FeedbackAbschluss-Umfrage

Grobe Unbilligkeit des VAHärtefall ist auch bei vermögenden Ehegatten möglich

Abo-Inhalt13.01.2025408 Min. LesedauerVon VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

| Der BGH hat darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein (teilweiser) Ausschluss des VA wegen eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen vermögenden Ehegatten gerechtfertigt ist. |

Sachverhalt

Während der Ehezeit (1.5.86 bis 31.3.20) haben die Eheleute M und F beide Anrechte in einer Ärzteversorgung erworben. Deren Ausgleichswerte betragen als (korrespondierende) Kapitalwerte aufseiten des M rund 323.000 EUR und aufseiten der F rund 69.480 EUR. Die F hat darüber hinaus ein Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) von mindestens 0,8236 Entgeltpunkten (entsprechend einem Ausgleichs-Kapitalwert von 2.903 EUR) erworben; dabei sind Kindererziehungszeiten noch nicht berücksichtigt worden. Das AG hat die Ehe geschieden und den VA insgesamt ausgeschlossen, weil die F nicht mitgewirkt habe, ihr Rentenversicherungskonto zu klären. Die Beschwerde der F hat das OLG mit der Begründung zurückgewiesen, dass zwischen den Ehegatten ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht bestehe, das den VA grob unbillig mache. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde der F hat der BGH die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das OLG zurückverwiesen (BGH 31.1.24 mit Berichtigung vom 10.4.24, XII ZB 259/23, Abruf-Nr. 240557).

Entscheidungsgründe

Gem. § 27 VersAusglG findet ein VA ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann nur überprüft werden, ob das OLG alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und sein tatrichterliches Ermessen dem Gesetzeszweck entsprechend ausgeübt hat. Für einen – auch nur teilweisen – Ausschluss des VA ist erforderlich, dass eine rein schematische Durchführung des VA unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Gesetzes in unerträglicher Weise widerspricht. Zweck des VA ist es, dass beide Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten dauerhaft in gleichem Maß teilhaben.

Die grobe Unbilligkeit muss sich wegen des Ausnahmecharakters von § 27 VersAusglG aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben. Das ist nur der Fall, wenn folgende Voraussetzungen (kumulativ) vorliegen: Zum einen muss (schon) im Zeitpunkt der Entscheidung über den VA klar abzusehen sein, dass der Ehegatte, der – auf Grundlage einer vorzunehmenden Vorsorgevermögensbilanz – insgesamt ausgleichsberechtigt ist, über ein so hohes Einkommen bzw. Vermögen verfügen wird, dass seine Altersversorgung auch ohne einen VA voll abgesichert ist. Zum anderen muss der insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte dringend auf seine ehezeitlich erworbenen Anrechte angewiesen sein, um seinen Unterhalt zu sichern.

Nach diesen Maßstäben hätte das OLG hier nicht annehmen dürfen, dass der VA grob unbillig wäre. Zwar verfügt die F nach den Feststellungen über ein ererbtes Vermögen von rund 4 Mio. EUR. Außerdem hat sie von M bereits einen ZGA von 342.000 EUR zuzüglich eines Miteigentumsanteils an einer Ferienwohnung erhalten und ihr stehen eigene Anrechte in der Ärzteversorgung und in der GRV zu, die sich noch um die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten erhöhen. Damit ist ihre Altersvorsorge auch ohne den VA bereits vollständig gesichert. Es fehlt jedoch nach den Feststellungen an der weiteren Voraussetzung, dass der M auf seine ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte dringend angewiesen ist, um seinen Unterhalt zu sichern. Er hat in der Ehezeit Anrechte in der Ärzteversorgung erworben, die auch nach der Teilung noch eine bei ihm verbleibende Versorgung oberhalb eines durchschnittlichen Renteneinkommens gewährleisten. Außerdem erwirbt er mit Durchführung des VA von der F weitere Anrechte in der Ärzteversorgung und in der GRV. Ferner hat das OLG festgestellt, dass er über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von mindestens 60.000 EUR verfügt und für seine derzeit noch betriebene Arztpraxis möglicherweise einen Verkaufspreis erzielen kann.

Relevanz für die Praxis

Der BGH setzt seine bisherige Rechtsprechung fort (FamRZ 15, 1001). Er präzisiert, unter welchen Voraussetzungen der VA wegen eines erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen den Ehegatten herabgesetzt oder ausgeschlossen werden kann. Ziel des VA ist es nicht, dass zwischen den Ehegatten eine paritätische Versorgungslage herbeigeführt wird. Grundgedanke der gesetzlichen Regelung ist es vielmehr, dass die Ehegatten gleichmäßig an ihren gesamten in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten teilhaben. Eine Korrektur des VA, der sich nach den gesetzlichen Teilungsregeln ergibt, unter Heranziehung der Härteklausel, ist nur unter folgenden Voraussetzungen geboten:

  • Der eine Ehegatte muss über ein so hohes Einkommen und/oder Vermögen verfügen, dass seine künftige Altersversorgung bereits voll abgesichert ist, ohne dass der VA durchgeführt worden ist.
  • Der andere Ehegatte muss dringend darauf angewiesen sein, dass der VA durchgeführt wird, um einen nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Altersunterhalt zu sichern.

Zur Feststellung, ob diese (kumulativen) Voraussetzungen erfüllt sind, ist es regelmäßig erforderlich, eine sog. Vorsorgevermögensbilanz aufzustellen. Dabei ist das gesamte Vermögen beider Ehegatten einzubeziehen, auch soweit es nicht dem VA unterfällt, aber verwendet werden kann, um den Altersunterhalt zu sichern, also z. B. auch Kapitalvermögen und selbst genutzte oder vermietete Immobilien.

Merke | Es obliegt dem Ehegatten, der einen Ausschluss des VA erstrebt, hierzu vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (BGH FamRZ 14, 105; 16, 1343). In einem späteren Abänderungsverfahren können Härtegründe, die bereits bei der Scheidung vorlagen, nicht mehr berücksichtigt werden (BGH FamRZ 07, 360).

AUSGABE: FK 2/2025, S. 31 · ID: 50115310

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte