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ZR-Fachgespräch„Schmelzopazitäten bei MIH können mittels Infiltration erfolgreich behandelt werden!“
| MIH wird nicht nur, aber auch als ästhetisches Problem wahrgenommen. Leiden betroffene Patienten unter den farblichen Veränderungen ihrer Zähne, kann eine Adaptation des klassischen Infiltrationskonzeptes Abhilfe schaffen. In diesem Kontext sprachen wir mit Frau Prof. Katrin Bekes über das neue Behandlungskonzept für MIH-bedingte Schmelzopazitäten und das Therapieprozedere in der Praxis. Frau Prof. Bekes ist Leiterin des Fachbereichs Kinderzahnheilkunde an der Universitätszahnklinik Wien (unizahnklinik-wien.at), Präsidentin der Dt. Gesell. für Kinderzahnmedizin (DGKIZ; dgkiz.de) sowie Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (ÖGKiZ; kinderzahnmedizin.at) |

Redaktion: Frau Prof. Bekes, die sechste deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS 6) zeigt, dass in Deutschland jedes siebte Kind im Alter von zwölf Jahren von einer Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) betroffen ist. Posteruptive Zusammenbrüche, Hypersensitivität, ästhetische Beeinträchtigungen: Wovon sind Patienten am meisten betroffen und welches Symptom beeinträchtigt die Patienten ihrer eigenen Aussage zufolge selbst am meisten?
Bekes: Die aktuellen Daten zeigen, dass bei den 12-Jährigen, bei denen eine MIH diagnostiziert wurde, knapp zwei Drittel (60,3 Prozent) lediglich abgegrenzte Opazitäten (und somit milde Formen einer MIH) als maximalen Ausprägungsgrad aufweisen. Das Vorliegen von Hypersensibilitäten wurde in der DMS 6 allerdings nicht erfasst und könnte auch bei diesen Zähnen präsent sein. Opazitäten in der Front können zu ästhetischen Beeinträchtigungen führen und somit potenziell auch die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität negativ beeinflussen. Die weiteren Ergebnisse haben gezeigt, dass 27,6 Prozent der Betroffenen bereits mit Restaurationen versorgt sind und knapp ein Fünftel nicht therapierte Schmelzeinbrüche aufweist.
Redaktion: Patienten mit MIH oder auch mit Schmelzopazitäten anderer Ursache leiden unter ihren ästhetischen Beeinträchtigungen der Zähne. Sie haben auf der IDS in Köln mit dem minimal-invasiven Infiltrationsverfahren Icon Vestibular ein neues Behandlungskonzept für die Betroffenen vorgestellt. Bitte erläutern Sie unseren Lesern kurz das Verfahren und das konkrete Vorgehen am Patienten.
Bekes: Um MIH-bedingte Schmelzopazitäten in der Front mittels Infiltration erfolgreich behandeln zu können, muss zunächst eine erweiterte Diagnostik der Verfärbungen mittels Transillumination durchgeführt werden. Studien und auch die Praxis haben gezeigt, dass das klassische Infiltrationskonzept, welches wir im Rahmen der Kariestherapie nutzen, adaptiert werden muss. Klassisch umfasst die Infiltration die Schritte: Ätzen, Trocknen, Infiltration. Die Transillumination ermöglicht dem Behandler und der Behandlerin wichtige Informationen über den MIH-Läsionstypen und deren Tiefe zu generieren. Anschließend wird entschieden, welche Schritte notwendig sind oder modifiziert werden müssen. Zu den Modifikationen zählen: ggf. Vorab-Bleaching, ggf. Transformation der Läsion, Adaptieren der Infiltrationszeit.
Redaktion: Ihre in Köln präsentierten Bilder zeigen sehr schöne klinische Behandlungsergebnisse. Wie lange hält das Behandlungsergebnis erfahrungsgemäß an?
Bekes: Studien haben gezeigt, dass die Ergebnisse langfristig stabil sind und in der Regel keine Nachinfiltration notwendig ist.
Redaktion: Haben Sie seit der Anwendung des Verfahrens bei den Patienten eine gesteigerte Compliance dann für andere notwendige Behandlungen (Restaurationen, Pulpotomie etc.) feststellen können?
Bekes: Generell bieten wir die Behandlung der Frontzähne erst im jugendlichen Alter an und wenn die Patienten eine hohe Compliance aufweisen. Die Mitarbeit benötigen wir nicht nur in der Klinik, sondern auch zu Hause, wenn ggf. Vorbehandlungen in Form von Bleaching durchgeführt werden. Aus diesem Grunde beobachten wir weniger eine nochmalige Steigerung der Compliance, denn sie ist schon sehr gut. Was wir aber sehen, ist, dass die Betroffenen eine gesteigerte Lebensqualität erfahren. Wir haben in eigenen Studien zeigen können, dass verfärbte Frontzähne zur Frustration führen können, da diese Zähne beim Lächeln, Sprechen oder Essen sichtbar sind.
Redaktion: Frau Prof. Bekes, vielen Dank für dieses Gespräch!
Buchtipp | Von Frau Prof. Katrin Bekes gibt es sowohl in englischer als auch in deutscher Sprache ein umfassendes Nachschlagewerk zur MIH, das die Kontroversen in der wissenschaftlichen Literatur zum Thema MIH kritisch beleuchtet und die verschiedenen Aspekte wie Erscheinungsbild, ätiologische Faktoren, Diagnostik und Klassifikation der MIH auf Basis der fachwissenschaftlichen Literatur aufarbeitet. Der Leser erhält praktische Ratschläge zur Diagnose und Behandlung der Krankheit, die verschiedenen klinischen Behandlungsmöglichkeiten werden ausführlich erläutert. Das Buch richtet sich an interessierte zahnmedizinische Kolleginnen und Kollegen, Postgraduierte und Studierende sowie an alle, die ihr Wissen zu dieser brisanten Thematik im klinischen Alltag der Zahnmedizin erweitern möchten.
- Katrin Bekes: Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation. 1. Auflage 2021. 188 Seiten, 372 Abbildungen (Sprache: Deutsch). ISBN 978-3-86867-561-0. iww.de/s12922
- Katrin Bekes: Molar Incisor Hypomineralization. 1. Auflage 2022. 188 Seiten, 372 Abbildungen (Sprache: Englisch). ISBN 978-1-78698-124-0. iww.de/s12923
- „MIH muss frühzeitig behandelt werden!“ Interview mit Prof. Dr. Dr. Norbert Krämer (Dirketor der Poliklinik für Kinderzahnheilkunde am Universitätsklinikum Gießen) (ZR 03/2023, Seite 12)
- Herausforderung MIH-Diagnostik (ZR 03/2023, Seite 1)
- MIH: mehr Diagnosesicherheit mit Künstlicher Intelligenz (KI) (ZR 03/2023, Seite 1)
AUSGABE: ZR 6/2025, S. 8 · ID: 50387400