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GütergemeinschaftOLG Hamm verneint Zahlungsanspruch auf Nutzungsentschädigung bei der Gütergemeinschaft
| Ob nach Beendigung des Güterstands der Gütergemeinschaft, aber vor dessen Auseinandersetzung die Zahlung einer Nutzungsentschädigung bezüglich einer im Gesamtgut stehenden Immobilie verlangt werden kann, ist umstritten. Der 11. Senat des OLG Hamm lehnt dies in einer aktuellen Entscheidung ab. |
Sachverhalt
Der Beteiligten sind rechtskräftig geschieden. Bei der Eheschließung in 2009 waren beide verwitwet und verfügten über Vermögenswerte. Nach der Hochzeit vereinbarten sie den Güterstand der Gütergemeinschaft. Der M brachte u. a. ein Hausgrundstück in die Gemeinschaft ein. Die Erdgeschosswohnung dieses Hauses wurde zur Ehewohnung, aus der die F nach der Trennung wieder auszog. Im Obergeschoss des Hauses hat schon vor der Eheschließung die Tochter T des M mit ihrem Sohn mietfrei gewohnt. Später ließen M und F eine Vereinbarung über die Teilauseinandersetzung ihrer Gütergemeinschaft beurkunden. Der M hat an die F bis zur Scheidung im Januar 2020 Unterhalt gezahlt. Bei der Berechnung wurde der Wert des mietfreien Wohnens des M im Haus einkommenserhöhend berücksichtigt. Seit Mitte 2020 zahlt er nichts mehr. Die Gütergemeinschaft ist nicht endgültig auseinandergesetzt worden. F verlangte eine Neuregelung der Nutzung der Ehewohnung und eine monatliche Nutzungsentschädigung von M. Das AG gab ihrem Antrag teilweise statt, doch M legte erfolgreich Beschwerde ein (OLG Hamm 26.11.24, 11 UF 13/24 Abruf-Nr. 246122).
Entscheidungsgründe
Leben die Ehegatten im Güterstand der Gütergemeinschaft, kann derjenige, der aus dem zum Gesamtgut gehörenden Familienheim ausgezogen ist, einen Anspruch auf Nutzungsentgelt weder aus § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB noch aus § 745 Abs. 2 BGB herleiten. § 1472 BGB regelt die Verwaltung des Gesamtguts abschließend. Diese Regelung gilt bis zu dessen endgültigen Auseinandersetzung – ggf. auch über die Scheidung hinaus. Sie ist daher auch maßgeblich, um etwaige Ansprüche auf Nutzungsentgelt zu beurteilen. Ein Anspruch auf Nutzungsvergütung des Ausgezogenen unmittelbar gegen den verbliebenen Ehegatten lässt sich aus dieser Vorschrift zumindest i. d. R. nicht ableiten (vgl. Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 8. Aufl., 2. Kap.: Auseinandersetzung bei Miteigentum, Rn. 137).
Der M ist allerdings gem. § 1472 Abs. 3 Hs. 1 BGB verpflichtet, an Verwaltungsmaßnahmen der Gemeinschaft und damit zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung für den ihm von der F überlassenen alleinigen Gebrauch des im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Hausgrundstücks mitzuwirken (BGH 6.8.08, XII ZR 155/06, BGHZ 178, 34, FamRZ 08, 2015). Denn wie der BGH zur vergleichbaren Regelung des § 745 Abs. 2 BGB entschieden hat, bedeutet die Trennung der Ehegatten, die bisher ein in ihrem Miteigentum stehendes Haus bewohnt hatten, eine so grundlegende Änderung der Verhältnisse, dass jeder eine Neuregelung der Verwaltung und Benutzung verlangen kann.
Der sich danach aus § 1472 Abs. 3 BGB ergebende Anspruch auf Nutzungsentschädigung steht aber nicht der F selbst zu; er ist auch nicht auf Zahlung unmittelbar an sie gerichtet. Er ist vielmehr Teil des gemeinschaftlichen Vermögens der Ehegatten und geht auf Leistung an beide Ehegatten gemeinsam. Denn gem. § 1473 Abs. 1 BGB werden auch nach Beendigung der Gütergemeinschaft und deren damit einhergehender Umwandlung in eine Liquidationsgemeinschaft die Nutzungen eines zum Gesamtgut gehörenden Gegenstands ihrerseits Teil des Gesamtguts. Deshalb steht der gegen den M gerichtete Anspruch auf Nutzungsentschädigung den Ehegatten als gemeinschaftliches Vermögen zur gesamten Hand zu (vgl. BGH, a. a. O.).
Gem. § 1420 BGB soll der Unterhalt der Familie in erster Linie aus dem Gesamtgut bestritten werden, weil dieses regelmäßig den Hauptteil des Vermögens der Ehegatten bildet. Es ist umstritten, ob § 1420 BGB auch für den Unterhalt nach Rechtskraft der Scheidung gilt (vgl. Heinemann in: Erman BGB, 17. Aufl., § 1420 Rn. 2). Die Frage kann hier aber offenbleiben, weil die F auch dann nicht verlangen könnte, dass M eine Geldrente zahlt. Vielmehr könnte sie nach § 1451 bzw. § 1472 Abs. 3 BGB ebenfalls nur die Mitwirkung zu den entsprechenden Verwendungsmaßnahmen verlangen (Erman, a. a. O., Rn. 4).
Eine Ausnahme hiervon wird für Fälle diskutiert, in denen ein Ehegatte darauf angewiesen ist, seinen Unterhalt aus dem Gesamtgut zu bestreiten. Dann soll er die Zahlung eines anteiligen Nutzungsentgelts direkt an sich verlangen können. Da es sich bei der Nutzung eines Hauses um Einkünfte i. S. d. § 1420 BGB handele, sei der Umweg über das Gesamtgut in einem solchen Fall unsinnig (Ensslen, FamRZ 98, 1077; OLG Düsseldorf 4.9.98, 3 WF 172/98, FamRZ 99, 1348; OLG Hamm (Hinweis-)Beschluss 22.12.15, II-3 UF 83/15, juris).
Es ist nicht feststellbar, dass besondere Umstände einen Zahlungsanspruch der F gegen den M rechtfertigen. Denn zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen hat die F nichts vorgetragen. Bekannt ist aber, dass ihr infolge der Teilauseinandersetzung erhebliche Geldbeträge zugeflossen sind.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung des 11. Senats ist zutreffend. Die Frage eines Zahlungsanspruchs auf Nutzungsentschädigung nach Beendigung der Gütergemeinschaft, aber vor deren Auseinandersetzung, ist umstritten.
Der 3. Senat des OLG Hamm bejaht einen solchen Zahlungsanspruch (22.12.15, II-3 UF 83/15 Rn. 3 ff.; so auch OLG Bamberg 7.1.87, 2 WF 358/86). Der sich aus § 1472 Abs. 3 BGB als Folge der Neuregelung der Verwaltung und Benutzung ergebende Anspruch auf Nutzungsentschädigung ist nach § 1473 Abs. 1 BGB Teil des gemeinschaftlichen Vermögens der Ehegatten und fällt in das Gesamtgut (§ 1416 BGB, OLG Frankfurt 19.4.13, 6 UF 124/12 Rn. 17). Der Antrag geht auf Leistung an beide Ehegatten gemeinsam (Schmitz, FamFR 13, 476, Anm. zu OLG Frankfurt a. M.,19.4. 13, 6 UF 124/12, FamFR 13, 475). Der Anspruch umfasst bei Zahlung an die Gesamthand ein volles angemessenes Entgelt für die Nutzung des Hausgrundstücks (OLG Hamm, 3. Senat, a. a. O., Rn. 4; BGH 6.8.08, XII ZR 155/06 Rn. 24).
An dieser Stelle biegt der 3. Senat des OLG Hamm ab und kommt unter Heranziehung des § 1420 BGB (Verwendung zum Unterhalt) zu dem Schluss, dass ein Beteiligter daneben bzw. darüber hinaus unmittelbar einen Anteil der insgesamt zu zahlenden Nutzungsentschädigung aus dem Gesamtgut monatlich als Barbetrag verlangen kann (a. a. O., Rn. 5). Folgt man dieser Ansicht, kann der Antrag auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung lauten. Da dies jedoch umstritten ist, sollte als sicherster Weg auf jeden Fall ein Hilfsantrag auf Mitwirkung bzw. Zustimmung beantragt werden (so auch Staudinger/Löhnig, BGB, 2023 § 1472 Rn. 9):
Musterformulierung / Antrag auf Nutzungsentschädigung |
Die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie, beginnend ab …, zahlbar jeweils bis zum 5. Werktag eines jeden Monats im Voraus, eine Nutzungsvergütung i. H. v. … Euro zu zahlen. Hilfsweise beantragt sie, den Antragsgegner zu verpflichten, sein Einverständnis zu erklären, dass aus dem Gesamtgut an sie monatliche Zahlungen in Form einer Nutzungsentschädigung i. H. v. jeweils ... EUR monatlich, beginnend ab …, zahlbar jeweils zum 5. Werktag eines jeden Monats im Voraus geleistet werden. |
Der 11. Senat des OLG Hamm lehnt einen solchen Zahlungsantrag an einen Ehegatten zu Recht ab (so auch OLG Koblenz 5.5.05, 11 UF 663/04; Erman/ Heinemann, a. a. O., § 1473 BGB Rn. 1): Der Senat lässt offen, ob § 1420 BGB auch für den Unterhalt nach Rechtskraft der Scheidung geht, da die F auch dann nach § 1472 Abs. 3 BGB nur die Mitwirkung zu den entsprechenden Verwaltungsmaßnahmen (das OLG spricht von Verwendungsmaßnahmen, dürfte aber Verwaltungsmaßnahmen gemeint haben) verlangen könnte (OLG Hamm, 11. Senat, a. a. O., Rn. 47); Erman/Heinemann, BGB, 17. Aufl., § 1472 BGB, Rn. 2). M. E. greift § 1420 BGB hier nicht, da F keinen Unterhalt geltend gemacht hat. Solche Auszahlungen müssen jedenfalls nach Ansicht des 3. Senats des OLG Hamm nach § 1467 Abs. 1, § 1468 BGB dem Gesamtgut erstattet werden (8.3.16, 3 UF 83/15, Rn. 7; Erman/Heinemann, a. a. O.).
Die von einem Ehegatten zu entrichtende Nutzungsvergütung in das Gesamtgut ist im Rahmen der Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft ein bloßer – nicht isoliert einklagbarer – Rechnungsposten, § 1476 Abs. 2 BGB (OLG Koblenz, 5.7.05, 11 UF 663/03, Rn. 49). Die Ehegatten könnten allenfalls hinsichtlich der Zahlung der Nutzungsvergütung eine Teilauseinandersetzung der Gütergemeinschaft vereinbaren.
- Möller, Die Gütergemeinschaft im Wandel der Gesellschaft
AUSGABE: FK 6/2025, S. 100 · ID: 50301469