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ProzessrechtDie Verzögerungsgebühr nach § 38 GKG

Abo-Inhalt13.06.20255 Min. Lesedauer

| Wer einen Anspruch – mit gerichtlicher Hilfe – verfolgt, muss in der Praxis immer wieder feststellen, dass die rechtsverteidigende Partei das Mittel der Verfahrensverzögerung nutzt, um sich der Durchsetzung des Anspruchs zumindest zeitweise zu entziehen. Das Prozessrecht kennt hier mit der Verzögerungsgebühr in § 38 GKG eine Sanktionsmöglichkeit. Damit musste sich aktuell das KG zu beschäftigen. |

Sachverhalt

Im Verfahren war Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Zu dieser ist der Bevollmächtigte nicht erschienen. Als Grund gab er an, dass der Termin irrtümlich als Videoverhandlung eingetragen worden sei, obwohl dies weder beantragt noch gestattet oder angeordnet gewesen sei. Zur Terminsstunde hätten dann – folgerichtig – keine Einwahldaten zur Verfügung gestanden. Der Versuch des Gerichts, den Bevollmächtigten zu erreichen, blieb erfolglos, weil die Kanzlei nicht erreichbar war.

Es erging dann Versäumnisurteil. Hiergegen erhob die Partei Einspruch, sodass ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt werden musste. Tatsächlich hat dies das Verfahren aber wegen der Terminslage des Gerichts um ein Jahr verzögert. Es hat dann eine 1,0-Verzögerungsgebühr aus dem Hauptsachestreitwert als Verzögerungsgebühr festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Das KG hat ein schuldhaftes Nichterscheinen des Bevollmächtigten angenommen und auf dieser Grundlage eine Verzögerungsgebühr erhoben.

Leitsatz: KG 9.4.2025, 21 U 108/22

Die Auferlegung einer besonderen Verzögerungsgebühr gemäß § 38 GKG kommt in Betracht, wenn eine Partei zur Terminsstunde feststellt, dass ihr die Einwahldaten für eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gemäß § 128a ZPO nicht vorliegen und sie den Termin einfach verstreichen lässt und nach Erlass eines Versäumnisurteils aufgrund des Einspruchs der säumigen Partei dann ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt werden muss (Abruf-Nr. 247901).

Wird außer im Fall des § 335 ZPO durch Verschulden des Klägers, des Beklagten oder eines Vertreters die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig oder ist die Erledigung des Rechtsstreits durch nachträgliches Vorbringen von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln, Beweismitteln oder Beweiseinreden, die früher vorgebracht werden konnten, verzögert worden, kann das Gericht nach § 38 GKG dem Kläger oder dem Beklagten von Amts wegen eine besondere Gebühr mit einem Gebührensatz von 1,0 auferlegen.

Die Gebühr kann bis auf einen Gebührensatz von 0,3 ermäßigt werden.

Nachdem der Kläger Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt hatte, war die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig. Die Auferlegung einer besonderen Verzögerungsgebühr gemäß § 38 GKG kommt nach dem KG auch in Betracht, wenn nach Erlass eines Versäumnisurteils aufgrund des Einspruchs der säumigen Partei ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt werden muss. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 38 S. 1 GKG, der eine Ausnahmeregelung nur für den Fall vorsieht, dass ein Versäumnisurteil oder eine Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 355 Abs. 1 ZPO nicht ergehen darf. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Partei in die Säumnis geflüchtet ist. Maßgebend ist allein der Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht. Das sehen auch das OLG Düsseldorf (20.6.18, 24 W 44/18; 12.2.15, 6 W 1/15; 27.11.15, 1 W 47/15) und das OLG Celle (13.8.07, 2 W 70/07) so.

Da die Verzögerungsgebühr Strafcharakter hat und eine Sanktion für ein prozesswidriges Verhalten einer Partei oder ihres Vertreters darstellt, kann sie nicht verhängt werden, wenn die Partei oder ihr Vertreter zwar das Verfahren verzögern, sich dabei aber prozessordnungsgemäß verhalten. Denn Anknüpfungspunkt für die Verhängung der Verzögerungsgebühr ist nicht der Umstand, dass eine Partei von den ihr gegebenen prozessualen Möglichkeiten Gebrauch macht, sondern dass die Partei gegen die ihr obliegende Prozessförderungspflicht verstößt

Das nimmt das KG in dem geschilderten Fall an, weil die Notwendigkeit der Anberaumung eines neuen Termins auf ein schuldhaftes Verhalten der Prozessbevollmächtigten zurückzuführen war. Sie haben gegen die ihnen obliegende Prozessförderungspflicht verstoßen, indem sie den Termin zur mündlichen Verhandlung mutwillig nicht wahrgenommen haben. Die Verzögerungsgebühr nach § 38 GKG dient ihrem Sinn und Zweck nach in erster Linie dazu, den Mehraufwand des Gerichts abzugelten, der aufgrund des Fehlverhaltens einer Partei oder eines Vertreters ausgelöst wird.

Merke | Auch wenn die Verzögerungsgebühr das Gericht schützen will, kann sie doch auch dazu dienen, das Verfahren zu beschleunigen, wenn deren Verhängung nahegelegt oder gar gefordert wird.

Verschulden im Sinne von § 38 GKG liegt vor, wenn die Partei vorsätzlich oder fahrlässig handelt, § 276 BGB. Ein grobes Verschulden oder eine Verschleppungsabsicht sind nach § 38 GKG dagegen nicht erforderlich. Aufgrund der Prozessförderungspflicht sind die Parteien zu konzentrierter Verfahrensführung gehalten. Das KG sieht ein solches dem Mandanten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden seiner Bevollmächtigten. Dies liege einerseits in der falschen Eintragung des Termins als Videoverhandlung statt als Präsenztermin und andererseits darin, dass kein Antrag nach § 128a ZPO gestellt worden sei. Auch sei der Termin offenbar nicht mit ausreichend zeitlichem Vorlauf oder mit der erforderlichen Gründlichkeit zur Art und Weise der Durchführung des Termins vorbereitet worden, da der Fehler anderenfalls frühzeitig aufgefallen wäre. Letztlich habe man sich nicht zur Terminsstunde an das Gericht gewandt, um ein verspätetes Erscheinen zu entschuldigen und anzukündigen oder noch eine unmittelbare Zusendung der Einwahldaten zu erlagen.

Merke | Gerade die Nachlässigkeit der nicht einmal versuchten Kontaktaufnahme mit dem Gericht rechtfertigt nach dem KG die Verzögerungsgebühr. Denn der Termin habe inhaltlich vorbereitet werden müssen, für den Folgeaufwand verursacht worden sei, und der Sitzungstag habe insoweit nicht für die Verhandlung eines anderen Verfahrens genutzt werden können.

Das KG sah auch keine Möglichkeit des Gerichts, die Terminsverlegung abzuwenden, weil auf den gerichtlichen Anruf die Kanzlei nicht erreichbar war. Die Verhängung einer Gebühr nach § 38 Abs. 1 GKG ist auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen.

Die Auferlegung einer Verzögerungsgebühr in Höhe eines Gebührensatzes von 1,0 erschien dem KG angemessen, da es sich um die Regelgebühr handele. Gründe für eine mögliche, aber die Ausnahme bildende Absenkung hat das Gericht nicht gesehen.

Ist eine Verzögerungstaktik eines Prozessbeteiligten in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Termin zur mündlichen Verhandlung anzunehmen, kann die andere Partei das Gericht durchaus auf die Möglichkeit des § 38 GKG hinweisen, um die Prozessförderungspflicht zur Geltung zu bringen. Das gilt gerade auch dann, wenn eine Flucht in die Säumnis absehbar ist.

AUSGABE: FMP 6/2025, S. 99 · ID: 50413403

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