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VerfahrensgebührNotwendiges Rechtsmittel des Verteidigers?

Abo-Inhalt25.07.20236221 Min. LesedauerVon RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

| Der Verteidiger muss sich in der Praxis häufig mit den Vertretern der Staatskasse streiten, ob die Verfahrensgebühr für die Rechtsmittelinstanz entstanden ist bzw. erstattet wird. Das LG Heidelberg hat sich mit einem Fall befasst, in dem der Bevollmächtigte zunächst Berufung gegen ein amtsgerichtliches Urteil eingelegt und diese dann wieder zurückgenommen hatte. |

Sachverhalt

Der Anwalt hatte gegen ein AG-Urteil mit folgender Begründung Berufung eingelegt: Die Einlegung erfolge zunächst fristwahrend, um dem Mandanten die Möglichkeit zu geben, sich erneut mit ihm zu besprechen. Denn die Staatsanwaltschaft habe im Hauptverhandlungstermin eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten ohne Bewährung beantragt, aber keinen Rechtsmittelverzicht erklärt. Deswegen könne nicht abgeschätzt werden, ob die Staatsanwaltschaft das Urteil akzeptiere. Nachdem die StA kein Rechtsmittel eingelegt hatte, hat der Verteidiger die Berufung namens und im Auftrag seines Mandanten zurückgenommen. Das LG Heidelberg hat dafür sowohl die Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV RVG als auch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG gewährt (9.5.23, 12 Qs 16/23, Abruf-Nr. 236276).

Relevanz für die Praxis

Das LG hat die Tätigkeiten des Verteidigers im Ausgangsverfahren und für das Rechtsmittel zutreffend verteilt (vgl. dazu auch KG RVG prof. 09,169; LG Aurich RVG prof. 13, 10; AG Halle AGS 22, 516): Die Rechtsmitteleinlegung selbst sowie die beratende Tätigkeit vor der Einlegung werden mit der Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren abgegolten (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG). Tätigkeiten des Verteidigers nach Einlegung des Rechtsmittels werden über die Verfahrensgebühr für die Rechtsmittelinstanz erfasst (Nr. 4124 VV RVG).

Beachten Sie | Ggf. kann die Notwendigkeit des Verteidigerhandelns zu verneinen sein, wenn die Rechtsmittel allein vorsorglich für den Fall einer Rechtsmitteleinlegung auch durch die Staatsanwaltschaft eingelegt wurden. Dann muss dies aber ausschließlich für diesen Fall erfolgen und der Rechtsmittelschrift zu entnehmen sein. Es reicht nicht aus, wenn nur die (unverbindliche) Möglichkeit in Aussicht gestellt wird, das eigene Rechtsmittel im Fall einer Nichteinlegung der Staatsanwaltschaft wieder zurückzunehmen.

Aus dem Vorbehalt bei der Einlegung der Berufung – „zunächst fristwahrend“ – kann man nicht den Schluss ziehen, dass die Gebühren nachträglich wieder entfallen. Entscheidend ist „ex ante“. Aus dieser Sicht war die Berufungseinlegung hier notwendig, schon um ggf. in Gesprächen mit der Staatsanwaltschaft nach Rücknahme ihrer Berufung über die beiderseitige Rücknahme „verhandeln“ zu können. Aber Vorsicht: „Gerettet“ hat den /Mandanten hier nur der Umstand, dass der Verteidiger darauf hingewiesen hat, noch einmal die Sach- und Rechtslage mit dem Mandanten zu erörtern.

AUSGABE: RVGprof 8/2023, S. 133 · ID: 49514712

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