Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Juni 2025 abgeschlossen.
Gewerberechtliche UnzuverlässigkeitSteuerschulden beglichen: So kann ein Gewerbe wieder gestattet werden
| Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die im Eröffnungsbeschluss enthaltene Ankündigung einer Restschuldbefreiung bewirken nicht für sich genommen, dass weiter bestehende Steuerschulden bezüglich der Annahme einer Unzuverlässigkeit im Rahmen eines Wiedergestattungsverfahrens außer Betracht bleiben dürfen. Das hat das VG Berlin entschieden. |
Sachverhalt
Der Kläger (K) begehrt, dass ihm seine Gewerbeausübung wieder gestattet wird. Er übte eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich der Belegerfassung, Lohnabrechnung, Baulohnabrechnung, Unternehmensberatung etc. aus. Mit Bescheid untersagte ihm das Bezirksamt diese Gewerbeausübung sowie jede andere Gewerbetätigkeit wegen Unzuverlässigkeit nach § 35 Abs. 1 GewO wegen erheblicher Steuerschulden des K i. H. v. mehr als 165.000 EUR. Die gegen die Untersagung eingereichte Klage nahm K im November 18 zurück.
Später beantragte K, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen mit dem Ziel der Restschuldbefreiung. Mit Beschluss eröffnete das AG das Insolvenzverfahren. In der Folgezeit hob das AG gem. § 200 InsO das Insolvenzverfahren auf. Die Wohlverhaltensphase (Erteilung der Restschuldbefreiung) endet am 12.7.25. K beantragte beim Bezirksamt, ihm die Ausübung einer selbstständigen gewerblichen Tätigkeit wieder zu gestatten. Er verwies hierbei auf das Insolvenzverfahren sowie darauf, dass er als Arbeitnehmer seine Einkommensteuererklärungen fristgerecht abgebe. Nachdem sich die Steuerschulden des K weiterhin auf mehr als 280.000 EUR beliefen und die IHK Berlin der Wiedergestattung der Gewerbeausübung nicht zugestimmt hatte, lehnte das Bezirksamt die Wiedergestattung mit Bescheid ab. Die dagegen gerichtete Klage des K blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
K hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Gewerbeausübung wieder gestattet wird (VG Berlin 6.2.24, 10 K 541/22, Abruf-Nr. 241079). Nach § 35 Abs. 6 S. 1 GewO ist dem Gewerbetreibenden von der zuständigen Behörde die persönliche Ausübung des Gewerbes wieder zu gestatten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass keine Unzuverlässigkeit i. S. d. Abs. 1 mehr vorliegt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Merke | Die nach § 35 Abs. 6 GewO zu treffende Entscheidung erfordert – wie bei der Gewerbeuntersagung selbst – eine Prognose über die Zuverlässigkeit des Antragstellers nach Wiederaufnahme der gewerblichen Tätigkeit. Sie muss prospektiv, d. h. bezogen auf eine mögliche Gefährdung des redlichen Geschäftsverkehrs in der Zukunft, begründet werden. Für die Wiedergestattung sind neue Tatsachen erforderlich, die im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Annahme rechtfertigen, dass keine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden i. S. v. § 35 Abs. 1 GewO mehr vorliegt (VG Augsburg 3.8.11, Au 4 K 10.1592). |
Behörde trägt die Beweislast für die Unzuverlässigkeit Maßgeblich ist daher, ob die die Untersagung tragenden Gründe noch fortbestehen oder entfallen sind. Die Beweislast dafür, dass der Antragsteller weiterhin unzuverlässig ist, trägt zwar die Behörde. Den Antragsteller treffen jedoch verfahrensrechtliche Mitwirkungspflichten, sodass er Tatsachen darlegen muss, die auf Umstände schließen lassen sollen, dass er seine Zuverlässigkeit wiedergewonnen hat. |
Relevanz für die Praxis
Ein Gewerbetreibender ist unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe zukünftig ordnungsgemäß betreiben wird.
Merke | Eine zur Unzuverlässigkeit führende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit liegt u. a. vor, wenn öffentlich-rechtliche Zahlungspflichten über eine gewisse Zeitdauer und in gewisser Erheblichkeit vom Gewerbetreibenden nicht erbracht werden (vgl. BVerwG 5.3.97, BVerwG 1 B 56.97). |
Angesichts der erheblichen Steuerschulden, die K vorliegend über mehrere Jahre aufgebaut hatte, war er im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Gewerbeuntersagung als unzuverlässig anzusehen. Neue Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte, dass er nun seine Zuverlässigkeit wiedererlangt hat, hat K nach den Feststellungen des VG nicht vorgetragen. Seine erheblichen Steuerschulden bestehen weiter, und sie sind seit der Gewerbeuntersagung nicht gesunken, sondern noch erheblich angestiegen. Damit hat sich die wirtschaftliche Lage des K nicht positiv, sondern negativ verändert.
Von allgemeinem Interesse ist der Hinweis des VG, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für sich alleine kein Grund für die Annahme der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit ist (so auch OVG Münster 2.6.04, 4 A 223/04). Zwar ist richtig, dass ein nach Abschluss des Gewerbeuntersagungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren die Grundlage für eine Wiedergestattung der Gewerbeausübung bieten kann (BVerwG 15.4.15, BVerwG 8 C 6.14). Denn das Insolvenzverfahren dient dazu, es dem redlichen Schuldner zu ermöglichen, sich von seinen Verbindlichkeiten zu befreien, § 1 S. 2 InsO. Hierin gründet aber kein Automatismus.
Merke | Das Insolvenzverfahren verfolgt den Zweck, dem Schuldner die Chance zu eröffnen, wieder am Geschäftsleben aktiv teilnehmen zu können. Dieser Zweck ist jedoch nicht bereits mit Insolvenzeröffnung erreicht. Vielmehr muss eine begründete Aussicht auf eine Sanierung der Vermögensverhältnisse des Gewerbetreibenden bestehen. Dies ist nur der Fall, wenn eine positive Prognose besteht, dass es zu einer Restschuldbefreiung gem. § 300 Abs. 1 InsO kommen wird. Umgekehrt wird eine Wiedergestattung aber im Regelfall gerade nicht in Betracht kommen, wenn – wie vorliegend – die Sanierungschancen negativ zu bewerten sind. |
AUSGABE: PStR 6/2025, S. 129 · ID: 49973321