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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Abo-Inhalt21.01.20252 Min. Lesedauer

die Frage, wann „groß“ auch „groß genug“ ist, beschäftigt Menschen bereits im Kleinkindalter. Auch die familiengerichtliche Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung Minderjähriger wirft immer wieder Fragen des Verfahrens- und des materiellen Rechts auf. Ein Beschluss des BGH vom 9.10.24 (XII ZB 253/24) gibt Anlass, zwei Aspekte zu betrachten, die die Balance zwischen dem Schutz des Kindeswohls und dem Verfahrensrecht berühren.

Die Mutter M der 2009 geborenen Betroffenen B hatte erfolgreich die Unterbringung ihrer Tochter in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses beantragt. Das dazu erstellte Sachverständigengutachten wurde der B auf Empfehlung des Gutachters nicht zur Kenntnis gebracht. Es stand eine krisenhafte Zuspitzung der Situation zu befürchten. Nach Anhörung der B hat das OLG deren Beschwerde zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde der B ist erfolgreich.

Im Rahmen der Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1631b BGB muss dem betroffenen Kind das vollständige Gutachten rechtzeitig überlassen werden. Minderjährige, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, sind gem. § 167 Abs. 3 FamFG verfahrensfähig. Ihnen muss daher ausreichend Gelegenheit gegeben werden, sich mit dem Gutachten auseinanderzusetzen, um ihre Interessen effektiv wahrnehmen zu können. Dies gilt selbst dann, wenn das Gericht nach den Vorgaben des § 325 Abs. 1 FamFG davon absieht, ihnen das Gutachten direkt zu überlassen, um deren Gesundheit zu schützen. Für falsch verstandene Fürsorge bleibt kein Raum. In einem solchen Fall ist sicherzustellen, dass ein Verfahrensbeistand den Minderjährigen über den Inhalt des Gutachtens informiert. Das war hier nicht der Fall.

Ein weiterer wesentlicher Punkt betrifft die Begründung der Unterbringungsdauer. Nach § 167 Abs. 7 FamFG endet die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme bei Minderjährigen grundsätzlich nach sechs Monaten, es sei denn, eine offensichtliche Sicherungsbedürftigkeit rechtfertigt eine längere Dauer. Der BGH fordert auch hier eine nachvollziehbare, detaillierte Begründung, warum die Voraussetzungen für eine Überziehung der regulären Frist vorliegen. Die pauschale Bezugnahme auf ein Gutachten, das lediglich eine Unterbringung „vorerst für mindestens ein Jahr“ empfiehlt, reicht nicht aus. Vielmehr bedarf es spezifischer Erwägungen, aus denen die Dauerbedürftigkeit klar hervorgeht.

Auch in emotional beladenen Verfahren bleibt es unverzichtbar, verfahrensrechtliche Mindeststandards einzuhalten. Verfahrensrechte sind ein zentrales Element des Rechtsstaats. Die Missachtung dieser Rechte kann nicht durch noch so hehre Ziele des Schutzes des Kindeswohls gerechtfertigt werden.

Rechtsphilosophisch lässt sich festhalten: Das Recht ist der Schutz der Schwachen vor der Willkür der Starken. In Verfahren der freiheitsentziehenden Unterbringung gilt dies für Kinder und Jugendliche umso mehr.

Ihre

Judith Krämer

AUSGABE: FK 2/2025, S. 2 · ID: 50279349

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