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Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortetKlagefrist versäumt – greift die Rechtsbehelfsbelehrung als Rettungsanker?
| Wird die Klagefrist versäumt, ist fraglich, welche Möglichkeiten verbleiben, um einen Haftungsfall zu vermeiden. |
FRAGE DES STEUERBERATERS: Im Rahmen eines Steuerstreits habe ich für meinen Mandanten fristgerecht Klage per E-Mail und nach Ablauf der Monatsfrist des § 47 Abs. 1 S. 1 FGO erneut per beSt eingereicht. Die Rechtsbehelfsbelehrung lautete wie folgt: „Gegen diese Entscheidung kann Klage erhoben werden. Die Klage ist beim Finanzgericht [...] schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären. [...] Die Voraussetzungen zur elektronischen Übermittlung regelt § 52a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zur verpflichtenden Übermittlung elektronischer Dokumente siehe § 52d FGO.“ Gilt in diesem Fall die Jahresfrist des § 55 Abs. 2 FGO, weil diese Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig ist?
ANTWORT DES STRAFVERTEIDIGERS: Nein. Denn die Rechtsbehelfsbelehrung ist korrekt (siehe FG Hamburg 19.9.24, 6 K 148/23, Abruf-Nr. 245887). § 52d FGO enthält strikte Vorgaben, wie eine Klage vor dem FG einzureichen ist. Nach § 52d S. 1 und 2 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch nach der FGO als vertretungsberechtigte Personen eingereicht werden, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Für die in § 62 Abs. 2 S. 1 FGO genannten Steuerberater, zu denen Sie zählen, steht seit dem 1.1.23 ein sicherer Übermittlungsweg i. d. S. zur Verfügung (vgl. BFH 28.4.23, XI B 101/22, BStBl. II 23, 763, juris; BFH 11.8.23, VI B 74/22, BFH/NV 23, 1221, juris; BFH 31.10.23, IV B 77/22, BFH/NV 2024, 20, juris).
Es genügt insoweit nicht, eine Klage als E-Mail oder auch per Post zu übermitteln. Die in einem Dokument unter Verstoß gegen die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach § 52d FGO enthaltenen Prozesshandlungen sind unwirksam, und eine so erhobene Klage ist durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen (FG Hamburg 28.6.23, 2 K 6/23, juris Rn. 50 m. w. N.).
Ausnahme: Nach § 52d S. 3 FGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist nach S. 4 bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. § 52d S. 3 FGO greift nur bei technischen Problemen im Rahmen der Verwendung des vollständig eingerichteten beSt (BFH 23.1.24, IV B 46/23, BFH/NV 24, 392, juris).
Nach § 47 Abs. 1 FGO beträgt die Frist, um eine Anfechtungsklage zu erheben, einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf.
Praxistipp | Im Fall einer Fristversäumung sollte auf jeden Fall geprüft werden, ob ggf. die Jahresfrist des § 55 Abs. 2 FGO wegen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung greift. |
Gem. § 55 Abs. 1 FGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Diese Belehrungen liegen hier vor. Dass die Rechtsbehelfsbelehrung zusätzlich über die Form belehrt, indem sie darauf hinweist, dass die Klage „schriftlich, elektronisch oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle“ einzureichen sei, macht die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig, wenn sie in einer der gem. § 55 Abs. 1 FGO wesentlichen Aussagen unzutreffend beziehungsweise derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit gefährdet erscheint, die Frist zu wahren (BFH 2.2.24, VI B 13/23, BFH/NV 24, 412, juris m. w. N.). Ob das der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die Rechtsbehelfsbelehrung oder ergänzende Angaben nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste (BFH, a. a. O.).
Merke | Es darf, auch wenn eigentlich entbehrlich, über die Form belehrt werden, dies muss aber auch richtig, vollständig und unmissverständlich sein (BFH, a. a. O.; dazu, ob dies auch für § 52d FGO gilt: FG Hamburg 28.6.23, 2 K 6/23, juris). |
Dies ist hier der Fall. Zwar werden verschiedene Möglichkeiten aufgezählt, um Klage einzureichen, ohne an dieser Stelle deutlich zu machen, dass für vertretungsberechtigte Personen aus § 52d FGO die Pflicht zur elektronischen Kommunikation folgt (vgl. dazu FG München 16.5.24, 14 K 103/23, juris Rn. 42 ff.). Die Rechtsbehelfsbelehrung enthält hier aber zusätzlich den Hinweis auf die verpflichtende Übermittlung nach § 52d FGO. Dies genügt, um deutlich genug zu machen, dass für Steuerberater wie Sie die elektronische Übermittlung Pflicht ist (FG Hamburg, a. a. O.; FG Düsseldorf 23.11.22, 7 K 504/22 K, EFG 23, 344; so wohl auch FG München 16.5.24, 14 K 103/23, juris) und eine andere Art der Übermittlung nicht in Betracht kommt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Sie als Erklärungsempfänger ein Steuerberater sind, der mit Gesetzen vertraut ist. Der Hinweis auf § 52d FGO genügt bei einem solchen „Experten“-Empfänger (FG Hamburg 19.9.24, 6 K 148/23).
In Betracht kommt auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dabei dem Verschulden der Partei gleich, § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO. Nach § 56 Abs. 2 S. 1 FGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, und nach S. 2 sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft zu machen. Nach S. 3 der Norm muss die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt werden. Wiedereinsetzungsgründe haben Sie nicht dargetan.
AUSGABE: PStR 6/2025, S. 143 · ID: 50280767