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Kaufrecht/GewährleistungOLG Zweibrücken urteilt händlerfreundlich: Unangenehmes Empfinden ist kein Sachmangel

Abo-Inhalt06.06.20235415 Min. Lesedauer

| Immer wieder kommt es zu Klagen auf Rückabwicklung von Kaufverträgen über Fahrzeuge wegen angeblicher Mängel. Dass diese Klagen nicht zwangsläufig zu Ungunsten der Kfz-Händler ausgehen, zeigt ein Urteil des OLG Zweibrücken. Es hatte darüber zu entscheiden, ob ein unangenehmes Empfinden des Käufers zum Verhalten des Fahrzeugs bei einer Gefahrenbremsung einen Sachmangel darstellt und in der Folge den Käufer zur Rückabwicklung des Kaufvertrags berechtigt. ASR macht Sie mit den Details der OLG-Entscheidung vertraut. |

Käufer beanstandet Mangel an Fahrzeug

Im Fall vor dem OLG Zweibrücken stritt ein Käufer (Verbraucher) mit einem Kfz-Händler um die Rückabwicklung seines Kaufvertrags über ein Fahrzeug.

Käufer tippt auf Problem mit der Bremsanlage

Etwa ein halbes Jahr nach dem Kauf des Fahrzeugs teilte der Käufer dem Kfz-Händler schriftlich mit, dass das Fahrzeug einen sicherheitsrelevanten Mangel aufweise. Der Käufer vermutete ein schwerwiegendes Problem an der Bremsanlage. Bei starkem Abbremsen des Fahrzeuges aus Geschwindigkeiten von mehr als 100 km/h, wie es in Not- oder Gefahrensituationen vorkommt, ziehe das Fahrzeug derart stark nach rechts, dass es entweder zu unkontrollierten Fahrbahnwechseln komme oder die Gefahr gegeben sei, von der Fahrbahn abzukommen. Bei Abbremsen aus niedrigen Geschwindigkeiten sei ein „Schlenker“ nach rechts bemerkbar.

Kfz-Händler kann keinen Mangel ausmachen

Der Käufer forderte den Kfz-Händler zur Beseitigung des Mangels auf. Daraufhin holte der Kfz-Händler das Fahrzeug ab und führte eine Probefahrt mit dem Käufer durch. Dabei konnten keine Mängel festgestellt werden. Der Käufer holte das Fahrzeug wieder ab. Etwa einen Monat später erklärte er durch seinen Rechtsanwalt den Rücktritt vom Kaufvertrag. Es ging vor Gericht. Erstinstanzlich wurde die Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrags abgewiesen. Jetzt war das OLG Zweibrücken am Zug, die Frage zu klären, ob das Fahrzeug mangelbehaftet war (OLG Zweibrücken, Urteil vom 30.11.2022, Az. 4 U 187/21, Abruf-Nr. 235050).

OLG: Unangenehmes Empfinden stellt keinen Mangel dar

Maßgeblich dafür, ob eine Sache mangelbehaftet ist, sei, ob die Sache – im Fall vor dem OLG Zweibrücken also das Fahrzeug – die übliche Beschaffenheit aufgewiesen habe. Es sei darauf abzustellen, ob sich die Sache für die gewöhnliche Verwendung eigne und eine Beschaffenheit aufweise, die bei Sachen der gleichen Art üblich sei und die ein Käufer nach der Art der Sache erwarten könne. Entscheidend sei hierbei der Empfängerhorizont eines Durchschnittskäufers, denn es gehe um die objektiv berechtigte Käufererwartung.

Sachverständigengutachten bestätigt Mangel nicht

Im Hinblick auf die käuferseits behaupteten Mängel hatte das OLG Zweibrücken ein Sachverständigengutachten eingeholt.

Der Sachverständige hatte das Fahrzeug sowohl einer visuellen Kontrolle unterzogen und das Fahrwerk vermessen als auch einer Überprüfung auf dem rollenden Prüfstand zugeführt. Ergebnis: Er habe keinerlei Unregelmäßigkeiten festgestellt. Zudem hatte der Sachverständige eine Probefahrt auf ebener, gerader und trockener Fahrbahn durchgeführt. Hierbei sei weder ein mangelhafter Geradeauslauf noch ein einseitiges Bremsen festzustellen gewesen.

Lediglich bei einer Probefahrt auf leicht abschüssiger Fahrbahn habe er festgestellt, dass das Heck das Fahrzeugs zum Übersteuern neige und das Fahrzeug eine deutlich spürbare Drehbewegung um die Fahrzeughochachse durchführe. Eine ungleiche Bremswirkung mit einem zum rechten Fahrbahnrand hingerichteten Verzug des Fahrzeugs sei jedoch nicht feststellbar gewesen. Auch am Lenkrad seien hierbei keine störenden Lenkimpulse wahrnehmbar gewesen. Zudem sei diese als unangenehm spürbare Drehung um die Hochachse durch die Einsetzung der Regelung der elektronischen Stabilitätskontrolle jederzeit kompensiert worden, sodass er bei den Probefahrten nie Probleme gehabt habe, das Fahrzeug sicher zu kontrollieren. Ob das von ihm beschriebene Übersteuern von einem Fahrzeuglenker als vermeintliches Ziehen nach rechts empfunden werden könne, vermochte der Sachverständige nicht zu beurteilen. Dies sei eine rein subjektive Wahrnehmung, die von Fahrer zu Fahrer variiere.

OLG: Subjektive Erwartung des Käufers – kein Mangel am Fahrzeug

Damit belegt der Sachverständige für das OLG überzeugend, dass das Fahrzeug auch während eines abrupten Abbremsens im Sinne einer sog. Gefahrenbremsung kursstabil bleibt und sich spurneutral verhält. Die objektiv berechtigten Käufererwartungen eines Durchschnittskäufers werden damit erfüllt. Auf die subjektive Erwartung des Käufers komme es nicht an. Auch der Sachverständige habe zwar ein für ihn unangenehmes Gefühl beim Bremsen empfunden, dieses Phänomen trete allerdings im realen Fahrbetrieb nur in der sehr seltenen Ausnahmesituation einer Gefahrenbremsung auf. Diese sei für den jeweiligen Fahrer stets außergewöhnlich und gehe nicht mit dem alltäglichen Fahrverhalten des Fahrzeugs einher. Nach Dafürhalten des OLG gehört es jedoch nicht zur üblichen Beschaffenheit eines Pkw, dass sich dieser auch in Ausnahmesituation subjektiv „komfortabel“ bzw. „angenehm“ steuern lässt. Sicherheitsmängel oder sonstige Umstände, die die Gebrauchstauglichkeit bei starkem Abbremsen beeinträchtigen, sind nicht feststellbar.

Fazit | Nach Ansicht des OLG stellt das subjektiv „unangenehme“ Empfinden des Käufers vom Verhalten des Fahrzeugs bei einer sog. Gefahrenbremsung keinen Sachmangel dar, wenn die darin verbauten Assistenzsysteme technisch ordnungsgemäß arbeiten und das Fahrzeug tatsächlich kurs- und bremsstabil halten.

Weiterführender Hinweis
  • Beitrag „Reklamation, großer Aufwand und dann doch kein Mangel: Wer trägt die Kosten?“, ASR 3/2023, Seite 6 → Abruf-Nr. 49052661

AUSGABE: ASR 6/2023, S. 9 · ID: 49429520

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