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Reform des Vormundschafts- und BetreuungsrechtsAuch in der Übergangszeit bedarf es Sachverständigengutachten für eine Unterbringung
| § 1815 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 BGB ist auf bestehende Betreuungen bis zum 1.1.28 nicht anwendbar, um die dem Betreuer nach alter Rechtslage zustehenden Vertretungsbefugnisse zu erhalten, Art. 229 § 54 Abs. 4 S. 1 EGBGB. Hatte der Betreuer bereits die Aufgabenbereiche Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge inne, darf er bei Gefahr im Verzug auch weiterhin in Unterbringungssachen tätig werden. Das hat der BGH entschieden. |
Sachverhalt
Der Betroffene B leidet unter einer schizoaffektiven Störung und einem Alkoholabhängigkeitssyndrom. Für ihn ist seit 2018 eine Betreuung mit umfassendem Aufgabenkreis eingerichtet, die er selbst befürwortet hat. Der B war mehrfach geschlossen untergebracht und zwangsbehandelt worden. Im vorliegenden Verfahren hat das Gericht Anfang 23 seine Unterbringung für ein Jahr genehmigt. Zudem ist der Aufgabenkreis des Betreuers an die gültige Rechtslage angepasst und um den Bereich der Unterbringung erweitert worden. B hat gegen beide Beschlüsse Beschwerde eingelegt. Das LG hat daraufhin die Höchstfrist für die Genehmigung der Unterbringung auf ein halbes Jahr verkürzt. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde des B wendet sich erfolgreich vollumfänglich weiter gegen die inzwischen durch Zeitablauf erledigte Genehmigung der Unterbringung und die Erweiterung seiner Betreuung.
Leitsätze: BGH 7.2.24, XII ZB 130/23 |
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Entscheidungsgründe
Die Unterbringung ist rechtswidrig. Das betreuungsgerichtlich verwertete Sachverständigengutachten ist verfahrensfehlerhaft erstellt worden.
Es ist zwar nicht zu beanstanden, dass die Sachverständigen die behandelnden Ärztinnen des B im Rahmen seiner stationären Unterbringung gewesen sind. Nur bei einer Unterbringung mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren soll das Gericht keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt hat, § 329 Abs. 2 S. 2 FamFG. Der Sachverständige muss den Betroffenen aber persönlich untersuchen und ihm seine Eigenschaft als Sachverständiger offenbaren, bevor er das Gutachten erstattet. Der Betroffene muss seine Rechte im Rahmen der Beweisaufnahme sinnvoll wahrnehmen können, sodass die Unterbringungsmaßnahme nicht den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung hat. Dies ist hier nicht erfolgt.
Der Aufgabenkreis ist gleichfalls verfahrensfehlerhaft erweitert worden. Obwohl mit der Reform des Betreuungsrechts von Anfang 23 in materiell-rechtlicher Hinsicht innerhalb der Übergangsfrist bis zum Jahresende 27 die Vertretungsbefugnisse des Betreuers nicht geändert worden sind, muss das Gericht die Verfahrensvorschriften des § 293 FamFG über die Erweiterung der Betreuung entsprechend anwenden. Danach ist entsprechend § 280 FamFG ein Gutachten einzuholen.
Merke | Davon kann nur abgesehen werden, wenn die Betreuung nicht wesentlich erweitert werden oder dies erfolgen soll, weil sich die Lebensumstände geändert haben oder andere Hilfen unzureichend wirken, § 293 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 FamFG. |
Ein Gutachten ist auch einzuholen, wenn wie hier erstmals ab dem 1.1.23 darüber zu befinden ist, die Entscheidung über eine freiheitsentziehende Unterbringung gesondert in die Betreuung einzubeziehen und die früheren Betreuungsentscheidungen noch auf den Wunsch des Betreuten erfolgt sind. Im vorliegenden Verfahren hat der B dadurch, dass er eine Beschwerde eingelegt hat, deutlich ausgedrückt, dass er nicht damit einverstanden ist, dass der Aufgabenkreis der Betreuung neu bestimmt worden ist. Daher ist es erforderlich, ein diese Umstände berücksichtigendes Gutachten einzuholen.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung betrifft den seit dem 1.1.23 laufenden fünfjährigen Übergangszeitraum des Art. 229 § 54 Abs. 4 S. 1 EGBGB und dürfte folglich noch für einige Zeit für die Betreuungspraxis relevant sein.
Wenn vor dem 1.1.28 in einem gerichtlichen Genehmigungsverfahren darüber zu entscheiden ist, ob die Betreuung aufgehoben oder verlängert werden soll, oder darüber zu entscheiden ist, ob der Betreute unterzubringen ist, muss der Aufgabenkreis im Bestellungsbeschluss an die Erfordernisse des neuen § 1815 Abs. 2 BGB angepasst werden. Für die damit verbundene Sachentscheidung ist im Fall einer wesentlichen Maßnahme wie eine Unterbringung ein Gutachten einzuholen.
Wendet sich der Betroffene gegen seine Unterbringung, erfordert dies Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbestimmung, die ebenfalls durch ein Sachverständigengutachten belegt sein müssen.
AUSGABE: FK 2/2025, S. 24 · ID: 50001324