermittlungsverordnung bestimmt, kann die so ermittelte Restnutzungsdauer der Berechnung des AfA-Satzes zugrunde gelegt werden. Das hat das FG Münster klargestellt. |
Steuerzahler hatte vermietetes Gebäude zwangsersteigert
Im konkreten Fall hatte ein Steuerzahler im Jahr 2011 ein Gebäude im Zwangsversteigerungsverfahren erworben und es seitdem zur Erzielung von Mieteinkünften genutzt. Das Amtsgericht hatte zuvor ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, um den Grundstückswert festzustellen. Der Sachverständige hatte in seinem Gutachten u. a. Angaben zum Modernisierungsstand und erforderlichen Instandsetzungsarbeiten gemacht. Er war zu einem fiktiven Baujahr von 1960 und zu einer Restnutzungsdauer des Gebäudes von 30 Jahren gekommen. Dem Gutachten hatte er die Regelungen der zum Stichtag gültigen Wertermittlungsverordnung (WertV) zugrunde gelegt.
Finanzamt wehrt sich gegen kürzere Restabschreibungsdauer
Ergo machte der Vermieter in seinen Einkommensteuererklärungen für die eine jährliche AfA des Gebäudes von 3,33 Prozent als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das Finanzamt wollte demgegenüber lediglich einen AfA-Satz von zwei Prozent anerkennen. Es begründete das damit, dass das Gutachten weder eine kürzere technische Nutzungsdauer (durch Darlegung eines materiellen Verschleißes der Rohbauelemente) noch eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer im steuerrechtlichen Sinne belegt habe. Die Ermittlung der Restnutzungsdauer im Sinne der WertV sei auf die steuerrechtliche Restnutzungsdauer nicht übertragbar.
FG Münster gibt Finanzamt kontra
Das FG Münster hat dem Steuerzahler Recht gegeben. Grundsätzlich sei ein Gebäude zwar nach festen AfA-Sätzen (hier: zwei Prozent pro Jahr) abzuschreiben. Bei einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer des Gebäudes als 50 Jahre könne aber von entsprechend höheren Sätzen ausgegangen werden. Nach der BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 28.07.2021, Az. IX R 25/19, Abruf-Nr. 226170) könne sich ein Steuerzahler jeder Darlegungsmethode bedienen, die geeignet erscheine, um den erforderlichen Nachweis zu führen. Eines Bausubstanzgutachtens bedürfe es nicht. Da für die Schätzung einer kürzeren Restnutzungsdauer keine Gewissheit, sondern allenfalls eine größtmögliche Wahrscheinlichkeit erforderlich sei, könne die Schätzung des Steuerzahlers nur dann verworfen werden, wenn sie außerhalb eines angemessenen Schätzungsrahmens liege. Das war hier aber nicht der Fall (FG Münster, Urteil vom 27.01.2022, Az. 1 K 1741/18 E, Abruf-Nr. 228044).
- Beitrag „BFH erleichtert schnellere ‚Sonderabschreibung` in § 7 Abs. 4 S. 2 EStG“, SSP 1/2022, Seite 22 → Abruf-Nr. 47850706
AUSGABE: SSP 4/2022, S. 23 · ID: 48096669