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VergaberechtDie Abrechnung im vergaberechtlichen Mandat

Abo-Inhalt21.07.20236340 Min. LesedauerVon Dipl.-Rechtspflegerin (FH) Karin Scheungrab, Trainerin für anwaltliches Gebühren-, Vollstreckungs- und Insolvenzrecht

| Das Vergaberecht regelt das Verfahren, nach dem öffentliche Aufträge auf nationaler oder europäischer Ebene vergeben werden (Schema zum Beschaffungsverfahren: Abruf-Nr. 49533816). Das Rechtsgebiet ist komplex und oft ist anwaltliche Beratung notwendig, um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen und mögliche Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Die Kosten für anwaltliche Leistungen können je nach Art und Umfang des Falls erheblich variieren. Der Beitrag geht auf die verschiedenen Faktoren ein, die die Anwaltsgebühren im Vergaberecht beeinflussen. |

1. Das sind die Ziele des Vergaberechts

Ziel des Vergaberechts ist, dass die öffentliche Hand wirtschaftlich beschafft und Steuergeld sparsam und sachgerecht verwendet. Weiter soll das Vergaberecht den fairen Wettbewerb der Anbieter und transparente und nichtdiskriminierende Verfahren für alle Bewerber und Bieter gewährleisten. Um eine Entscheidung zum Vergabeweg treffen zu können, muss der Auftraggeber im Vorfeld eines jeden Vergabeverfahrens den Auftragswert schätzen, eventuell mithilfe einer sog. Markterkundung (Schwellenwerte: iww.de/s8350). Liegt der Netto-Auftragswert oberhalb der EU-Schwellenwerte, gilt das EU-Vergaberecht und Aufträge müssen europaweit ausgeschrieben werden. Werden diese Schwellenwerte nicht erreicht, kann national ausgeschrieben werden.

2. So ermitteln Sie den Gegenstandswert

Für die Bestimmung des Gegenstandswerts gilt § 50 Abs. 2 GKG. Der Streitwert wird vom wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers am Auftrag gebildet und ist in § 50 Abs. 2 GKG generalisierend mit 5 Prozent der Auftragssumme festgelegt worden. Abstriche davon sind auch dann nicht veranlasst, wenn das Vergabeverfahren über das Stadium des Teilnahmewettbewerbs noch nicht hinausgelangt ist (OLG Düsseldorf 8.2.06, Verg 85/05).

Für den Gegenstandswert eines Rechtsmittels nur gegen die Kostenentscheidung der Vergabekammer (oder einen Teil davon) ist § 50 Abs. 2 GKG nicht anzuwenden. Der Gegenstandswert wird analog § 3 ZPO nach freiem Ermessen festgesetzt. Hier kommt es im Wesentlichen darauf an, welches finanzielle Interesse der Rechtsmittelführer mit der Abänderung der angefochtenen Entscheidung verfolgt (OLG Koblenz 16.1.17, Verg 5/16, VPRRS 17, 0033).

3. Das sind die Anwaltsgebühren im Vergaberecht

Für die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Vorbereitung oder Durchführung von Vergabeverfahren enthält das VV RVG keine eigenen Gebührentatbestände. Das Verfahren gilt nicht als gerichtliches Verfahren, sodass keine Gebühren nach Teil 3 VV RVG entstehen. Tritt der Anwalt hier für seinen Mandanten nach außen hin auf, kann er eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für seine Tätigkeit im Vergabeverfahren abrechnen. Fehlt es jedoch an einer solchen – nach außen gerichteten Tätigkeit –, ist der Gebührentatbestand der Nr. 2300 VV RVG nicht erfüllt. Es bleibt hier bei der allgemeinen Regelung für die Vergütung der außergerichtlichen Beratung in § 34 Abs. 1 RVG oder der Anwalt wirkt auf eine Gebührenvereinbarung hin.

Als typische Tätigkeitsbereiche des Rechtsanwalts bei der Vorbereitung von Vergabeverfahren kommen u. a. in Betracht:

  • Beratung (bis hin zur Erstellung von Gutachten) zu diversen Fragen wie Vorliegen einer nationalen oder einer EU-weiten Vergabe oder Wahl der richtigen Verfahrensart
  • Erstellung von Bewertungskriterien für die Eignungsprüfung
  • Erstellung von Zuschlagskriterien für die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots
  • Gestaltung der Leistungsbeschreibung (z. B. Produktneutralität)
  • Beratung zur Vertragsgestaltung
  • Erstellung von Verträgen als Teil der Vergabeunterlagen

Typische Tätigkeiten des Rechtsanwalts bei der Durchführung von Vergabeverfahren sind u. a.:

  • Beratung bei der Prüfung von Teilnahmeanträgen und deren Bewertung
  • Beratung bei der Prüfung von Angeboten und deren Bewertung
  • Überprüfung auf Ausschlusskriterien
  • Überprüfung von Rügen der Bieter
  • Begleitung, Unterstützung und Verhandlungen mit den Bietern (sofern im jeweiligen Vergabeverfahren zulässig).

Auch für die sich an Vergabeverfahren beteiligenden Unternehmen kann ein Rechtsanwalt vielfältig tätig sein, so u. a. in folgenden Bereichen:

  • Prüfung einer Vergabebekanntmachung
  • Prüfung von Unterlagen eines Teilnahmewettbewerbs
  • Prüfung von Vergabeunterlagen (auch Verträgen)
  • Beratung bei erkannten Vergaberechtsverstößen bis hin zur Erhebung einer Rüge
  • Unterstützung bei der Erstellung von Teilnahmeunterlagen
  • Unterstützung bei der Erstellung eines Angebots
  • Beratung im laufenden Vergabeverfahren, z. B. im Rahmen von Fragen / Antworten an die Vergabestelle
  • Begleitung bzw. Durchführung von Verhandlungen, soweit im jeweiligen Vergabeverfahren zulässig
  • Prüfung von Absage- bzw. Informationsschreiben gemäß § 101a GWB

Vertritt der Rechtsanwalt den Mandanten unabhängig von der Vorbereitung oder Durchführung im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer, entsteht eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG. Erst in einem sich daran anschließenden Verfahren über eine sofortige Beschwerde vor dem OLG fallen Verfahrensgebühren nach Teil 3 Abschnitt 2 VV RVG an.

4. Das gilt für den Gebührenrahmen

Die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV RVG hat einen Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5. Die konkrete Höhe ist nach den Kriterien des § 14 RVG zu bemessen. Nach der Anm. zur Nr. 2300 VV RVG kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit entweder umfangreich oder schwierig war. Anhaltspunkte hierfür können dabei der Umfang der Akten der Vergabestelle oder Vergabekammer, eine von der Vergabekammer gewährte Fristverlängerung wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten oder eine Vielzahl von Streitpunkten sein.

Während der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit subjektiv beurteilt wird, sind objektive Maßstäbe anzusetzen, wenn es um die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit geht. Es kommt also nicht auf die individuellen Fähigkeiten des Anwalts – ggf. sogar Fachanwalts für Vergaberecht – an, sondern nur auf die Kenntnisse eines Allgemeinanwalts (OLG München 27.8.09, Verg 4/09, VergabeR 10, 294). In der Rechtsprechung hat sich die Auffassung herausgebildet, dass es sich aufgrund der komplexen Rechtsmaterie regelmäßig um schwierige Angelegenheiten handelt (Thüringisches OLG 2.2.05, 9 Berg 6/04, JurBüro 05, 303) – die Kappungsgrenze spielt in der Praxis nur selten eine Rolle (OLG Düsseldorf 22.7.05, VII Verg 83/04). Zudem kommt den Verfahren oft auch eine große wirtschaftliche Bedeutung für Auftraggeber und Auftragnehmer zu. Es werden häufig eine Reihe von technischen oder juristischen Fragen aufgeworfen, deren kompetente Bearbeitung anspruchsvoll ist und unter hohem Zeitdruck erfolgen muss (OLG München 27.8.09, Verg 4/09, VergabeR 10, 294). Im Übrigen erfordert ein durchschnittliches Nachprüfungsverfahren die Sichtung und Beurteilung einer Vielzahl von Unterlagen. Daraus folgt:

  • Eine Überschreitung der Kappungsgrenze von 1,3 wird meistens nicht beanstandet. Regelmäßig hält die Rechtsprechung für durchschnittliche Vergabesachen eine 2,0-Gebühr für angemessen (z. B. OLG Köln RVG prof. 15, 117).
  • Unter Berücksichtigung eines Ermessensspielraums von 20 Prozent überschreitet eine Gebühr von 2,3 oder 2,4 nicht die Grenzen der Billigkeit (OLG Frankfurt a. M. 27.7.15, 11 Verg 1/14; AG Diez 2.3.16, 13 C 219/15, VPR 16, 1014).

Der Höchstsatz einer 2,5-fachen Geschäftsgebühr für die Tätigkeit eines Anwalts in einem Vergabenachprüfungsverfahren ist nur bei überdurchschnittlich umfangreichen und schwierigen Fällen gerechtfertigt. In einem durchschnittlich schwierigen Nachprüfungsverfahren ist ein solcher Ansatz unbillig, nur weil eine mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer stattgefunden hat (OLG München 11.1.06, Verg 21/05; 12.7.11, Verg 23/10; LG Köln BeckRS 14, 580; a. A.: BayObLG VergabeR 05, 406).

Bei einfachen Vergabeverfahren, die weder tatsächliche noch rechtliche Schwierigkeiten aufweisen und die deshalb nach den Kriterien der Anm. zu Nr. 2300 VV RVG keine Überschreitung des Schwellenwerts rechtfertigen, kann eine geringere Geschäftsgebühr entstehen. Das könnte z. B. bei kleineren freihändigen Vergaben (§ 3 Abs. 5 VOL/A) der Fall sein. Anhaltspunkte für ein eher unterdurchschnittliches Verfahren können darin liegen, dass der Nachprüfungsantrag an der fehlenden Antragsbefugnis scheitert und eine Verhandlung über die Begründetheit nicht mehr stattfindet.

Weiterführende Hinweise
  • Die aktuellen Schwellenwerte finden Sie unter iww.de/s8350
  • Das Ablaufschema eines vergaberechtlichen Beschaffungsverfahrens finden Sie unter iww.de/rvg.prof, Abruf-Nr. 49533816

AUSGABE: RVGprof 8/2023, S. 142 · ID: 49530834

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