FeedbackAbschluss-Umfrage

AbtretungAbtretung und Rückabtretung: Achtung Prozesshindernis

Abo-Inhalt13.02.20257 Min. Lesedauer

| Im Rahmen der Geltendmachung von Verbraucheransprüchen werben verschiedene Marktteilnehmer damit, dass sie nach einer treuhänderischen Abtretung des Anspruchs diesen für den Verbraucher durchsetzen. Dafür muss der Verbraucher eine Erfolgsprovision leisten und seine Erstattungsansprüche hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten an Erfüllung statt (§ 364 BGB) abtreten. Ein Fall des BGH zeigt, welche Folgen es haben kann, wenn die ordnungsgemäße Abtretung keine gerichtliche Anerkennung findet und die Ansprüche dann rückabgetreten werden. Für den Rechtsdienstleister ergeben sich daraus erhebliche Haftungsrisiken. |

Inhaltsverzeichnis

Sachverhalt

Der Verbraucher nimmt den Kfz-Hersteller wegen der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadenersatz in Anspruch. Er erwarb im Jahr 2014 von einem Händler einen Neuwagen Audi A4. Das Fahrzeug ist mit einem von dem beklagten Unternehmen hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet.

Im Jahr 2017 trat der Kläger seine Ansprüche gegen den Kfz-Hersteller im Zusammenhang mit der Betroffenheit des Fahrzeugs vom sog. Dieselskandal treuhänderisch einen registrierten Inkassodienstleister zum Zweck der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche ab. Der Inkassodienstleister erhob dann 2018 eine „Sammelklage“ (Vorprozess) gegen den Hersteller, mit der er u. a. auch die von dem Verbraucher abgetretenen Ansprüche geltend machte. Die Klage wurde im August 2020 abgewiesen, wogegen der Inkassodienstleister Berufung einlegte. Im Oktober 2020 wurden die abgetretenen Ansprüche an den Verbraucher zurückabgetreten. Im Mai 2021 nahm der Inkassodienstleister die Berufung auch hinsichtlich der Ansprüche des Verbrauchers zurück.

Nun nimmt der Verbraucher in einem neuen Prozess den Hersteller (erneut) auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung und weiterer Nebenansprüche in Anspruch. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung hat das OLG die Beklagte unter Berücksichtigung der weiteren Nutzung des Fahrzeugs während des Berufungsverfahrens im Übrigen antragsgemäß verurteilt. Der Hersteller will mit der Revision die Klageabweisung erreichen.

Entscheidungsgründe

Der BGH folgt der Argumentation des Herstellers und urteilt damit eine harte Konsequenz für den Verbraucher aus.

Leitsatz: BGH 7.8.24, VIa ZR 930/239

Die materielle Rechtskraft eines Urteils über die Klage eines Inkassodienstleisters steht einer erneuten Klage des Zedenten als Rechtsnachfolger nach Rückabtretung entgegen, soweit der Vorprozess und die neue Klage den gleichen Streitgegenstand betreffen, über den bereits im Vorprozess rechtskräftig entschieden wurde (Abruf-Nr. 245871).

Das LG hat die Klage zurecht abgewiesen, weil sie im Hinblick auf den Antrag zu 1 bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet ist. Der auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Verzugszinsen gerichtete Antrag ist unzulässig. Einer Entscheidung hierüber steht die materielle Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils des LG Ingolstadt entgegen, mit dem die Klage des Inkassodienstleisters gegen die Beklagte abgewiesen worden ist (§ 322 Abs. 1, § 325 Abs. 1 ZPO). Vorprozess und jetzige Klage betreffen insoweit denselben Streitgegenstand, über den bereits im Vorprozess rechtskräftig entschieden wurde. Außerdem wirkt die Rechtskraft jenes Urteils infolge der Rückabtretung der Ansprüche für und gegen den Kläger als Rechtsnachfolger des Inkassodienstleisters.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH steht die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung – als negative Prozessvoraussetzung – einer neuen Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegen (ne bis in idem). Unzulässig ist deshalb eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines bereits rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist.

Beachten Sie | Das Prozesshindernis der entgegenstehenden Rechtskraft ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (st. Rspr., BGH 16.10.20, V ZR 98/19), sodass unerheblich bleibt, ob dies eingewandt wurde.

Identität der Streitgegenstände

Der Streitgegenstand des Vorprozesses ist mit dem des jetzigen Antrags zu 1 identisch. Wird die Beklagte – wie hier – zunächst aus abgetretenem Recht in Anspruch genommen und dann, nach Rückabtretung des Anspruchs vom ursprünglichen Zedenten, mit im Übrigen identischer rechtlicher Begründung erneut verklagt, betreffen beide Klagen denselben Streitgegenstand.

Der von der Rechtskraft erfasste Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt. Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt. Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die im Vorprozess nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs damals bereits kannten und hätten vortragen können.

Nach diesen Grundsätzen betrafen der Vorprozess und der jetzige Antrag denselben Streitgegenstand. Der Inkassodienstleister hat im Vorprozess aus treuhänderisch abgetretenem Recht den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Kaufpreiserstattung aus dem Erwerb des mit einem Motor des Typs EA 189 ausgerüsteten und vom sog. Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs geltend gemacht. Der Kläger stützt die jetzige gegen die Beklagte gerichtete Klage im Hinblick auf den Antrag nach erfolgter Rückabtretung mit demselben Klageziel auf denselben Lebenssachverhalt, sodass der Streitgegenstand identisch ist.

Reichweite der Rechtskraft

Das LG hat im Vorprozess zudem rechtskräftig über den Streitgegenstand entschieden. Auf Grundlage seines die dortige Leistungsklage abweisenden Urteils steht fest, dass dem Inkassodienstleister gegen den Hersteller unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch zusteht. Die Begründung des Vorprozessurteils nimmt nicht an der Rechtskraft des Urteils teil. Ein Vorbehalt dahin gehend, dass die Rechtskraft auf die Ablehnung der Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters beschränkt ist, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen.

Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO sind Urteile nur insoweit der Rechtskraft fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Die Rechtskraft wird hiernach auf den unmittelbaren Streitgegenstand beschränkt, d. h. auf die Rechtsfolge, die aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts am Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet. Nicht von der Rechtskraft erfasst werden dagegen einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut. Dementsprechend nehmen die Feststellungen von präjudiziellen Rechtsverhältnissen oder sonstigen Vorfragen, aus denen der Richter den Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen der vom Kläger beanspruchten Rechtsfolge gezogen hat, als bloße Urteilselemente nicht an der Rechtskraft teil.

Der Inhalt des Urteils und damit der Umfang der Rechtskraft sind der Entscheidung im Ganzen zu entnehmen. Ein Urteil, das eine Leistungsklage abweist, stellt fest, dass die begehrte Rechtsfolge aus dem Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann. Das ist auch dann der Fall, wenn im Vorprozess nicht alle erheblichen Tatsachen und in Betracht kommenden Rechtsnormen vorgetragen und geprüft wurden.

Das LG hat im Vorprozess einen Kaufpreiserstattungsanspruch des Inkassodienstleisters aus Anlass des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger und dessen Betroffenheit vom sog. Dieselskandal uneingeschränkt verneint. Hierauf beschränkt sich die Rechtskraft des Urteils. Bei den getroffenen Feststellungen zur fehlenden Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters, insbesondere wegen der Unwirksamkeit der Abtretungen der Kunden aufgrund eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz gemäß § 134 BGB i. V. m. §§ 3, 4 RDG, handelt es sich dagegen um bloße Vorfragen, aus denen das Gericht den Schluss auf das Nichtbestehen des Zahlungsanspruchs gezogen hat.

Beachten Sie | Die fatale Folge ist, dass die Rechtskraft des Urteils des LG im Vorprozess nach § 325 Abs. 1 ZPO für und gegen den Verbraucher wirkt, da er nach Rechtshängigkeit der Klage im Vorprozess infolge der Rückabtretung der Ansprüche Rechtsnachfolger des Inkassodienstleisters geworden ist.

Noch bedauerlicher ist, dass der BGH die Entscheidung des LG im Vorprozess als inhaltlich unzutreffend ansieht, er nämlich die Abtretungen für wirksam hält. Denn er hat nach Erlass des Urteils des LG im Vorprozess entschieden, dass die Abtretung der Ansprüche der Kunden an den Inkassodienstleister weder nach § 3 RDG i. V. m. § 134 BGB noch nach § 4 RDG in der bis zum 30.9.21 geltenden Fassung (nun: § 4 S. 1 RDG) i. V. m. § 134 BGB nichtig war, weil die Tätigkeit des Inkassodienstleisters durch die ihm nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG und § 2 Abs. 2 Sa.1 RDG erteilte Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Bereich Inkassodienstleistungen gedeckt war (BGH 13.6.22, VIa ZR 418/21).

Beachten Sie | Offen lässt der BGH, ob diese Sicht auch gilt, wenn die erste Abtretung bereits unwirksam gewesen wäre. Dann hätte der Inkassodienstleister die später vom Verbraucher geltend gemachten Rechte gar nicht erworben und diese damit auch nicht geltend machen können.

Relevanz für die Praxis

Der Fehler liegt beim Inkassodienstleister. Er hätte den Vorprozess im Berufungs- und ggf. auch Revisionsverfahren fortsetzen müssen. Wie sich aus der Rechtsprechung inzwischen ergibt, wäre wie Wirksamkeit der Abtretungen dann beim BGH anerkannt worden. Nun besteht die Gefahr, dass der Verbraucher seinerseits Schadenersatzansprüche gegen den Inkassodienstleister wegen fehlerhafter Prozessführung geltend machen kann. Sein Schaden liegt in dem entgangenen Schadenersatz gegen den Hersteller.

AUSGABE: FMP 2/2025, S. 33 · ID: 50281510

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte