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BetreuungsrechtBeschwerderecht: Das sind die Voraussetzungen für Angehörige

Abo-Inhalt10.03.20251492 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen

| Der BGH hat konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen Angehörige eine Beschwerde nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG einlegen können. |

Sachverhalt

Die Betroffene B leidet an einer altersbedingten Demenz sowie den neurologischen Folgen eines Schlaganfalls. Sie kann ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen und lebt in einem Seniorenheim. Einige Jahre zuvor hatte sie ihrer Tochter T eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt. Auf Anregung einer Angehörigen hat das AG der B einen Berufsbetreuer BT mit einem umfassenden Aufgabenkreis bestellt. Dagegen hat die T „namens meiner Mutter und in meinem Namen“ Beschwerde eingelegt. Das LG hat die Beschwerde „der Betreuten“ zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der T blieb erfolglos.

Leitsätze: BGH 18.9.24, XII ZB 107/24

  • a) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht den Angehörigen nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen nur dann zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16.1.19, XII ZB 489/18, FamRZ 19, 618).
  • b) Allein aus der Nennung eines Angehörigen im Rubrum einer betreuungsgerichtlichen Entscheidung lässt sich nicht auf dessen (konkludente) Hinzuziehung zum erstinstanzlichen Verfahren schließen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 27.3.19, XII ZB 417/18, FamRZ 19, 1091).
  • (Abruf-Nr. 245325)

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Erstbeschwerde der T gegen den Beschluss des AG verworfen wird. Denn die T hat die Rechtsbeschwerde ausschließlich im eigenen Namen und nicht auch im Namen der B eingelegt. Dies ergibt sich aus der Auslegung der Angaben in der Rechtsbeschwerde und den weiter vorliegenden Unterlagen und Umständen.

Verfahrenserklärungen sind im Zweifel so auszulegen, dass dasjenige gewollt ist, was aus Sicht des Beteiligten nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Die Rechtsbeschwerdeschrift kann nicht dahin ausgelegt werden, dass das Rechtsmittel auch im Namen der B eingelegt wurde. Nur die T wird als Rechtsbeschwerdeführerin in der anwaltlichen Rechtsmittelschrift bezeichnet. Dies gilt gerade nicht für die B, die stets als „Betreute und Beschwerdeführerin“ und gerade nicht als Rechtsbeschwerdeführerin benannt wurde.

Die Rechtsbeschwerde der T ist zulässig, weil ihre Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist. Dies folgt aus den Entscheidungsgründen des Beschwerdegerichts. Zwar bezieht sich die Beschwerdeentscheidung nach ihrem Wortlaut nur auf die von der T im Namen der B eingelegte Beschwerde. Die von der T im eigenen Namen eingelegte Beschwerde wurde in den Gründen der Entscheidung erwähnt, aber nicht ausdrücklich beschieden. Aus der Beschwerdeentscheidung ergibt sich aber, dass das Gericht abschließend über die von der T insgesamt geführten Rechtsmittel entscheiden wollte. Es ist nicht erkennbar, dass die von der T im eigenen Namen eingelegte Beschwerde einer gesonderten Entscheidung zugeführt werden sollte.

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch insgesamt unbegründet und mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die von der T gegen den Beschluss des AG im eigenen Namen eingelegte Beschwerde verworfen wird. Diese Beschwerde ist bereits unzulässig, weil der T die Beschwerdeberechtigung für eine Beschwerde im eigenen Namen gefehlt hat.

Das Recht zur Beschwerde im eigenen Namen steht einem Angehörigen im Interesse des Betroffenen nur zu, wenn der Angehörige im ersten Rechtszug beteiligt worden ist.

Die Beschwerdeberechtigung folgt auch nicht aus § 59 Abs. 1 FamFG , weil die T dadurch, dass eine Betreuung eingerichtet und ein Betreuer für die B bestellt worden ist, nicht in eigenen Rechten betroffen ist. Eine Betroffenheit in eigenen Rechten resultiert insbesondere nicht aus der ihr eingeräumten Vorsorgevollmacht (BGH 5.11.14, XII ZB 117/14, FamRZ 15, 249 Rn. 16 f.).

Vielmehr hätte die T ausdrücklich hinzugezogen werden müssen. Vorliegend ist die T jedoch nicht über das Betreuungsverfahren in Kenntnis gesetzt worden. Dass sie im Rubrum des amtsgerichtlichen Beschlusses als Bevollmächtigte aufgeführt ist, genügt für sich betrachtet nicht für eine Hinzuziehung, weil ihr hierdurch nicht ermöglicht wurde, die Entscheidung zu beeinflussen.

Relevanz für die Praxis

Beschwerden werden oft von Angehörigen geführt. Der Betreuungssenat grenzt hier zutreffend die Beschwerdebefugnis des bevollmächtigten Angehörigen von der des Betroffenen ab. Der BGH zeigt instruktiv auf, dass das Betreuungsgericht im Zweifel zunächst durch Auslegung ermitteln muss, in wessen Namen ein Rechtsmittel eingelegt wird. Die Grenze der Auslegung liegt dabei stets im klaren Wortlaut der Erklärung (BGH 14.10.20, XII ZB 91/20).

Ein bevollmächtigter Angehöriger ist zudem stets nach § 274 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zwingend hinzuzuziehen, soweit die einzurichtende Betreuung den Aufgabenkreis seiner Vollmacht betrifft. Wenn dies jedoch unterbleibt, fehlt es an dessen Beschwerdebefugnis unabhängig davon, aus welchen Gründen die Beteiligung unterblieben ist. Alleine aus einer Vorsorgevollmacht als solcher erwächst noch keine Beschwerdebefugnis. Deswegen ist es stets erforderlich, zum Verfahren hinzugezogen zu werden. Der bevollmächtigte Angehörige muss daher sorgfältig darauf achten, dass er auch tatsächlich beteiligt wird.

AUSGABE: FK 4/2025, S. 67 · ID: 50265371

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