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BetreuerauswahlBetreuerauswahl: Der Schlüssel ist die Geeignetheit
| Ein zur Betreuung bereiter Angehöriger darf nur zugunsten eines Berufsbetreuers übergangen werden, wenn er hierfür ungeeignet ist. Dabei sind nicht nur isolierte Vorfälle oder vergangenes Fehlverhalten heranzuziehen. Vielmehr ist eine Gesamtschau aller Umstände vorzunehmen, um die gegenwärtige Eignung zuverlässig zu beurteilen. Entscheidend ist die Fähigkeit und Bereitschaft des Angehörigen, die Wünsche und den mutmaßlichen Willen des Betreuten zu berücksichtigen und dementsprechend zu handeln. Das hat der BGH klargestellt. |
Sachverhalt
Das Gehirn der 90-jährigen Betroffenen B ist erheblich geschädigt, sodass sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann. Das AG hat eine Betreuung mit einem umfassenden Aufgabenkreis eingerichtet und einen Berufsbetreuer Bt bestellt. Es hat den S für nicht geeignet erachtet, eine Betreuung zu führen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des S blieb erfolglos. Seine Rechtsbeschwerde war aber erfolgreich. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Beschlusses.
Leitsätze: BGH 5.3.25, XII ZB 260/24 |
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Entscheidungsgründe
Die Betreuerauswahl ist nicht frei von Rechtsfehlern erfolgt. Zwar hat der S sich in der Vergangenheit falsch verhalten. So hat er die Pflegeeinrichtung der B zur Unzeit und sogar nachts aufgesucht und dort den geregelten Ablauf gestört. Auch hat er wiederholt die Bettdecke der B hochgehoben und an ihrer Windel genestelt. Das LG hat indes nicht hinreichend beachtet, dass der S ausführlich dargelegt hat, dass sein Verhalten sich nach der Verbesserung des Zustands der B geändert hat und er sich in künftigen Ausnahmesituationen vernünftiger verhalten wolle.
Hat der Betroffene wie hier niemanden als Betreuer vorgeschlagen, sind bei der Betreuerauswahl die familiären Beziehungen des Betroffenen, insbesondere zum Ehegatten, zu Eltern und zu Kindern, seine persönlichen Bindungen sowie die Gefahr von Interessenkonflikten zu berücksichtigen.
Wenn sich ein Familienangehöriger bereit erklärt, eine Betreuung zu übernehmen, darf dies nur zugunsten eines Berufsbetreuers übergangen werden, wenn er hierfür nicht geeignet ist. Nicht geeignet für eine Betreuung ist derjenige, der nicht willens oder in der Lage ist, in dem gerichtlich angeordneten Aufgabenkreis die Wünsche und den mutmaßlichen Willen des Betreuten zu ermitteln und adäquat umzusetzen und in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlichen Kontakt mit dem Betreuten zu halten. Dies sei insbesondere der Fall, wenn das Gericht anhand konkreter Tatsachen erhebliche Interessenkonflikte feststellt oder wenn ein Missbrauch eines zu der betroffenen Person bestehenden Vertrauensverhältnisses durch den potenziellen Betreuer zu befürchten ist. Hierzu darf der Tatrichter sich nicht auf eine Gewichtung einzelner Tatsachen oder Vorfälle beschränken, sondern muss eine Gesamtschau aller Umstände vornehmen.
Hier hat das LG maßgeblich auf das Verhalten des S in der Vergangenheit abgestellt. Die Absichtserklärung des S hinsichtlich einer Verhaltensbesserung ist dagegen nicht angemessen gewichtet worden. Auch hat das LG in seine Prognoseentscheidung nicht einbezogen, dass die gegenständlichen Vorfälle in den ersten Wochen der Aufnahme in die Pflegeeinrichtung erfolgt sind und sich sein Verhalten bereits erheblich positiv verändert hat. Im Rahmen einer zu treffenden Gesamtschau sind jedenfalls weitere Ermittlungen geboten gewesen, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob auch das aktuelle Verhalten des S noch Anhaltspunkte gegen seine Eignung ergeben.
Relevanz für die Praxis
Das Betreuungsrecht stuft zum Schutz der Rechtsposition des Betroffenen mehrere Ebenen hintereinander ab. Diese Schutzebenen haben zum Ziel, einen Eingriff in die Rechte des Betroffenen nur so weit wie nötig vorzunehmen.
Eine Betreuung kommt nur insoweit in Betracht, als sie erforderlich ist. Auf der Ebene der Betreuerauswahl ist sodann dem Betreuerwunsch des Betroffenen Rechnung zu tragen. Diesem ist regelmäßig zu entsprechen. Wenn der Betroffene keinen Betreuerwunsch geäußert hat, ist bei der Auswahl auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Volljährigen, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, Kindern und zum Ehegatten sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen.
Die Betreuungsperson muss jedoch stets geeignet sein. Dazu gehört auch, die Wünsche und den mutmaßlichen Willen des Betreuten zu ermitteln und adäquat umzusetzen und in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlichen Kontakt mit dem Betreuten zu halten (so bereits BGH 28.2.24, XII ZB 213/23, FamRZ 24, 963). Dies erfordert es auch, dass ein Betreuer sich nicht übergriffig gegenüber einem Betreuten verhält und in dessen Interesse handelt. Es ist Sache der Betreuungsgerichte, die für eine Prognoseentscheidung zur Eignung erforderlichen Feststellungen zu treffen.
AUSGABE: FK 9/2025, S. 155 · ID: 50426717