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EinkommensteuerVermietung: Höhere Abschreibung für An- und Umbauten ab 2023 kennen und richtig berechnen
| Bisher galt der Grundsatz, dass Gebäude im Betriebsvermögen (mit drei Prozent) regelmäßig schneller abgeschrieben werden können als ähnliche Gebäude im Privatvermögen (mit zwei Prozent). Durch das JStG 2022 ist die höhere Abschreibung mit drei Prozent auch für Gebäude im Privatvermögen ermöglicht worden, jedoch nur bei Fertigstellung nach dem 31.12.2022. SSP zeigt, wann die höhere Abschreibung nicht nur für Neubauten, sondern auch bei An- und Umbauten an Immobilien beansprucht werden kann. |
Inhaltsverzeichnis
Ältere BFH-Rechtsprechung lebt 2023 wieder auf
Nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG können
- Wohngebäude im (gewillkürten) Betriebsvermögen und
- Wirtschafts- oder Wohngebäude im Privatvermögen
mit drei Prozent jährlich beschleunigt abgeschrieben werden, die nach dem 31.12.2022 fertiggestellt werden. Der Gesetzgeber will damit klimagerechte(re) Neubauten fördern, ohne dass dies im Gesetzestext zum Ausdruck kommt.
Bereits zur Inanspruchnahme der bis 2006 zulässigen degressiven Gebäudeabschreibung nach § 7 Abs. 5 EStG war die Fertigstellung von Neubauten bis bzw. ab einem bestimmten Stichtag entscheidend. Hierzu hatte der BFH bestätigt, dass auch das Entstehen „anderer“ oder „neuer“ Wirtschaftsgüter durch An- oder Umbauten in Bestandsgebäuden von der degressiven Abschreibung begünstigt ist (BFH, Urteil vom 31.03.1992, Az. IX R 175/87). Diese Rechtsprechung kann auf aktuelle Sachverhalte übertragen werden, um sich die höhere laufende Abschreibung für Sanierungsprojekte zu erschließen.
Wann gilt ein Anbau als selbstständiges Gebäudeteil?
Anbauten sind dann eigenständige Wirtschaftsgüter, wenn sie von den übrigen Bauwerken wieder getrennt werden können, ohne dass es dazu erheblicher Bauaufwendungen bedarf. Insbesondere dürfen die Verbindungen zum Altgebäude keine bauliche Verschachtelung begründen. Bei eigenen Fundamenten, eigenen Grundmauern und einem eigenen Eingang ist der Anbau nach der Rechtsprechung des BFH unzweifelhaft ein eigenständiges Wirtschaftsgut, für das eine eigene Abschreibungsmethode zu bestimmen ist. Unschädlich ist dann auch ein unmittelbarer Durchgang in das Altgebäude.
Beispiel |
An ein bestehendes Bürogebäude (Baujahr 1980) wird im Kalenderjahr 2023 ein weiterer Bürobau angeschlossen. Der neue Gebäudeteil hat eigene Außenmauern, schließt aber nahtlos ans Altgebäude an. Die Kellergeschosse beider Gebäude sind durch einen gemeinsamen Durchgang verbunden, da beide Gebäudeteile durch eine einheitliche Zentralheizung und einen einheitlichen Übergabepunkt zum Datennetz im Altgebäude versorgt werden. |
Folge: Trotz der baulichen Verbindung und der gemeinsamen Versorgung mit Wärme und Breitband liegt kein einheitliches Gebäude vor. Der Anbau ist ein eigenständiges Wirtschaftsgut. Dessen Herstellungskosten können vom Eigentümer mit jährlich drei Prozent abgeschrieben werden. Das Altgebäude wird wie zuvor mit jährlich zwei Prozent abgeschrieben. |
Wenn der Anbau mit dem Altgebäude verschachtelt ist
Sind Anbau und Altgebäude infolge baulicher Verbindungen nicht trennbar, liegt ein einheitliches Wirtschaftsgut Gebäude vor. Entscheidend ist vor allem, ob der Anbau über eigene Standfestigkeit verfügt. Das durch den Anbau entstandene Gesamtgebäude kann aber steuerlich ggf. als (im Vergleich zum bisherigen Gebäude) anderes oder sogar neues Wirtschaftsgut anzusehen sein, sodass eine neue Bemessungsgrundlage und neue Methode der Abschreibung zu ermitteln wären (BFH, Urteil vom 05.12.1974, Az. V R 30/74).
Dafür ist erforderlich, dass die neu eingefügten Teile (= der Anbau) dem Gesamtgebäude das Gepräge geben. Dies ist anhand der Größen- und Wertverhältnisse von Anbau und Altgebäude zueinander zu bestimmen. Dominiert der Anbau, kommt ab dessen Fertigstellung die höhere Abschreibung mit drei Prozent in Betracht. Anderenfalls liegen nachträgliche Herstellungskosten vor, die mit dem Altgebäude nach der bisherigen Methode abgeschrieben werden.
Beispiel |
Ein vermietetes Mehrfamilienhaus (Baujahr 1960, 300 m2 Nutzfläche, Anschaffungskosten 700.000 Euro) wird im rückwärtigen Bereich um einen Anbau erweitert, in dem zwei weitere Wohnungen (Nutzfläche 150 m2) entstehen. Der Anbau verfügt nicht über einen separaten Eingang und hat keine eigene Standfestigkeit. Für den Anbau entstehen Herstellungskosten in Höhe von 300.000 Euro. Folge: Der Anbau ist baulich mit dem Bestandsgebäude verbunden und daher kein selbstständiges Wirtschaftsgut. Die nachträglichen Herstellungskosten erhöhen die bisherige Bemessungsgrundlage der Abschreibung und sind einheitlich mit dem Altgebäude abzuschreiben (mit zwei Prozent jährlich). Es entsteht kein anderes Wirtschaftsgut, da der Anbau sowohl kleiner ist als der Altbau und auch geringere Herstellungskosten entstanden sind. Der neue, höhere Abschreibungssatz von drei Prozent ist damit nicht anwendbar. |
Wichtig | Für die Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau nach § 7b EStG gelten andere Kriterien. Hier ist es unerheblich, ob ein Anbau oder Umbau zum Entstehen eines selbstständigen Wirtschaftsguts, eines „neuen“ Wirtschaftsguts oder lediglich zu nachträglichen Herstellungskosten des bestehenden Gebäudes führt. Entscheidend ist nur das Schaffen neuer, bisher nicht vorhandener Mietwohnungen. Im Beispiel kann daher zwar die höhere Abschreibung mit drei Prozent nicht genutzt werden, aber für die neugeschaffenen Wohnungen ist die Sonderabschreibung nach § 7b EStG unter den (durch das JStG 2022 geänderten) Voraussetzungen möglich.
Das gilt beim Dachgeschossausbau
Wird ein Dachgeschoss, das bisher nur zu Abstellzwecken genutzt worden ist, zu einer Wohnung ausgebaut, entsteht regelmäßig kein selbstständiges Wirtschaftsgut. Daher muss die Abschreibung auch nach dem Ausbau einheitlich mit zwei Prozent jährlich ermittelt werden. Allerdings erhöht sich die Bemessungsgrundlage der AfA des Bestandsgebäudes (nachträgliche Herstellungskosten). Und auch die Sonderabschreibung nach § 7b EStG kommt in Betracht.
Das gilt bei einem wesentlichen Umbau des Altgebäudes
Auch die tiefgreifende bauliche Umgestaltung eines Gebäudes kann dazu führen, dass ein neues Wirtschaftsgut geschaffen wird. Nämlich dann, wenn das bisherige Gebäude im Wesen geändert und so tiefgreifend umgestaltet wird, dass die eingefügten neuen Teile der Gesamtsache das Gepräge geben und die alten Bauteile nur noch von untergeordneter Bedeutung sind. Insbesondere das überwiegende Ersetzen der tragenden Gebäudeteile (z. B. tragende Wände, Geschossdecken, Dachkonstruktion) führt zu einem neuen Wirtschaftsgut, für das aus dem Restwert des alten Gebäudes und den Umbaukosten eine neue Bemessungsgrundlage zu bestimmen ist, auf die der höhere Abschreibungssatz von drei Prozent anzuwenden ist.
Beispiel |
In einem vormaligen Fabrikgebäude entstehen durch einen Umbau große Loft-Wohnungen. Dabei werden die tragenden Innenwände versetzt und erweitert sowie Zwischendecken ersetzt. Die eingefügten neuen Teile geben der Gesamtsache das Gepräge, sodass in bautechnischer Sicht ein Neubau vorliegt. Folge: Die Anschaffungskosten des Gebäudes zzgl. der Umbaukosten sind nach dem Umbau mit jährlich drei Prozent abzuschreiben. |
Nutzungsänderung reicht für höhere AfA nicht aus
Eine geänderte Zweckbestimmung infolge der Umbaumaßnahmen reicht nicht aus, wenn die tragenden Teile des Gebäudes unverändert bleiben. So führt etwa die Umgestaltung von Büroräumen in eine Wohnung oder umgekehrt nicht dazu, dass dafür der höhere AfA-Satz angesetzt werden darf. Auch die (außerordentliche) Höhe des Sanierungsaufwands führt nicht dazu, dass ein neues Gebäude entsteht, das fortan mit drei Prozent abgeschrieben werden kann. Es bleibt bei zwei Prozent.
Fazit | Bei umfangreicheren Umbauten an Bestandsgebäuden ist ab 2023 über das Entstehen nachträglicher Herstellungskosten oder eines selbstständigen Wirtschaftsguts hinaus zu prüfen, ob diese mit dem höheren Satz von drei Prozent abgeschrieben werden können. Besonders für Anbauten ist der höhere AfA-Satz greifbar. |
AUSGABE: SSP 5/2023, S. 18 · ID: 49251707