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AusgleichsanspruchGibt es für Einmalprovisionen beim Versicherungsvertreter auch einen Ausgleichsanspruch?

Top-BeitragAbo-Inhalt08.08.2024810 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Kai-Uwe Recker, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Dr. Heinicke, Eggebrecht & Partner mbB Rechtsanwälte, München

| Gibt es für Einmalprovisionen beim Versicherungsvertreter auch einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB. Seit der Entscheidung des LG Köln wird diese Frage kontrovers diskutiert. VVP bringt Sie auf den Stand. |

Die Regeln für Ausgleichsanspruch nach den „Grundsätzen“

Die Berechnung des Handelsvertreterausgleichs im Versicherungsvertrieb wird aufgrund der damit verbundenen Schwierigkeiten im Provisionsmodell der Versicherer zumeist über die Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs auf Empfehlung der Spitzenverbände berechnet. Auch wenn diese im Vertrag als alleinige Methode zur Berechnung vereinbart wurden, handelt es sich dabei nur um eine unverbindliche Empfehlung und der Versicherungsvertreter darf auch außerhalb dieser Grundsätze berechnen.

Diese Grundsätze gehen in den Sachversicherungen von Bestandsprovisionen als eine laufende Vergütung neben der reinen Abschlussprovision für die Berechnung des Ausgleichs aus. Für die Sparte der Lebensversicherungen sehen sie als Grundlage solche Versicherungen, die eine Dynamisierung vorsehen. Einmalprovisionen erfassen die Grundsätze nicht. Hierfür bleibt nur die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach dem Gesetz.

Einmalprovisionen und Ausgleichsanspruch

Die Handelsvertreter aus anderen Branchen kennen den Ausgleich für Einmalprovisionen; und zwar als mögliche Folgeabschlüsse mit den dem Unternehmen zugeführten Mehrfach-/Stammkunden, die Grundlage der Ausgleichsberechnung darstellen. Der EuGH hatte sich zuletzt auf Vorlage Tschechiens mit der Einmalprovision im Mobilfunkbereich auseinandergesetzt. Es ging dort um eine einmalige Provision für den vermittelten Mobilfunkvertrag (EuGH, Urteil vom 23.03.2023, Rs. C-574/21, Abruf-Nr. 243030).

Für den Versicherungsvertrieb beschäftigte sich nun das LG Köln mit dem Problem des Ausgleichs bei Einmalprovisionen in der Personenversicherung.

LG bejaht Ausgleich für Einmalprovisionen nach dem Gesetz

Der Vermittler aus dem Urteilsfall hatte vorwiegend Versicherungen der betrieblichen Altersversorgung für Mitarbeiter eines Krankenhauses vermittelt. Er konnte dabei aus einem Portfolio aus den Partnergesellschaften schöpfen und so eine breite Palette an Versicherungsprodukten anbieten. Der Versicherer errechnete zunächst einen Ausgleichsanspruch zu 1.299,77 Euro, während der Vermittler zuletzt vorgerichtlich 173.648,95 Euro forderte. Das LG sah einen Ausgleich von 108.771,93 Euro als begründet an. Es hat eine Berechnung außerhalb der Grundsätze zugelassen, weil diese nur eine Empfehlung sind (LG Köln, Urteil vom 03.05.2024, Az. 89 O 16/23, Abruf-Nr. 243034, rechtskräftig).

Für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach dem Gesetz kommt es darauf an, dass dem Versicherer erhebliche Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden erwachsen, die der Vermittler geworben hat. Korrespondierend dazu muss der Vermittler Provisionsverluste erleiden.

LG fasst Unternehmervorteile weit

Für die Bemessung der Vorteile auf Seiten des Unternehmers kann nur eine Prognose angestellt werden, wobei von einem fortgesetzten Vertragsverhältnis ausgegangen wird auf Basis der bisher geworbenen und intensivierten Stammkunden. Das LG beurteilte die Vorteile nicht nur bezogen auf den direkten Vertragspartner des Vermittlers, sondern berücksichtigte auch die Prägung des gesamten Vertrags aufgrund der zur Verfügung stehenden Produktpalette der Partnergesellschaften. Insoweit könne sich der Versicherer nicht auf Vorteile nur bei den Konsortialpartnern berufen (vgl. hierzu OLG Köln, Urteil vom 24.11.2023, Az. 19 U 146/22, Abruf-Nr. 243029).

LG stellt auf Provisionsverluste aus noch zu erwartenden Geschäften ab

Hierzu korrespondierende Provisionsverluste ergeben sich auf der Stufe der Billigkeit aus der Prognose und enthalten nicht nur Provisionen aus den konkret vermittelten Geschäften. Diese gibt es bei den Einmalprovisionen nicht. Vielmehr enthalten die Provisionsverluste auch entgehende Provisionen aus noch zu erwartenden zukünftigen Geschäften mit den geworbenen Kunden, die bei fortbestehendem Vermittlervertrag zu erzielen gewesen wären. Unstreitig blieben in diesem Fall die im letzten Jahr vom Vermittler generierten Neu- und Mehrfachkundenumsätze. Von diesen ist für die Berechnung auszugehen.

Das waren die Schritte für die Berechnung der Ausgleichshöhe

Für die Berechnung des Ausgleichs hatte der Vertreter auf der ersten Stufe, der sog. Rohverlustberechnung, eine Prognosezeit von sieben Jahren bei einer Abwanderung von 20 Prozent pro Jahr angenommen, was unbestritten blieb. Die bezifferten Unternehmervorteile hatte der Vertreter zu zehn Prozent aufgrund verwaltender Provisionen – diese sind nicht ausgleichspflichtig – gekürzt. Das Ergebnis hat er schließlich noch mit zwei Prozent abgezinst. Billigkeitsabzüge anderer Art hatte der Versicherer nicht vorgetragen, sodass es zu keinen weiteren Abzügen kam. Der zweiten Stufe der Berechnung mit einem Vergleich zur Höchstgrenze des Ausgleichsanspruchs kam in diesem Fall aufgrund der Unterschreitung keine wesentliche Bedeutung zu.

Fazit | Das Kölner Urteil zeigt, dass im Versicherungsvertrieb auch positive Ergebnisse außerhalb der Grundsätze erzielt werden können. Das Urteil wird von Teilen der Literatur gerade aus dem Unternehmerumfeld kritisiert. Zudem wurden einige Berechnungsgrößen mit großem Einfluss auf die Höhe des Ausgleichs nicht in Zweifel gezogen, wie der Prognosezeitraum und Umstände der Billigkeit. Somit bleibt die Entwicklung beim Ausgleich für Einmalprovisionen nach dem Gesetz abzuwarten.

AUSGABE: VVP 9/2024, S. 5 · ID: 50121206

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