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HonorargestaltungKabeltiefbau: Was ist das und wie sind relevante Planungsleistungen wo zu vergüten?
| Der „Kabeltiefbau“ ist komplex und sowohl „leistungstechnisch“ als auch honorarrechtlich nicht leicht zu fassen. PBP versucht, Licht ins Leistungs- und Honorardunkel zu bringen. |
Die Praxis: Ein babylonisches Sprachgewirr
Verkehrsanlagenbauherren und -planer (insbesondere die DB AG) nutzen häufig den Begriff „Kabeltiefbau“. Fragt man, was damit gemeint sei, erhält man vielfältigste Antworten. „Das sind die Erdarbeiten für die Verlegung von Kabeln“ oder „das sind die Leerrohrsysteme und Kabelkanäle“ oder auch Fundamente, Schächte, Sockel etc. für z. B. Haltestellenausrüstungen.
Bisweilen handelt es sich um ausgedehnte Anlagen, die sich z. B. entlang jeder Bahnstrecke über viele Kilometer erstrecken oder um komplexe Leerrohrnetze, die jede Ecke einer Straßenkreuzung zwecks Verkabelung einer dort befindlichen Lichtsignalanlage erreichen müssen.
Wie bekommt man dieses babylonische Sprachgewirr so gelöst, dass „alle Beteiligten eine gemeinsame Sprache sprechen“?
Nur ein Objekt oder mehrere?
Zunächst ist zu bestimmen, welche Objekte vorliegen bzw. was die Anlagen und Bauwerke des Kabeltiefbaus bezwecken sollen.
Die Objektzuordnung am Anwendungsfall innerörtlicher Knotenpunkt
Da ist z. B. ein innerörtlicher Knotenpunkt, der gemäß § 46 Nr. 1 HOAI eine Anlage des Straßenverkehrs darstellt. Das Objekt ist der Knotenpunkt. Soll eine Lichtsignalanlage an diesem Knotenpunkt errichtet werden, ist sie für diesen Knotenpunkt bestimmt. Sie erfüllt deshalb die Anforderungen gemäß § 53 Abs. 1 HOAI (… für Objekte).
Die Lichtsignalanlage ist in das Leistungsbild Technische Ausrüstung und hier in die Anlagengruppe 5 – Fernmelde- und informationstechnische Anlagen einzuordnen, was sich aus der DIN 276, KG 458 ergibt. Um die Lichtsignalanlage betreiben zu können, müssen Kabel verlegt werden. Üblicherweise erfolgt dies in Leerrohren, die rund um den Knotenpunkt verlegt werden.
Leerrohrnetz als eigenes Objekt
Solche Leerrohre sind aber keine Verkehrsanlage. Sie sind auch nicht eine technische Ausrüstung für die Verkehrsanlage und auch nicht Bestandteil der Verkehrsanlage. Vielmehr sind Leerrohre und Leerrohrnetze in der Anlage 12.2 zur HOAI und dort in der Gruppe 4 – Bauwerke und Anlagen für Ver- und Entsorgung – aufgeführt. Es handelt sich deshalb um Bauwerke/Anlagen, die in das Leistungsbild Ingenieurbauwerke eingeordnet sind.
Bereits dies führt dazu, dass es sich um ein eigenständiges Objekt handelt, das getrennt von der Verkehrsanlage abzurechnen ist. Denn leistungsbildübergreifende Objekte gibt es nicht (BGH, Urteil vom 30.09.2004, Az. VII ZR 192/03, Abruf-Nr. 042799).
Das gilt natürlich nicht nur für Leerrohrnetze an Straßenkreuzungen, sondern für Leerrohrnetze jeglicher Art und damit auch für die Kabelkanäle entlang von Bahnstrecken. Es kommt nämlich nicht darauf an, aus welchem Material ein Leerrohr besteht oder welche Form es hat oder ob es oberflächennah, unterirdisch oder oberirdisch verlegt wird. Leerrohr ist Leerrohr.
Einzelne Leerrohrnetze können eigenständige Objekte sein
Neben dem Objekt Knotenpunkt im Leistungsbild Verkehrsanlage besteht deshalb ein Objekt Leerrohrnetz im Leistungsbild Ingenieurbauwerke sowie das Objekt Lichtsignalanlage im Leistungsbild Technische Ausrüstung. Werden mehrere Leerrohrnetze, die keine Verbindung zueinander haben, also lediglich nebeneinander verlegt, so handelt es sich um mehrere Objekte, da diese sowohl funktional als auch konstruktiv eigenständig sind.
Dies alles gilt für Leerrohre für z. B. Straßenbeleuchtungen und anderes mehr in gleicher Weise. Es kommt nicht darauf an, was in dem Leerrohr verlegt wird bzw. werden soll. Es kommt einzig und allein darauf an, ob es sich um ein Leerrohr handelt.
Zu den Leerrohren bzw. Leerrohrnetzen gehören alle Bauteile, wie z. B. die Kabelschächte und die Erdarbeiten, Absicherungen etc. Wird im Einzelfall ein Verbau benötigt, so stellt der Verbau, wie jeder andere Baugrubenverbau auch, ein eigenständiges Objekt im Leistungsbild Ingenieurbauwerke dar (Stützbauwerk, Anlage 12.2 zur HOAI, Gruppe 7).
Andere Objekte
Dies gilt aber nicht für z. B. Haltestellenanzeiger und deren Fundamente. Denn solche Informationstafeln/-anlagen sind Anlagen der Technischen Ausrüstung in der Anlagengruppe 5 (KG 450 der DIN 276). Und zur Anzeigentafel bzw. dem Haltestellenanzeiger gehört, wie bei jedem anderen Bauwerk auch, das Fundament. Bauteile wie Sockel oder Fundamente gehören gerade nicht zu den Leerrohrsystemen und damit auch nicht zum „Kabeltiefbau“.
Das Honorar
Wie bereits ausgeführt, setzt sich der sog. Kabeltiefbau aus mehreren Anlagen bzw. Bauteilen zusammen. Nach den Bestimmungen der HOAI sind deshalb getrennt abzurechnen
- die Verkehrsanlage (Knotenpunkt, Straße, Bahnstrecke),
- das Leerrohrsystem (ggf. als Ingenieurbauwerk),
- die Lichtsignalanlage (Technische Ausrüstung, Anlagengruppe 5),
- die Beleuchtung (Technische Ausrüstung. Anlagengruppe 4) und
- das Fundament bzw. der Sockel für Anzeigetafeln o. ä. (Technische Ausrüstung, Anlagengruppe 5, aber nicht für die Straße, wie die Lichtsignalanlage, sondern für die Bushaltestellen)
Sofern von den Anzeigetafeln nur das Fundament geplant werden soll, ändert das nichts daran, dass es sich um eine Leistung im Leistungsbild Technische Ausrüstung handelt. Denn der Mast gehört zum Objekt. Nach dem Urteil des BGH (vom 23.02.2006, Az. VII ZR 168/04, Abruf-Nr. 061125) ist es durchaus möglich, dass ein Objekt nur aus Teilen besteht. Es ist nicht erforderlich, dass die gesamte Objektplanung übertragen wird. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn die Anzeigetafeln vom Planer A und die Fundamente vom Planer B geplant werden sollen. Dann ist jedem Planer nur ein Teil des jeweiligen Objekts übertragen.
Das kann vollständig auf Schienenverkehrsanlagen sowie Bauwerke und Anlagen an oder für Schienenverkehrsanlagen übertragen werden. Neben klassischen Leerrohren bzw. Leerrohrsystemen werden bei Bahnanlagen trassenbegleitend sog. Kabeltröge verlegt. Darin werden dann Stromkabel, LWL-Anlagen, Steuerkabel und anderes mehr verlegt.
Auf dem obigen Bild ist zu sehen, dass solche Systeme keineswegs aus einfach immer geradeaus verlegten Formteilen bestehen, sondern in Achse und Gradiente eine eigenständige Planung erfordern und bereichsweise aus mehreren, nebeneinanderliegenden Anlagen bestehen. Es handelt sich deshalb nicht um in der Regel Anlagen mit einfachen Planungsanforderungen (Honorarzone I oder II). Vielmehr ist die Honorarzone nach dem jeweiligen Einzelfall zu bestimmen (vgl. § 44 Abs. 2 ff HOAI).
Die Zuordnungs-
regeln kennen und auch so vereinbaren Fazit | Der Begriff „Kabeltiefbau“ wird sehr missverständlich verwendet und in der Regel aber fälschlicherweise dem Objekt im Leistungsbild Verkehrsanlagen zugeordnet. Tatsächlich handelt es sich bei Leerrohrsystemen inkl. der Schächte um Objekte im Leistungsbild Ingenieurbauwerke. Fundamente bzw. Sockel für Maste oder ähnliches gehören zur jeweiligen Anlage der Technischen Ausrüstung und sind nach den Bestimmungen der HOAI dort abzurechnen. Den Parteien ist zu raten, die zu übertragenden Leistungen und das Honorar sorgsam und unmissverständlich zu vereinbaren. |
AUSGABE: PBP 1/2023, S. 16 · ID: 48748808