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VertragsrechtPer E-Mail zugegangenes Vergleichsangebot: Widerruf ist schier unmöglich
| Eine E-Mail hat u. a. die Folge, dass sie den Adressaten kurz nach ihrer Absendung erreicht. Das schränkt die Möglichkeit erheblich ein, ein per E-Mail versendetes Vergleichsangebot durch eine weitere E-Mail zu widerrufen. Das lehrt eine Entscheidung des BGH. |
Um diesen Fall ging es beim BGH
Im konkreten Fall hatte der Bauherr einen Fassadenbauer beauftragt, die Außenwand eines Objekts zu begrünen – das Auftragsvolumen betrug rund 250.000 Euro. Nach Fertigstellung stritten die Parteien darum, ob diverse Kürzungen berechtigt waren. Schließlich unterbreitete der Gartenbauer per E-Mail ein Vergleichsangebot. Sollte der Bauherr diese Summe zahlen, würde er keinerlei weitere Forderung erheben. Diese E-Mail erreichte den Bauherrn an einem Werktag zur Geschäftszeit.
Eine Dreiviertelstunde später folgte eine weitere Mail, dass die Forderung noch nicht geprüft, die vorherige Mail folglich irrelevant sei. Einige Tage später legte der Fassadenbauer eine neue Schlussrechnung vor. Der Bauherr zahlte eine Woche nach dem Angebot aber nur den Betrag aus dem ersten Vergleichsangebot. Den offenen Betrag wollte der Fassadenbauer einklagen.
Erstes Angebot war konkludent angenommen worden
Damit scheiterte er aber sowohl vor dem KG als auch vor dem BGH (Urteil vom 06.10.2022, Az. VII ZR 895/21, Abruf-Nr. 232130).
Das Angebot, einen Vergleich nach § 779 BGB zu schließen, sei durch die Zahlung angenommen worden. Diese Willenserklärung werde nur dann nicht wirksam, wenn sie vor oder gleichzeitig mit dem Zugang widerrufen werde. Hier sei der Widerruf aber erst eine Dreiviertelstunde später erfolgt. Eine abschließende Entscheidung darüber, wann eine E-Mail als zugegangen gelte, müsse dabei hier nicht getroffen werden. Jedenfalls eine zu üblichen Geschäftszeiten an eine im unternehmerischen Verkehr benutzte Adresse gesandte und auf dem Mailserver abrufbereite E-Mail sei zu diesem Zeitpunkt zugegangen. Ein tatsächlicher Abruf und eine Kenntnisnahme seien nicht erforderlich. Dadurch dass der Bauherr die Vergleichssumme gezahlt habe, habe er das Angebot konkludent angenommen. Die eine Woche bis zum Zahlungseingang sei noch innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB.
- Beitrag „Es geht um große Beträge: Achten Sie bei einem Honorar-Vergleich auf jedes Wort“, PBP 1/2014, Seite 10 → Abruf-Nr. 42419229
- Beitrag „Vergleich kann sich nur auf bestimmten Vertragsteil beziehen“, PBP 5/2015, Seite 1 → Abruf-Nr. 43335127
AUSGABE: PBP 1/2023, S. 21 · ID: 48726218