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Mahnkosten im B2BMehrfache Verzugspauschale bei Forderungsmehrheit
| Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, nach § 288 Abs. 5 BGB einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 EUR. Für die Praxis stellt sich die Frage, ob die Mahnpauschale für jede einzelne Forderung mehrfach oder nur einmal anfällt und ob dabei von Relevanz ist, ob diese Forderungen einzeln oder gemeinsam geltend gemacht werden. Mit einer solchen Situation hat sich das LG Darmstadt jüngst auseinandergesetzt. |
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt vom Beklagten vor dem Hintergrund vergangener Näheverhältnisse rückständige Mietzahlungen für eine Gewerbeimmobilie. Der beklagte Mieter war mit der Tochter der Geschäftsführerin der Klägerin verlobt. Der Beklagte mietete dann Kanzleiräume von der Klägerin für eine monatliche Miete von 700 EUR zzgl. USt., insgesamt 833 EUR. Nachdem sich Mieter und Tochter getrennt hatten, nutze der Mieter die Räume nicht mehr und zahlte von November 2022 bis Oktober 2023 keine Miete, worauf das Mietverhältnis im November 2023 fristlos und hilfsweise fristgemäß gekündigt wurde. Der Beklagte macht gegenüber der Mietforderung geltend, es habe sich um ein Scheingeschäft gehandelt, während die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die vorherigen Mietzahlungen auch als Betriebsausgabe in seiner Steuererklärung abgegeben. Neben der rückständigen Miete verlangt die Klägerin die Mahnpauschale von 40 EUR nach § 288 Abs. 5 BGB für jede der rückständigen 12 Monatsmieten, mithin insgesamt 480 EUR.
Entscheidungsgründe
Das LG hat nicht nur den Anspruch auf rückständige Miete, sondern auch den aus § 288 Abs. 5 BGB für jeden einzelnen Monat der rückständigen Miete für berechtigt erachtet (LG Darmstadt 14.3.25, 19 O 271/23, Abruf-Nr. 248593).
§ 288 Abs. 5 BGB regelt, dass im Verzugsfall ein gesetzlicher Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 EUR besteht. Voraussetzung ist eine Entgeltforderung, worunter auch der Anspruch auf die (gewerbliche) Miete fällt. Hiervon ist lediglich der Wohnungsmieter als Verbraucher nicht betroffen (MüKo/Ernst, BGB, 9. Aufl., § 288, Rn. 33). Der Anspruch entsteht mit Eintritt des Verzugs der Mietzahlung, § 286 Abs. 1 BGB. Eine Mahnung ist gemäß Art. 6 Abs. 2 Zahlungsverzugs-RL (RL 2011/7/EU) nicht erforderlich.
Der Beklagte ist durch das Ausbleiben der Mietzahlungen mehrfach in Verzug geraten. Bestehen zwischen denselben Parteien mehrere Forderungen, kann der Schuldner mit jeder dieser Forderungen in Verzug geraten. Dementsprechend kann die Pauschale auch mehrfach anfallen (MüKo/Ernst, a. a. O., § 288 Rn. 36; Dornis in: beck-online Großkommentar, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 1.6.24, § 288, Rn. 69).
Umstritten ist indes, ob bei periodisch entstehenden Forderungen wie dem Mietzins die Verzugspauschale mit jeder einzelnen Forderung neu entsteht (so etwa Grüneberg, BGB, § 288, Rn. 15). Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Norm, der von „einer“ Entgeltforderung spricht und daher den Schluss nahelegt, dass es auf jede einzelne Forderung ankommt, bei der hier gegenständlichen Mietforderung, also auf jeden einzelnen Monat des Mietzinses.
Wenn zweckmäßigerweise und zumutbar die Forderungsgesamtheit nur einmal verfolgt wird, kann nach anderer Ansicht auch die Verzugspauschale nur einmal verlangt werden (MüKo/Ernst, a. a. O.; Witschen/Röleke, NJW 17, 1702; Schulte-Nölke in: Dauner-Lieb/Langen, BGB, Schuldrecht, 4. Aufl., § 288 Rn. 18). Dafür spricht, dass der Aufwand des Gläubigers beim Verzug einer Forderungsgesamtheit aus demselben Rechtsgrund, die auch als Gesamtheit verfolgt wird, auf ein einmaliges Tätigwerden beschränkt und daher auch mit einer einmal anfallenden Pauschale angemessen abgebildet ist.
Gesetzgebungshistorisch ist zu sehen, dass nach dem Erwägungsgrund Nr. 19 der Zahlungsverzugs-RL (RL 2011/7/EU), die der deutsche Gesetzgeber mit § 288 Abs. 5 BGB umsetzen wollte, die Pauschale „eine gerechte Entschädigung der Gläubiger für die aufgrund eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten“ darstellen und „von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken“ soll. Während das gesetzgeberische Ziel der Abschreckung umso besser erreicht werden kann, je höher die Verzugspauschale insgesamt ausfällt, ist die Absicht, eine „gerechte Entschädigung für die Beitreibungskosten“ abzubilden, nur erfüllt, wenn man den tatsächlichen Aufwand der Beitreibung in den Blick nimmt.
Der EuGH hat zu der Frage bislang insoweit Stellung genommen, als dass bei einem Vertrag über periodisch wiederkehrende Lieferungen von Waren oder Erbringungen von Dienstleistungen die Verzugspauschale für jeden einzelnen Zahlungsverzug geschuldet sein soll (EuGH EuZW 23, 149; EuZW 23, 293). Ob dies auch im Fall eines Dauerschuldverhältnisses gelten soll, bei dem der Gläubiger der Entgeltforderung die Gegenleistung nicht periodisch erbringt, sondern wie bei einem Mietvertrag den Besitz an einer Sache einmal zu Beginn des Vertrages übergibt und dann der Schuldner der Entgeltforderung fortlaufend den Nutzen der Sache zieht, hat der EuGH bislang nicht entschieden.
Die Norm ist auch insoweit richtlinienkonform auszulegen, als der deutsche Gesetzgeber die Zahlungsverzugs-RL überschießend auch für Verträge außerhalb des „Geschäftsverkehrs“ umgesetzt hat (Martens, JuS 25, 199). Die Erwägungen des EuGH in den o. g. Entscheidungen sind auch auf einen Mietvertrag anzuwenden. Folge: Auch in einem solchen Fall kann die Verzugspauschale kumuliert werden. Denn auch in diesem Fall entsteht dem Gläubiger der Entgeltforderung mit jeder ausbleibenden Zahlung ein Verwaltungsaufwand (Buchhaltung, ggf. Refinanzierung), der unabhängig davon ist, ob die einzelnen Forderungen separat oder kumuliert beigetrieben werden.
Relevanz für die Praxis
Diese Erwägungen müssen auch durchgreifen, weil sonst ab der zweiten rückständigen Rate keine Motivation mehr geschaffen wird, zur Fälligkeit zu zahlen. Die Abschreckungswirkung würde also gänzlich entfallen.
Beachten Sie | Die Mahnpauschale nach § 288 Abs. 5 BGB, die auf Art. 6 Abs. 3 der EU-Verzugsrichtlinie beruht, ist auf die weiteren Rechtsverfolgungskosten anzurechnen (EuGH 11.4.19, C 131/18, Abruf-Nr. 210409).
AUSGABE: FMP 8/2025, S. 145 · ID: 50457250