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EinziehungDas ABC der Gegenstandswerte der Einziehungsgebühr
| Im Anschluss an die Antworten auf allgemeine Fragen zum Gegenstandswert in Zusammenhang mit den Einziehungsgebühren nach Nrn. 4142, 5116 VV RVG (RVG prof. 23, 115) fasst RVG prof. in dem folgenden „ABC der Gegenstandswerte“ die aktuelle Rechtsprechung zusammen. |
Inhaltsverzeichnis
- 1. Arrest
- 2. Beschlagnahme einer Sache
- 3. Betäubungsmittel
- 4. Dealgeld
- 5. Diebesgut
- 6. Diebeswerkzeug
- 7. Einziehung einer Sache
- 8. Einziehung eines Geldbetrags
- 9. Fälschung
- 10. Fahrerlaubnis
- 11. Falschgeld
- 12. Führerscheinformular
- 13. Pkw
- 14. Revisionsverfahren
- 15. Vernichtung
- 16. Zigaretten (Schmuggelware)
1. Arrest
Maßgebend ist das konkrete wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr der Arrestforderung – begrenzt durch tatsächlich vorhandene Vermögenswerte, auf die im Wege der Arrestvollziehung zugegriffen werden kann (BGH AGS 18, 558; OLG Frankfurt/Main RVGreport 17, 420). Ob wegen der Vorläufigkeit der Maßnahme ein Abschlag vorgenommen wird, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Zum Teil wird nur ein Drittel des Wertes angenommen (OLG Hamm AGS 08, 341; OLG München AGS 10, 543; OLG Nürnberg AGS 22, 185; LG Kempten JurBüro 18, 596). Zum Teil werden Abschläge abgelehnt (OLG Frankfurt/Main RVGreport 17, 420; OLG Rostock JurBüro 18, 407; offen gelassen von BGH RVG prof. 19, 46).
2. Beschlagnahme einer Sache
Maßgeblich ist der objektive Wert der Sache, wobei wegen der Vorläufigkeit der Maßnahme allerdings mit einem Abschlag zu rechnen ist (→ s. „Arrest“).
3. Betäubungsmittel
Betäubungsmittel haben i. d. R. keinen (Handels-)Wert. Daher ist der Gegenstandswert einer Einziehung gleich Null (BGH AGS 22, 460; KG JurBüro 05, 531; OLG Frankfurt/Main JurBüro 07, 201; OLG Hamm 29.3.07, 3 Ws 44/07; OLG Koblenz AGS 06, 237 und 236; OLG Schleswig StraFo 06, 516; LG Göttingen AGS 06, 75; LG Osnabrück Nds.Rpfl. 05, 158; AG Nordhorn AGS 06, 238; AnwKomm-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., VV 4142 Rn. 40 ff.).
Anders wird man jedoch argumentieren, wenn es um verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel bzw. Handelsformen von Medikamenten der Anlage I bzw. II zu § 1 Abs. 1 BtMG geht. Diese werden auf dem legalen Markt gehandelt und haben deshalb einen objektiven Verkehrswert (z. B. Subutex-Tabletten, dazu BGHSt 51, 318). Bei ihnen wird man den Gegenstandswert anhand des Verkaufspreises in Apotheken bestimmen (Beck-OK-RVG/Knaudt, Nr. 4142 VV, Rn. 19; ähnlich für Streckmittel: OLG Schleswig StraFo 06, 516).
Dasselbe dürfte für legal gehandelte Grundstoffe gelten, die auch zur Herstellung von Betäubungsmitteln dienen können und deshalb gemäß § 98 AMG, § 31 GÜG der Einziehung unterliegen (Beck-OK-RVG/Knaudt, Nr. 4142 VV, Rn. 16; OLG Schleswig, a. a. O.; für Gamma-Butyrolacton: BGHSt 54, 243).
4. Dealgeld
Bei der Einziehung von Geld für Dealergeschäfte ist der Nennwert des eingezogenen Geldbetrags, der Unrechtserlös zugrunde zu legen (KG JurBüro 05, 531; OLG Schleswig StraFo 06, 516; vgl. auch BGH RVGreport 19, 431; BGH 9.6.21, 5 StR 43/20, Abruf-Nr. 218255).
5. Diebesgut
Bei der Einziehung von Diebesgut ist vom Verkaufswert bzw. objektiven Verkehrswert und nicht von einem späteren, ggf. niedrigeren Versteigerungserlös auszugehen (OLG Bamberg AGS 07, 192; LG Aschaffenburg RVGreport 07, 72).
6. Diebeswerkzeug
Bei der Einziehung von Diebeswerkzeug ist der Wert des Werkzeugs zu beachten. Allerdings gilt die Bagatellgrenze von Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4142 VV RVG. Außerdem hat eine „Diebestüte“, die mit Alufolie ausgehüllt darauf zielt, das Auslösen eines Alarms zu verhindern, keinen legalen Anwendungsbereich. Sie stellt deshalb keinen erhaltenswerten Gegenstand dar, sodass der Gegenstandswert auf 0,00 EUR festgesetzt werden kann (AG Frankfurt am Main 10.5.22, 989 Ds 955 Js 18304/19, Abruf-Nr. 48973267).
7. Einziehung einer Sache
Es ist der objektive Wert des Gegenstands zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr im jeweiligen Verfahrensabschnitt zugrunde zu legen (BGH RVG prof. 19, 58; OLG Bamberg AGS 07, 192; für Beratung unzutreffend a. A.: LG Amberg RVGreport 19, 354; RVGreport 19, 431; AG Mainz RVGreport 19, 141; 19, 424). Beim Einziehungsbeteiligten kommt es auf sein wirtschaftliches Interesse an der Abwehr der Maßnahme an (BGH NStZ 07, 341; OLG Köln StraFo 07, 525).
8. Einziehung eines Geldbetrags
Maßgeblich ist der Nominalwert der titulierten Einziehungsforderung. Es kommt nicht darauf an, ob ggf. wegen Vermögenslosigkeit des Angeklagten erhebliche Zweifel an der Werthaltigkeit der Einziehungsforderung bestehen (BGH RVGreport 19, 431; 9.6.21, 5 StR 43/20).
9. Fälschung
Eine Fälschung kann ggf. einen (subjektiven) Wert haben (vgl. aber LG Frankfurt/Oder 20.2.23, 22 Qs 1/23, Abruf-Nr. 235603 [für einen gefälschten polnischen Führerschein verneint]; OLG Schleswig StraFo 06, 516; AnwKomm-RVG/N. Schneider, a. a. O, VV Nr. 4142 Rn. 39).
10. Fahrerlaubnis
Der Fall der Einziehung einer Fahrerlaubnis wird nicht von Nr. 4142 VV RVG erfasst (LG Amberg RVG prof. 22, 113; OLG Koblenz AGS 06, 236; AG Nordhorn AGS 06, 238).
11. Falschgeld
Die Einziehung von Falschgeld hat keinen Gegenstandswert (OLG Frankfurt a. M. JurBüro 07, 201; AnwKomm-RVG/N. Schneider, a. a. O., Nr. VV 4142 Rn 39).
12. Führerscheinformular
Das Führerscheinformular, in dem sich die Erlaubnis zum Führen von Kfz verkörpert, hat einen Vermögenswert. Es bietet sich an, den Wert der Einziehung ggf. nach dem Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG i. H. v. 5.000 EUR anzusetzen (auch Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, Anhang VII Rn. 20). Er kann aber auch danach bemessen werden, welche finanziellen Mittel der Betroffene aufwenden muss, um von der Verwaltungsbehörde ein neues Fahrerlaubnisformular zu erlangen. Das ist nicht der Preis, der ggf. für Fahrstunden und Fahrerlaubnisprüfung zu zahlen ist, sondern der, der als Verwaltungsgebühr bei der Behörde anfällt (Burhoff RVGreport 06, 191 in der Anm. zu OLG Koblenz RVGreport 06, 191). Ein gefälschter Führerschein hat allerdings keinen objektiven Verkehrswert (LG Frankfurt/Oder 20.2.23, 22 Qs 1/23, Abruf-Nr. 235603).
13. Pkw
Die Einziehung eines Pkw ist mit dem objektiven Wert des Pkw zu bemessen (OLG Düsseldorf 10.12.09, 1 Ws 654/09 bei einem Leasingfahrzeugs: ursprünglicher Fahrzeugpreis abzgl. Abschlag für den Wertverlust des Fahrzeugs).
14. Revisionsverfahren
Der Gegenstandswert für die Tätigkeit des Verteidigers im Revisionsverfahren bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse am Erfolg der Revision (BGH RVG prof. 19, 58). Der Gegenstandswert für die Gebühren der Tätigkeit des Vertreters eines Einziehungsbeteiligten im Revisionsverfahren richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Beteiligten an der Abwehr der Revision der Staatsanwaltschaft, soweit diese das Unterlassen einer Einziehungsanordnung gegen den Einziehungsbeteiligten mit der Sachrüge beanstandet hat (BGH RVGreport 14, 364; 15, 193; NStZ-RR 18, 231). Dies gilt auch, wenn über das Vermögen der Beteiligten bereits das Insolvenzverfahren eröffnet ist (BGH StraFo 15, 38; RVGreport 15, 193).
15. Vernichtung
Ist die einzuziehende Sache vernichtet/zerstört/unbrauchbar worden, gilt als Gegenstandswert der objektive Wert der Sache.
16. Zigaretten (Schmuggelware)
Für die Einziehung unversteuerter Zigaretten gibt es keinen Gegenstandswert (OLG Brandenburg NStZ-RR 10, 192; OLG Frankfurt/Main AGS 22, 287; LG Berlin 13.10.06, 536 Qs 250/06; LG Cottbus 25.2.09, 22 Qs 38/08; LG Würzburg 16.5.07, 5 Qs 117/07; a. A. LG Essen AGS 06, 501, das vom Materialwert zuzüglich der üblichen Handelsspanne ausgeht; LG Hof AGS 08, 80, das den Schwarzmarktpreis zugrunde legt).
AUSGABE: RVGprof 8/2023, S. 137 · ID: 49487066