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HonorarsicherungDas „kleine Einmaleins des AGB-Rechts“ und was es Ihnen in punkto Honorarsicherung nutzt

Abo-Inhalt27.12.20228731 Min. LesedauerVon Thomas Ryll, Syndikusrechtsanwalt, Prokurist und Gl. Vertragsmanagement bei a|sh sander.hofrichter architekten GmbH, Ludwigshafen

| Der Wegfall des verbindlichen Preisrechts wird von den planenden Berufen mit Recht beklagt, ist aber unumkehrbar. Gleichwohl sind Sie auch im Anwendungsbereich der HOAI 2021 nicht schutzlos gestellt: Das Recht der Allgemeinen Vertragsbedingungen (AGB) kann zur Honorarsicherung beitragen, indem es unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen von der HOAI einen Riegel vorschiebt. PBP verschafft Ihnen einen ersten Überblick. |

Relevanz des AGB-Rechts für Verträge der Planer

Die AGB-Inhaltskontrolle unterscheidet sich grundlegend von der Mindestsatzkontrolle. Bei der Mindestsatzkontrolle wird das vereinbarte Gesamthonorar mit dem fiktiven Mindestsatzhonorar verglichen. Unterschreitet das vereinbarte Gesamthonorar das fiktive Mindestsatzhonorar, besteht ein entsprechender Ausgleichsanspruch. Demgegenüber ist die AGB-Inhaltskontrolle nicht auf einen Gesamtvergleich gerichtet, sondern auf eine isolierte Klauselkontrolle. Hält die betreffende Klausel der AGB-Inhaltskontrolle nicht stand, ist sie unwirksam. Dies gilt unabhängig davon, ob die Mindestsätze unterschritten werden oder nicht.

Beispiel

Ein Architekt wird von einem Krankenhausträger mit Leistungen der Objektplanung Gebäude und Innenräume beauftragt. Der Auftrag umfasst Umbaumaßnahmen in bestehenden Klinikgebäuden und die Errichtung eines neuen, baulich selbstständigen OP-Zentrums. Vertraglich wird vereinbart, dass die anrechenbaren Kosten aller Objekte entgegen § 11 Abs. 1 HOAI zusammenzufassen sind.

Folge: Der Architekt könnte hier die aufgehobene Objekttrennung auch dann AGB-rechtlich angreifen, wenn aufgrund der im Übrigen vereinbarten Honorarparameter keine Mindestsatzunterschreitung anzunehmen ist.

Grundzüge der AGB-Inhaltskontrolle

AGB, die in den Vertrag einbezogen wurden, sind einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle wird überprüft, ob eine bestimmte Vertragsbedingung entgegen den Geboten von Treu und Glauben zu einer unangemessenen Benachteiligung führt. Trifft das zu, ist die Klausel unwirksam. Es gelten dann die gesetzlichen Vorschriften, von denen mit der unwirksamen Klausel abgewichen wurde. Die Prüfschritte im schematischen Überblick:

Schritt 1: Ist der Anwendungsbereich des AGB-Rechts eröffnet?

Architekten- und Ingenieurverträge unterfallen dem Anwendungsbereich des AGB-Rechts. Obwohl das AGB-Recht originär Verbraucherschutzrecht ist, können sich grundsätzlich – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – auch Unternehmer darauf berufen (§ 310 Abs. 1 BGB).

Wichtig | In diesem Beitrag soll es ausschließlich um die Konstellation gehen, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer die Vertragsbedingungen stellt und beide Parteien „Unternehmer“ sind („b2b“-Konstellation).

Schritt 2: Handelt es sich um AGB?

AGB sind legaldefiniert als alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (sog. Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt (§ 305 Abs. 1 BGB). Ob die Bedingungen im Vertragstext selbst oder in einer Anlage enthalten sind, spielt ebenso wenig eine Rolle wie der Umfang, die Schriftart und die Form im Übrigen; AGB sind also nicht nur „das Kleingedruckte“. AGB liegen indes nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

Wichtig | Die Beantwortung der Frage, ob AGB im Rechtssinne vorliegen, ist mitunter überaus schwierig. Zwei typische Einwände des Verwenders lauten: „Es handelt sich nicht um AGB, weil…

  • … die Vertragsbedingungen nur für diesen einen Vertrag und nicht für eine Vielzahl von Verträgen (vor-)formuliert sind“: Nach der Rechtsprechung genügt es, wenn der Auftraggeber die dreimalige Verwendung der vorformulierten Vertragsbedingungen beabsichtigt. Es ist nicht erforderlich, dass die Bedingungen tatsächlich mehrfach verwendet werden, da es alleine auf die Absicht zur Mehrfachverwendung ankommt. Das ist auch dann anzunehmen, wenn ein Dritter die vom Verwender gestellte Bedingung zur mehrfachen Verwendung vorformuliert hat (z. B. ein vom Verwender beauftragter Rechtsanwalt). Dies hat zur Folge, dass AGB auch dann vorliegen, wenn sie von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, der Verwender sie aber nur in einem einzigen Vertrag verwenden will. Das ist typischerweise bei Vertragsmustern der Bauverwaltungen anzunehmen. Handelt es sich nicht um ein Vertragsmuster, kann der Nachweis von Ihnen dadurch geführt werden, dass Sie einen weiteren, in etwa gleichlautenden Vertrag vorlegen (z. B. aus Vergabeverfahren für andere Planungsleistungen des gleichen Bauvorhabens).
  • … im Einzelnen ausgehandelt worden sind“: Die Anforderungen an ein „Aushandeln“, das die AGB-Kontrolle ausschließt, sind hoch. Die Rechtsprechung betont gebetsmühlenartig: Aushandeln ist mehr als ein Verhandeln! Die Bekundung allgemeiner Verhandlungsbereitschaft genügt für sich genommen ebenso wenig wie die Übersendung eines Vertragsentwurfs und die damit eingeräumte Möglichkeit, Änderungen vorzuschlagen. Vielmehr muss der Verwender sich ernsthaft zur Änderung des wesentlichen Klauselinhalts bereit erklären. Insbesondere wenn der Verwender auf Grundlage einer Verhandlungsdokumentation nachweisen kann, dass die angegriffene Klausel auf Ihr Verlangen geändert wurde, kann von einem Aushandeln die Rede sein. Wichtig: Ein Aushandeln einzelner Vertragsklauseln ändert nichts daran, dass die übrigen, unveränderten Klauseln AGB bleiben.

Wichtig | Generalplaner unterliegen einem besonderen Risiko. Stellt der Generalplaner eine mit seinem Auftraggeber „im Einzelnen ausgehandelte“ Klausel an seine Subplaner durch, wird die Klausel aufgrund der Mehrfachverwendung im Vertragsverhältnis zwischen dem Generalplaner und seinen Subplanern zur AGB. Während die Subplaner gegenüber dem Generalplaner also die AGB-rechtliche Unwirksamkeit einwenden können, ist dem Generalplaner dieser Einwand im Verhältnis zu seinem Auftraggeber abgeschnitten.

Schritt 3: Sind die AGB wirksam in den Vertrag einbezogen worden?

Die Einbeziehung ist dann unproblematisch, wenn der Vertragstext selbst die AGB enthält. Im unternehmerischen Rechtsverkehr genügt grundsätzlich auch der Verweis auf ein externes Klauselwerk, das nicht körperlich oder digital übergeben wird.

Schritt 4: Halten die AGB der Inhaltskontrolle stand?

AGB-Klauseln sind unwirksam, wenn sie den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (sog. gesetzliches Leitbild), von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Die Bestimmungen der HOAI sind gesetzliches Leitbild für die Inhaltskontrolle. Dies gilt nach verbreiteter, aber höchstrichterlich noch nicht bestätigter Rechtsauffassung auch nach dem Wegfall des zwingenden Preisrechts im Anwendungsbereich der HOAI 2021, sofern ein HOAI-Berechnungshonorar vereinbart ist. Pauschal- oder Zeithonorarvereinbarungen können indes nicht im Rahmen der AGB-Inhaltskontrolle an der HOAI gemessen werden.

Die folgenden Beispielsklauseln weichen vom gesetzlichen Leitbild der HOAI ab. Sie könnten daher AGB-rechtlich unwirksam sein:

Beispiele

  • Die anrechenbaren Kosten sollen sich nach den vom Auftraggeber „genehmigten Kosten“ richten (Abweichung von §§ 4, 6 HOAI).
  • Eine tatsächlich mitzuverarbeitende Bausubstanz soll bei der Honorierung unberücksichtigt bleiben (Abweichung von § 4 Abs. 3 HOAI).
  • Die anrechenbaren Kosten sollen auch dann zusammengefasst werden, wenn es sich um mehrere Objekte handelt (Abweichung von § 11 Abs. 1 HOAI).
  • Die Kostengruppen 210, 230 und/oder 610 sollen selbst dann nicht anrechenbar sein, wenn der Auftragnehmer tatsächlich entsprechende Leistungen erbringt (Abweichung von § 33 Abs. 3 HOAI).
  • Die Vergütung einer Änderung soll von deren Wesentlichkeit, einer vorherigen Ankündigung und/oder vom Abschluss der jeweiligen Leistungsphase abhängig sein (Abweichung von § 10 HOAI).
  • Auf Abschlagszahlungen sollen nur 95 Prozent des Honorars für die nachgewiesenen Leistungen gewährt werden (Abweichung von § 15 HOAI und § 632a BGB).

Schritt 5: Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit

Benachteiligt die Klausel den Auftragnehmer unangemessen, ist (nur) diese Klausel unwirksam; im Übrigen bleibt der Vertrag wirksam (§ 306 BGB). An die Stelle der unwirksamen Klausel treten die gesetzlichen Vorschriften, zu denen das Preisrecht der HOAI – unabhängig von dessen Verbindlichkeit – zählt. Die Unwirksamkeit der Vertragsbedingung führt folglich dazu, dass die Regelung der HOAI, von der abgewichen wurde, anzuwenden ist.

Im eingangs dargestellten Beispielsfall könnte der Architekt die getrennte Abrechnung der Objekte nach § 11 Abs. 1 HOAI verlangen, wenn die AGB-Rechtswidrigkeit der hiervon abweichenden Vertragsbestimmung – ggf. gerichtlich – festgestellt wird.

Kann man das AGB-Recht umgehen?

Bestrebungen, das AGB-Recht zu umgehen, haben übrigens selten Aussicht auf Erfolg. Das in § 306a BGB verankerte Umgehungsverbot wird in der Rechtsprechung konsequent durchgesetzt. So führen bspw. vorformulierte Bestätigungsklauseln, denen zufolge ein Aushandeln sämtlicher Vertragsbedingungen stattgefunden hat, nicht etwa zur Unanwendbarkeit des AGB-Rechts. Vielmehr sind derartige Bestimmungen ihrerseits als AGB einzuordnen und in aller Regel unwirksam.

Selbst handschriftliche Eintragungen in Verhandlungsprotokollen sind nicht automatisch Individualvereinbarungen (§ 305b BGB), die die AGB-Inhaltskontrolle ausschließen. Hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Vom Verwender vorgenommene Eintragungen werden z. B. aber regelmäßig als AGB angesehen.

Fazit | Das AGB-Recht kann ein scharfes Schwert zur Wahrung Ihrer Rechte sein. Denken Sie immer dann ans AGB-Recht, wenn Sie nach Vertragsschluss feststellen, dass der Vertrag Honorarregelungen enthält, die von der HOAI abweichen. Das ist ein erstes Indiz dafür, dass eine unangemessene Benachteiligung vorliegen könnte, die zur AGB-rechtlichen Unwirksamkeit führt und damit den für Sie günstigen Rückfall auf die HOAI nach sich zieht. Vor Vertragsschluss besteht in der Regel die Möglichkeit, über den Inhalt des Vertrags und etwaige – Sie benachteiligende – Klauseln zu verhandeln. Doch Vorsicht: Sind den streitigen Vertragsregelungen intensive Vertragsverhandlungen vorausgegangen, kann die Einordnung als AGB zu verneinen sein – dann sind Sie an die Klausel gebunden. Konsultieren Sie für die abschließende Beurteilung einen Rechtsanwalt.

Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Nachtragsabwehrklauseln: So erkennen Sie sie und gehen richtig damit um“, PBP 10/2022, Seite 4 → Abruf-Nr. 48555133
  • Beitrag „Bürgschaften am Bau: Das müssen Architekten und Fachplaner wissen“, PBP 5/2017, Seite 20 → Abruf-Nr. 44632799
  • Beitrag „Die Vertragserfüllungsbürgschaft: Das müssen Architekten und Fachplaner wissen“, PBP 6/2017, Seite 15 → Abruf-Nr. 44697656

AUSGABE: PBP 1/2023, S. 8 · ID: 48564562

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