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KreditvertragNegativzinsen, Verwahrentgelte und daraus erwachsende Rückforderungsansprüche
| Von Juni 2014 bis Juli 2022 mussten Geschäftsbanken im Euroraum Zinsen zahlen, wenn sie Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parkten. Viele Banken und Sparkassen gaben diese Kosten an ihre Kunden weiter und verlangten Verwahrentgelte (Negativzinsen), die in der Regel ab einem bestimmten Freibetrag fällig wurden. Eine Reihe von Gerichten hat diese Praxis für zulässig gehalten. Der BGH hat dem nun widersprochen und die Berechnung von Negativzinsen weitgehend für unzulässig erklärt. Für den Rechtsdienstleister und die betroffenen Kunden stellt sich nun die Frage, ob, wie und in welchen Fallkonstellationen die Negativzinsen ggf. zurückgefordert werden können. |
Die Streitfrage
Die Kläger – drei Verbraucherschutzverbände – wandten sich in vier Verfahren gegen die Praxis von Banken und Sparkassen, die im Zeitraum von 2020 bis 2022 von Verbrauchern Entgelte für die Verwahrung von Einlagen auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten erhoben hatten. Sie hielten die dazu verwandten Vertragsklauseln für unwirksam, da sie die Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligten (§ 307 BGB). Sie nahmen die Kreditinstitute jeweils darauf in Anspruch, es zu unterlassen, diese oder inhaltsgleiche Klauseln gegenüber Verbrauchern zu verwenden. Darüber hinaus verlangen die Kläger als Folgenbeseitigung die Rückzahlung der auf der Grundlage der Verwahrentgeltklauseln vereinnahmten Entgelte an die betroffenen Verbraucher.
Die Instanzgerichte habe die Klagen mit der Begründung abgewiesen, mit den Klauseln werde eine von den Kreditinstituten erbrachte Hauptleistung aus dem Girovertrag bzw. aus dem Vertrag über Tagesgeld- oder Sparkonten bepreist, sodass die Klauseln keiner Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterlägen. Es handele sich um ein Entgelt für die Verpflichtung der Institute, das Sparguthaben sicher zu verwahren und den Kunden zurückzugewähren.
Basiswissen: Inhaltskontrolle von AGB nach §§ 307 ff. BGB
AGB unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Greift keine der in §§ 308, 309 BGB explizit vorgesehenen Klauselverbote, ist die Generalklausel des § 307 BGB anzuwenden. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Daneben ist im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2, Nr. 1 BGB) oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2, Nr. 2 BGB). Keiner Inhaltskontrolle unterliegen jedoch Abreden über den unmittelbaren Gegenstand des Vertrags, also diejenigen Bestimmungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Hauptleistung und das vom anderen Teil zu zahlende Entgelt festlegen. Denn solche Bestimmungen legen nur den frei bestimmbaren Leistungsinhalt fest und nicht die Vertragsbedingungen, sodass diese nicht von gesetzlichen Regelungen abweichen können. Allerdings unterliegen auch solche Bestimmungen über die Hauptleistung dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und können daher unwirksam sein (§ 307 Abs. 3 S. 2 BGB).
Wie hat der BGH entschieden?
Der BGH (4.2.25, XI ZR 61/23, Abruf-Nr. 246740; XI ZR 65/23, Abruf-Nr. 246742; XI ZR 161/23, Abruf-Nr. 246741; XI ZR 183/23, Abruf-Nr. 246743) hat sich zunächst damit befasst, ob das Erheben von Verwahrentgelten (Negativzinsen) überhaupt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegt. Bei der Frage, ob es sich dabei um den Preis für eine Hauptleistung handelt, differenziert er zwischen Tagesgeld- und Sparkonten einerseits und Girokonten andererseits.
Einlagen auf Girokonten
Die Verwahrung von Guthaben auf Girokonten stellt für den BGH neben der Erbringung von Zahlungsdiensten eine den Girovertrag prägende Leistung und damit eine Hauptleistung aus dem Girovertrag dar. Die Kunden hätten ein Interesse an der Nutzung der Girokonten als „Verwahrstelle“ für ihr Geld. Daher sei es gerechtfertigt, die Verwahrung von Guthaben auf Girokonten als von der Bank im Rahmen des Girovertrags erbrachte Hauptleistung anzusehen. Aus § 700 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB ergebe sich, dass ein Verwahrentgelt keine gesetzlich vorgesehene Gegenleistung des Kunden darstelle. Damit seien die in Giroverträgen vereinbarten Klauseln über Verwahrentgelte zwar keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle zugänglich, die Klauseln könnten aber gegen das sich gemäß § 307 Abs. 3 S. 2 BGB auch auf das Hauptleistungsversprechen erstreckende Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen und damit gegenüber Verbrauchern unwirksam sein.
In den konkreten Fällen hat der BGH die Höhe des Verwahrentgelts überwiegend als nicht bestimmt genug angesehen. Die auf Girokonten bestehenden Guthaben könnten sich infolge der Verbuchung von Gutschriften und Belastungen innerhalb eines Tages mehrfach ändern. Aus den in den Klauseln verwendeten Formulierungen werde jedoch nicht deutlich, welcher konkrete Guthabenstand auf den Girokonten für die Berechnung des Verwahrentgelts jeweils maßgebend sein soll. Für die Verbraucher sei daher nicht erkennbar, welche wirtschaftlichen Belastungen sie zu tragen hätten. Insbesondere sei unklar, ob die Berechnung des Verwahrentgelts taggenau erfolgen solle und bis zu welchem Zeitpunkt Tagesumsätze auf den Girokonten bei der Berechnung des maßgebenden Guthabensaldos berücksichtigt werden sollen. Daher seien auch solche Klauseln in Giroverträgen wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot unwirksam. Das muss im Einzelfall geprüft werden.
Verwahrentgelte für Tagesgeldkonten und Spareinlagen
Verwahrentgelte für Tagesgeldkonten und Spareinlagen unterliegen nach Ansicht des BGH demgegenüber in jedem Fall einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil sie die von der Bank geschuldete Hauptleistung abweichend von der nach Treu und Glauben geschuldeten Leistung verändern. Sie halten der Inhaltskontrolle nicht stand, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen und die Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Mit der Anlage von Tagesgeld werde vonseiten der Kunden ein Spar- und Anlagezweck verfolgt. Mit der Erhebung eines laufzeitabhängigen Verwahrentgelts verringere sich aber das eingesetzte Kapital und verändere den Charakter des Vertrags entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Ebenso werde auch bei Spareinlagen der Vertragszweck, nämlich das Vermögen von natürlichen Personen mittel- bis langfristig aufzubauen und durch Zinsen vor Inflation zu schützen, unterlaufen. Ein laufzeitabhängiges Verwahr- oder Guthabenentgelt sei mit dem den Sparvertrag kennzeichnenden Kapitalerhalt nicht zu vereinbaren. Die Erhebung von Verwahr- oder Guthabenentgelten auf Tagesgeld- und auf Sparkonten stelle daher eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher dar, die im Ergebnis unwirksam sei.
Wichtig für die Praxis
Verwahrentgelte auf Girokonten sind also zwar grundsätzlich zulässig, für die Praxis der Vergangenheit aber durchweg unwirksam, weil die Formulierungen nicht deutlich machen, welcher konkrete Guthabenstand auf den Girokonten für die Berechnung des Verwahrentgelts jeweils maßgebend sein soll. Sie verstoßen daher gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Verwahr- oder Guthabenentgelte auf Tagesgeld- oder Sparkonten sind generell unwirksam, weil sie dem Vertragszweck zuwiderlaufen und die Kunden unangemessen benachteiligen.
Soweit Banken und Sparkassen aufgrund dieser unwirksamen Klauseln Verwahr- oder Guthabenentgelte berechnet haben, steht den Kunden nun also ein Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) zu.
Verbraucherverbände haben keinen Anspruch auf Rückzahlung |
Somit müssen die Kunden ihre Ansprüche auf Rückzahlung der belasteten Verwahr- oder Guthabenentgelte gegenüber ihren Banken und Sparkassen eigenständig geltend machen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Rechtsver-folgungskosten nur in erforderlichem und zweckmäßigem Umfang zum erstattungsfähigen Schaden gehören. Daher ist es ratsam, dass die Kunden ihren Rückzahlungsanspruch zunächst selbstständig geltend machen und ihren Anspruchsgegner in Verzug setzen, bevor ein Rechtsdienstleister beauftragt wird. Dabei sollten folgende Schritte beachtet werden:
Musterformulierung / Anschreiben an die Bank |
… bank-AG … straße … … … hausen Rückforderung von Verwahr- und Guthabenentgelten (Negativzinsen) Sehr geehrte Damen und Herren, Für mein/e Konto/Konten (genaue Bezeichnung der Kontoverbindungen) haben Sie in der Zeit von … bis … Verwahr- und Guthabenentgelte (Negativzinsen) in Höhe von … (Betrag in EUR einsetzen, soweit zu ermitteln) berechnet und belastet. Der Bundesgerichthof hat diese Praxis mit Urteil vom 4.2.25 (XI ZR 61/23, XI ZR 65/23, XI ZR 161/23, XI ZR 183/23) für unzulässig erklärt. Die erhobenen Verwahr- und Guthabenentgelte (Negativzinsen) sind deshalb unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung nach § 812 Abs. 1 BGB zurückzugewähren. Ich fordere Sie deshalb auf, die Entgelte nebst Nutzungsersatz pro Jahr in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit der jeweiligen Berechnung bis zum … (zwei Wochen) auf mein Konto zu überweisen.
Nach fruchtlosem Fristablauf müssen Sie mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassodienstleisters rechnen. In diesem Fall sind die Rechtsverfolgungskosten als Verzugsschaden zu ersetzen. Mit freundlichen Grüßen |
- Kontoauszüge prüfen: Ob, in welchem Zeitraum und in welchem Umfang wurden Negativzinsen berechnet?Kontoauszüge prüfen
- Rückzahlung schriftlich bei der Bank anfordern: In dem Schreiben an die Bank sollten die betroffenen Konten, die Höhe der gezahlten Negativzinsen und der Zeitraum, in dem diese berechnet wurden, genau angegeben werden.
Verjährung
Zu beantworten ist die Frage, wann die Ansprüche auf Rückzahlung der unzulässig erhobenen Verwahr- und Guthabenentgelte verjähren. Der Anspruch resultiert aus § 812 Abs. 1, S. 1 BGB und verjährt nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Die Frist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Für den Beginn der Verjährungsfrist müssen alle drei genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Erst dann beginnt die Verjährungsfrist mit Schluss des Kalenderjahres zu laufen.
Prüft man die drei Voraussetzungen, zeigt sich: Der Anspruch auf Rückzahlung ist jeweils entstanden, sobald der Kunde die Entgelte gezahlt hat. Die Person des Schuldners war bekannt. Fraglich ist jedoch, wann der Kunde als Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Anspruchsbegründende Kenntnis |
Das spricht auf den ersten Blick dafür, die anspruchsbegründende Kenntnis bereits mit der Belastung der Entgelte anzunehmen und die Verjährungsfrist damit beginnen zu lassen. Dann könnten die Entgelte rückwirkend über drei Jahre, also bis zum Jahr 2022 zurückgefordert werden. Für einen früheren Zeitraum wären die Ansprüche auf Rückzahlung verjährt.
Ob diese Bewertung zutrifft, erscheint bei genauerem Hinsehen allerdings zweifelhaft. Nach Auffassung des BGH kann nämlich ausnahmsweise die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht in einem für die Klageerhebung ausreichenden Maße einzuschätzen vermag. Das soll insbesondere gelten, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige Rechtsprechung entgegensteht. In einem solchen Fall fehle es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH, a. a. O.).
Die obergerichtliche Rechtsprechung (z. B. OLG Düsseldorf 30.3.23, I-20 U 16/22; OLG Dresden 30.3.23, 8 U 1389/21; OLG Frankfurt 5.10.23, 3 U 286/22; auch LG München 20.3.23, 22 O 2020/21) hat die Erhebung von Negativzinsen aber als zulässig angesehen. Daher erscheint es vertretbar, die Erhebung einer Rückforderungsklage auch in den hier vorliegenden Fällen erst als zumutbar anzusehen, nachdem der BGH die Praxis als unzulässig missbilligte. Somit würde die Verjährungsfrist für alle Rückforderungsansprüche erst ab Kenntnis von der BGH-Entscheidung, also im Jahre 2025, zu laufen beginnen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die rechtliche Bewertung zu dieser Rechtsfrage entwickelt. Der Rechtsdienstleister wird jedenfalls zu einem schnellen Handeln zu raten haben
Weitergehende Ansprüche?
Verschiedene Kreditinstitute haben ihren Kunden angeboten, sie von den Verwahrentgelten zu verschonen, wenn sie andere Geldgeschäfte abschließen, etwa Lebensversicherungen oder mehrjährige Sparverträge. Die Banken haben hier von Provisionen profitiert, die an die Stelle der Verwahrentgelte getreten sind. Es kann deshalb anhand der Umstände des Einzelfalls auch geprüft werden, ob sich hieraus Schadenersatz (wegen Falschberatung im Hinblick auf die Notwendigkeit der Abwendung von Verwahrentgelten) oder Bereicherungsansprüche ergeben.
AUSGABE: FMP 4/2025, S. 68 · ID: 50350146