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BetreuungsrechtBetreuervorschlag: Gericht muss Geeignetheit der vorgeschlagenen Person umfassend prüfen

Abo-Inhalt05.05.20252115 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen

| Eine vom Betroffenen vorgeschlagene Person darf bei der Betreuerauswahl nur unberücksichtigt bleiben, wenn sich nach umfassender Abwägung aller relevanten Umstände erhebliche Gründe ergeben, die auf einen Eignungsmangel i. S. v. § 1816 Abs. 2 S. 1 BGB schließen lassen. Es verstößt gegen die Amtsermittlungspflicht, wenn der Tatrichter die Eignung oder die Redlichkeit der Vorschlagsperson in Zweifel zieht und sich auf Mitteilungen Dritter beruft, ohne zuvor die Vorschlagsperson – bei gravierenden Vorwürfen – persönlich dazu anzuhören. Das hat der BGH entschieden. |

Sachverhalt

Die Betroffene B hatte ihrer Tochter T eine Vorsorgevollmacht erteilt. Zugleich hatte sie die T als Betreuungsperson vorgeschlagen, falls dies trotz vorhandener Vollmacht erforderlich werden sollte. Nachdem die B später nicht mehr in der Lage war, einen freien Willen zu bilden, hat das AG für sie zunächst vorläufig einen Berufsbetreuer Bt bestellt. Der Aufgabenkreis hat auch die Befugnis zum Widerruf erteilter Vollmachten umfasst. Der Bt hat sodann die der T erteilte Vorsorgevollmacht widerrufen. Im weiteren Verfahren hat das Betreuungsgericht den Bt mit erweitertem Aufgabenkreis bestellt. Auf die Beschwerden der B und der T gegen den Beschluss hat das LG unter Entlassung des Bt einen ehrenamtlichen Betreuer für die B bestellt. Die dagegen gerichteten Rechtsbeschwerden der B und der T blieben erfolglos (BGH 6.11.24, XII ZB 176/24, Abruf-Nr. 245410).

Entscheidungsgründe

Die Betreuung ist erforderlich. Insbesondere können die Angelegenheiten der B nicht durch einen Bevollmächtigten gleichermaßen besorgt werden. Zwar hat die B der T eine Vorsorgevollmacht erteilt. Diese Vollmacht ist aber wirksam widerrufen worden. Dem vorläufigen Betreuer ist die entsprechende Befugnis hierzu ausdrücklich eingeräumt worden.

Zwar ist dem Betreuerwunsch des Betroffenen grundsätzlich zu entsprechen. Etwas anderes gilt aber, wenn diese Person nicht geeignet ist, eine Betreuung zu führen. Letzteres ist hier der Fall.

Die T ist im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Sie ist insgesamt nicht geeignet, weil ihr Verhalten von der Unfähigkeit geprägt ist, von ihren Auffassungen abweichende fachliche Ansichten – egal in welchem Bereich, insbesondere aber auf medizinischem, pflegerischem und juristischem Gebiet – zu akzeptieren oder gar anzuerkennen.

Die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit ist allgemeine Voraussetzung dafür, eine ehrenamtliche Betreuung zu führen. Sie fehlt i. d. R., wenn die Vermögensverhältnisse der Vorschlagsperson ungeordnet sind. Das ist wiederum i. d. R. der Fall, wenn eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis erfolgt ist.

Dieser Umstand alleine führt zwar vorliegend noch nicht zwingend dazu, dass die Zuverlässigkeit der T zu verneinen ist. Der Tatrichter muss alle Umstände einzubeziehen, die für oder gegen eine Eignung sprechen können. Es ist eine Prognoseentscheidung dahin gehend zu treffen, ob die T die aus der Betreuung erwachsenden Aufgaben in Zukunft erfüllen kann. Diese in tatrichterlicher Verantwortung vorgenommene Beurteilung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden.

Vorliegend ist das Verhalten der T insgesamt von der Unfähigkeit geprägt, von ihren Auffassungen abweichende fachliche Ansichten, insbesondere auf medizinischem, pflegerischem und juristischem Gebiet zu akzeptieren. Darüber hinaus hat die T im Namen der B gerichtliche Verfahren mit dementsprechenden Kostenrisiken veranlasst. In der Gesamtschau dieses Verhaltens und der Persönlichkeit der T sowie des von ihr in der persönlichen Anhörung gewonnenen Eindrucks hat zu der tatrichterlichen Überzeugung geführt, dass sich die T in Zukunft nicht angemessen um die Angelegenheiten der B kümmern wird.

Es liegt auch kein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht vor. Der Tatrichter muss die Gründe gegen die Eignung einer Vorschlagsperson dadurch verlässlich feststellen, dass er diese persönlich anhört. Demgegenüber verstößt es gegen den Amtsermittlungsgrundsatz, wenn der Tatrichter in seiner Entscheidung ausdrücklich die Eignung bezweifelt und sich hierbei auf Mitteilungen Dritter beruft, ohne zuvor die Betreuungsperson anzuhören. Vorliegend ist die T aber persönlich angehört worden.

Relevanz für die Praxis

Die Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechungslinie zum Umgang mit Vorschlägen des Betroffenen. Der Tatrichter muss eine Gesamtschau aller Umstände vornehmen, um einen Eignungsmangel festzustellen (BGH 20.12.23, XII ZB 514/21).

Die Ausführungen des Betreuungssenats sind jedoch auch in Bezug auf die Grenzen der betreuungsrichterlichen Amtsermittlung sehr praxisrelevant:

Das Tatgericht muss die Geeignetheit einer durch den Betroffenen vorgeschlagenen Person für die Übernahme der Betreuung umfassend beurteilen. Werden einem zur Betreuungsübernahme vorgeschlagenen Kind des Betroffenen erhebliche Vorwürfen durch Dritte gemacht oder sprechen die sonstigen sprechenden Umstände gegen die Eignung, ist das Kind anzuhören. Bei gravierenden Vorwürfen muss das Kind persönlich angehört werden (BGH FamRZ 23, 1062). Nur so kann der Betreuungsrichter sich ein eigenes und umfassendes Bild machen.

Praxistipp | Unterbleibt die persönliche Anhörung des vorgeschlagenen Kindes des Betroffenen, sollte der Anwalt des Kindes bzw. der des Betroffenen Beschwerde einlegen.

AUSGABE: FK 6/2025, S. 103 · ID: 50278501

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