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Personalmanagement Pflicht zur Erfassung und Aufzeichnung von Arbeitszeiten: Das hat das BAG im Detail gesagt

Abo-Inhalt27.12.202210673 Min. Lesedauer

| Im September hatte das BAG mit einer Pressemitteilung, in der es die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erfassung und Aufzeichnung von Arbeitszeiten bejaht hatte, für große Furore gesorgt. Jetzt liegen die Entscheidungsgründe vor. Diese enthalten eine Reihe von Präzisierungen. PBP liefert Ihnen die wichtigsten Punkte, die sich aus der neuen Rechtslage für die Zeiterfassung in Ihrem Büro ergeben. |

Der Hintergrund zur BAG-Entscheidung

Der Entscheidung des BAG bezieht sich auf die Vorgaben des europäischen Arbeitszeitrechts; es spielt damit auf das Urteil des EuGH vom 19.05.2019 (Rs. C-55/18, Abruf-Nr. 215595) zur Zeiterfassung an. Dort hielt es der EuGH für geboten, Arbeitgeber zu verpflichten, ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ einzurichten, mit dem die von einem jeden Mitarbeiter geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings bislang nicht auf das EuGH-Urteil reagiert. Nunmehr hat das BAG dem Urteil des EuGH quasi auf dem Umweg des Arbeitsschutzgesetzes auch ohne eine Gesetzesänderung zur faktischen Durchsetzung auch im deutschen Arbeitsrecht verholfen.

Entscheidungsgründe enthalten Präzisierungen für die Praxis

Die Begründung der Entscheidung des BAG enthält eine Reihe von Konkretisierungen für die betriebliche Zeiterfassung, gerade im Hinblick auf Form und Umfang der Zeiterfassung und in puncto Vertrauensarbeitszeit (BAG, Beschluss vom 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21, Abruf-Nr. 231296).

Die wichtigsten Punkte in puncto betriebliche Zeiterfassung

Aus unserer Sicht ergeben sich aus der Entscheidung die folgenden wichtigsten Punkte für die betriebliche Zeiterfassung.

Die wichtigsten Punkte

1.

Es besteht auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Mitarbeiter zu erfassen und aufzuzeichnen.

2.

Die Erfassung von Beginn und Ende der Pausen oder privaten Arbeitsunterbrechungen ist nicht zwingend geboten.

3.

Eine bestimmte Form der Erfassung und Aufzeichnung von Arbeitszeiten besteht nicht. Bei der Umsetzung der Zeiterfassung haben Sie weite Gestaltungsspielräume.

4.

Die Delegation der Erfassung und Aufzeichnung von Arbeitszeiten auf den einzelnen Mitarbeiter ist zulässig; der Mitarbeiter kann aber nicht freiwillig auf die Erfassung verzichten.

5.

Die Verletzung der durch das Arbeitsschutzgesetz begründeten Aufzeichnungspflicht kann nicht zu unmittelbaren Sanktionen der Aufsichtsbehörden führen.

6.

Es besteht keine Verpflichtung, eine betriebliche Zeitkontenführung zu etablieren. Vertrauensarbeitszeit bleibt als Arbeitszeitmodell möglich, solange die arbeitszeitgesetzlichen Grenzen beachtet und durch entsprechende Zeiterfassung überwacht werden.

7.

Der Betriebsrat hat kein Initiativrecht zur Erzwingung einer elektronischen Zeiterfassung, ist jedoch bei der Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems zu beteiligen.

8.

Eine gesetzliche Vorgabe für die Aufbewahrungsfrist aufgezeichneter Arbeitszeitdaten besteht nur im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes, nicht für die erweiterte Aufzeichnungspflicht.

9.

Unternehmen müssen sich auf eine arbeitszeitgesetzliche Neuregelung der Zeiterfassungspflicht einstellen.

Verpflichtende Zeiterfassung für leitende Angestellte?

Viele Büroinhaber beschäftigt nach Veröffentlichung der Begründung zur BAG-Entscheidung insbesondere die Frage, ob die Pflicht zur Erfassung und Aufzeichnung der Arbeitszeit auch für leitende Angestellte gilt.

Leitende Angestellte im Planungsbüro

Leitende Angestellte sind Mitarbeiter, die in ihrem Verantwortungsbereich unternehmerische Aufgaben mit großer Entscheidungsfreiheit wahrnehmen. Im Planungsbüro können das z. B. Projektleiter, Fachbereichsleiter oder Organisationsleiter sein.

BAG bleibt klare Antwort schuldig

U. E. gilt die Pflicht zur Erfassung und Aufzeichnung der Arbeitszeit auch für leitende Angestellte. Denn in den Entscheidungsgründen des BAG heißt es: „Die sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz ergebende Verpflichtung der Arbeitgeber, ein System einzuführen und zu verwenden, mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten einschließlich Überstunden erfasst werden, bezieht sich auf alle im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer i. S. v. § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG.“

Das bedeutet: Die Verpflichtung gilt gegenüber allen Mitarbeitern, für die das Arbeitsschutzgesetz gilt. Diesem unterliegen – im Gegensatz zum Arbeitszeitgesetz – auch leitende Angestellte. In der Folge müsste die Pflicht zur Erfassung und Aufzeichnung von Arbeitszeiten auch für sie gelten. Dies erscheint insbesondere auch dann stringent, wenn man einen Blick auf die Intention hinter der BAG-Entscheidung wirft. Denn: Das BAG bekräftigt mit seinem Urteil die Wichtigkeit des Gesundheitsschutzes von Mitarbeitern. Dazu sind die Einhaltung der Höchstarbeitszeit und das Wahrnehmen von Ruhezeiten unerlässlich. Um dies zu gewährleisten, wird der Arbeitgeber durch das BAG-Urteil verpflichtet, ein Arbeitszeiterfassungssystem bereitzustellen. Das muss – auch wenn weder die Entscheidung des BAG noch deren Begründung diese Pflicht explizit benennt – aus Gründen des Arbeitsschutzes auch für leitende Angestellte gelten.

Wichtig | Die Frage ist in Literatur und Praxis umstritten. Erst eine vom Gesetzgeber einzuführende Regelung wird es ermöglichen, leitende Angestellte von der Arbeitszeiterfassung nach dem Arbeitsschutzgesetz auszunehmen. Eine Berufung auf die im Arbeitszeitgesetz bereits vorgesehene Entbindung der leitenden Angestellten von der Zeiterfassungspflicht ist nicht möglich. Bis zu einer Gesetzesänderung empfiehlt Ihnen PBP, auf Nummer sicher zu gehen und auch für leitende Angestellte eine Zeiterfassung einzuführen.

AUSGABE: PBP 1/2023, S. 26 · ID: 48959207

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