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Kaufrecht/WettbewerbsrechtGebrauchtwagenhandel: Was heißt eigentlich „scheckheftgepflegt“?

Abo-Inhalt22.05.20234561 Min. Lesedauer

| Das werblich herausgestellte Stichwort „scheckheftgepflegt“ macht einen angebotenen Gebrauchtwagen am Markt interessanter. Er verkauft sich leichter – und oftmals auch zu einem höheren Preis als ein vergleichbarer, „nicht scheckheftgepflegter“ Gebrauchtwagen. Doch wettbewerbsrechtlich ist mit dem Stichwort oft ein Risiko für das Autohaus verbunden. ASR klärt auf. |

Käufersicht zu „scheckheftgepflegtem“ Gebrauchtwagen

Der typische Gebrauchtwagenkäufer verbindet mit einem „scheckheftgepflegten“ Gebrauchtwagen in aller Regel nicht nur, dass er gewartet wurde, sondern dass dies in einer Werkstatt der Marke erfolgt ist. Bei jungen Gebrauchtwagen wird damit vom typischen Gebrauchtwagenkäufer auch verbunden, dass die Herstellergarantie noch belastbar ist und ohne Schwierigkeiten in Anspruch genommen werden kann. Dabei hat er das Verhalten der meisten Hersteller vor Augen, die Garantieansprüche bei Wartungen außerhalb der Markenwerkstatt mindestens von hohen Hürden wie z. B. dem Nachweis, dass die Wartung exakt nach Herstellervorgaben erfolgt ist, abhängig machen, oder sie gar ablehnen, wenn dies nicht der Fall ist. Auch deshalb wird das Stichwort „scheckheftgepflegt“ mit „Wartung in einer Werkstatt der Marke“ verbunden.

BGH-Rechtsprechung und „scheckheftgepflegt“

Diese Sicht der Gebrauchtwagenkäufer zum „scheckheftgepflegten“ Gebrauchtwagen wird von der Rechtsprechung gestützt. Der BGH erläutert im Urteil vom 20.10.2009 (Az. VI ZR 53/09, Abruf-Nr. 133712, Rz. 15): „Denn auch bei älteren Fahrzeugen kann – wie vom Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen – die Frage Bedeutung haben, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, „scheckheftgepflegt“ oder ggf. nach einem Unfall repariert worden ist. Dabei besteht – wie entsprechende Hinweise in Verkaufsanzeigen belegen – bei einem großen Teil des Publikums insbesondere wegen fehlender Überprüfungsmöglichkeiten die Einschätzung, dass bei einer (regelmäßigen) Wartung und Reparatur eines Kraftfahrzeugs in einer markengebundenen Fachwerkstatt eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist.“

Im BGH-Urteil vom 07.02.2017, Az. VI ZR 182/16, Abruf-Nr. 192297 liest man unter Rz. 12 zum Stichwort „scheckheftgepflegt“: „Denn vorliegend geht es nicht nur um Arbeiten dieser Art, sondern um Inspektionen über einen Zeitraum von fünf Jahren vor dem Unfall, von denen mangels konkreten Vortrags des Klägers nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie in einer markengebundenen Fachwerkstatt erfolgt sind. Dann aber hat der Kläger ersichtlich keinen Wert daraufgelegt, dass eine markengebundene Fachwerkstatt sein Fahrzeug regelmäßig wartet, weshalb er damit beispielsweise bei einem Verkauf seines Fahrzeugs nicht werben dürfte.“

Wichtig | Der Schadenrechtssenat des BGH bezieht das Stichwort „scheckheftgepflegt“ also auf die regelmäßige Wartung in einer Werkstatt der Marke, weil das Publikum das so verstehe.

Ein Blick in die Fachliteratur

In dem Standardwerk zum Autokaufrecht Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Auflage unter Rz. 2911 ist zu lesen: „Wer ein ausdrücklich als ‚scheckheftgepflegt‘ gekennzeichnetes Gebrauchtfahrzeug vom Erstbesitzer erwirbt, kann im Allgemeinen erwarten, dass die vom Hersteller vorgeschriebenen Inspektionen/Wartungsarbeiten von einer hierzu autorisierten Fachwerkstatt durchgeführt und im ‚Scheckheft‘ (Serviceheft) dokumentiert sind.“

Die „hierzu autorisierte Fachwerkstatt“ ist nach dem Marktverständnis eine vom Hersteller dazu autorisierte Werkstatt.

GVO hat nur mittelbaren Einfluss

Die Gruppenfreistellungsverordnung EGV 1400/2002 verbietet die Benachteiligung der sogenannten „freien Werkstätten“ durch die Automobilhersteller. So dürfen Garantieleistungen nicht von der Wartung in einer Werkstatt der Marke abhängig gemacht werden, sondern nur davon, ob die Wartung nachweislich nach den Vorgaben des Herstellers durchgeführt wurde.

Das wirft auf den ersten Blick ein anderes Licht auf den Begriff „scheckheftgepflegt.“ Jedoch sagt der BGH: „Die Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugvertrieb regelt nur die Voraussetzungen, unter denen Vertriebsvereinbarungen des Kraftfahrzeugsektors gruppenweise gemäß Art. 81 Abs. 3 EG von dem Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt sind. Zivilrechtlich durchsetzbare Verhaltenspflichten des Kraftfahrzeugherstellers lassen sich aus ihr nicht herleiten.“ (BGH, Urteil vom 28.06.2005, Az. KZR 26/04, Abruf-Nr. 234578).

Das GVO-Verbot der Benachteiligung der freien Werkstätten durch die Hersteller hat für einen Gebrauchtwagenkäufer also keinen unmittelbaren Nutzen. Der Betroffene kann bei Verstößen lediglich versuchen, über die maßgeblichen Behörden ein kartellrechtliches Sanktionsverfahren gegen den Hersteller in Gang zu bringen.

Folgen für die Autohaus-Praxis

Nach unserer Einschätzung ist es wettbewerbswidrig, mit dem Begriff „scheckheftgepflegt“ zu werben, wenn die Inspektionen zwar regelmäßig, aber nicht in einer Werkstatt der betreffenden Marke durchgeführt wurden.

Praxistipp | Prüfen Sie beim nächsten Gebrauchtwagenverkauf, ob der Gebrauchte zuvor wirklich regelmäßig in einer entsprechenden Markenwerkstatt gewartet wurde. Nur dann dürfen Sie ihn als „scheckheftgepflegt“ kennzeichnen. Erfüllt der Gebrauchte diese Vorgabe nicht, und Sie bewerben ihn dennoch als „scheckheftgepflegt“, verstoßen Sie gegen das Wettbewerbsrecht.

AUSGABE: ASR 6/2023, S. 11 · ID: 49320903

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