Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Sept. 2024 abgeschlossen.
VersicherungsrechtAktuelles aus dem Versicherungsrecht von A bis Z
| Jeden Monat entscheiden deutsche Gerichte Hunderte von Streitigkeiten zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern (VN). Hier finden Sie die Quintessenz der wichtigsten Urteile und Beschlüsse von A bis Z – sortiert nach Personen- und Sachversicherung. |
Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Personenversicherung |
Berufsunfähigkeitsversicherung |
BGH: Klauseln über Überschussbeteiligung in BU-Bedingungen in Zusammenhang mit Telematiktarif unwirksam Die von einem Versicherer in seinen Bedingungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung verwendeten Klauseln über die Überschussbeteiligung in Zusammenhang mit sog. Telematiktarifen sind unwirksam. Informationsklauseln können den VN unangemessen benachteiligen, wenn er auch das Übermittlungsrisiko trägt, obwohl er es nicht zu vertreten hat (BGH, Urteil vom 12.06.2024, Az. IV ZR 437/22, Abruf-Nr. 242213). |
OLG Dresden: Fragen im Antragsformular in der Regel keine unzulässige Globalfrage Die Frage im Antragsformular für eine private Berufsunfähigkeitsversicherung, ob in den letzten fünf Jahren „Behandlungen, Beratungen oder Untersuchungen durch Ärzte, sonstige Behandler oder im Krankenhaus“ stattgefunden haben, ist keine unzulässige Globalfrage. Eine Behandlung, die eine Überweisung zum MRT und eine einmonatige Krankschreibung nach sich zieht, ist unabhängig von ihrer Schwere nicht als belanglos anzusehen und darf bei Antragstellung nicht verschwiegen werden. Es kann eine arglistige Täuschung des Versicherers darstellen, wenn ein Antragsteller eine Krankschreibung von erheblicher Dauer verschweigt, selbst wenn dieser eine Bagatellerkrankung zugrunde lag und die Krankschreibung nur erwirkt wurde, um den Belastungen eines Arbeitsverhältnisses zu entgehen (OLG Dresden, Urteil vom 10.10.2023, Az. 4 U 789/23, Abruf-Nr. 240866). |
Krankenversicherung |
BGH: Beitragserhöhung in der PKV und die Limitierungsmaßnahmen des Versicherers Eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Nachkalkulation, die zu einer Beitragserhöhung führt, bleibt unabhängig davon wirksam, ob die – nachgelagerte – Limitierungsmaßnahme fehlerfrei erfolgt ist. Der VN muss beweisen, dass die Limitierungsentscheidung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist (BGH, Urteil vom 20.03.2024, Az. IV ZR 68/22, Abruf-Nr. 240486). |
OLG Frankfurt bejaht Krankentagegeld bei „Fluguntauglichkeit“ Stellt eine private Krankentagegeldversicherung die „Fluguntauglichkeit“ der „Arbeitsunfähigkeit“ gleich, ist Krankentagegeld auch während der Dauer eines verpflichtenden behördlichen Prüfungsverfahrens bis zu dem Tag zu zahlen, an dem das Luftfahrtbundesamt die positive Feststellung der wiedererlangten Flugtauglichkeit trifft (OLG Frankfurt a. Main, Urteil vom 01.03.2024, Az. 7 U 96/20, Abruf-Nr. 243180; entgegen OLG Köln, Urteil vom 17.12.2019, Az. 9 U 195/18, Abruf-Nr. 243181). |
Pflegeversicherung |
OLG Karlsruhe – und das Recht auf Beitragserhöhung Ein Recht des Versicherers zur Beitragserhöhung für eine zur Pflegetagegeldversicherung zusätzlich vereinbarte Beitragsbefreiungskomponente folgt nicht schon daraus, dass eine Beitragserhöhung für den im Versicherungsfall beitragsfrei zu stellenden Tarif erfolgt und in den AVB vereinbart ist, dass die „Beitragsbefreiung (...) stets für den gesamten Beitrag der versicherten Pflegegeld-Tarifstufen vereinbart sein“ muss (OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2024, Az. 12 U 167/22, Abruf-Nr. 243182). |
Lebensversicherung |
OLG Karlsruhe konkretisiert fehlerhafte Widerspruchsbelehrung im Policemodell Eine Widerspruchsbelehrung im Policenmodell ist fehlerhaft, wenn dort der Fristbeginn allein an den Erhalt des Versicherungsscheins geknüpft ist. Dieser Belehrungsmangel ist nicht so geringfügig, dass er im Ergebnis folgenlos bliebe (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.06.2024, Az. 12 U 203/23, Abruf-Nr. 243183). |
Rentenversicherung |
Unzureichende Verbraucherinformationen – Anwendung des Policenmodells Unzureichende Verbraucherinformationen beim Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung 2007 führen zur Anwendung des Policenmodells, weshalb sich die Belehrung über die Widerspruchsmöglichkeit trotz angedachten Antragsmodells an § 5a VVG a. F. zu messen hat. Dieser Rechtsfolge kann § 242 BGB nicht entgegengehalten werden (OLG Dresden, Urteil vom 30.04.2024, Az. 3 U 1427/23, Abruf-Nr. 243184). |
Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Sachversicherung |
Kfz-Versicherung |
Erst kein Geld, dann keine Ersatzteile – Nutzungsausfallentschädigung für insgesamt 57 Tage zugesprochen Überfordert die Reparatur den Geschädigten finanziell, muss er nicht in Vorleistung treten. Voraussetzung ist, dass er den Versicherer insoweit gewarnt hat. Wird dann unverzüglich nach Bestätigung der Kostenübernahme durch den Versicherer mit der Reparatur begonnen, muss der Versicherer den erweiterten Ausfallschaden erstatten. Sind dann Teile nicht lieferbar, sodass sich die Fertigstellung der Reparatur verzögert, geht auch diese Erweiterung des Ausfallschadens zulasten des Versicherers. Das gilt umso mehr, wenn der Geschädigte dem Versicherer frühzeitig mitgeteilt hat, welche Teile fehlen (AG Zittau, Zweigstelle Löbau, Urteil vom 16.07.2024, Az. 8 C 119/24, Abruf-Nr. 242741). |
AG Peine und AG Braunschweig einer Meinung: Nutzungsausfall gibt es auch für den Tag der Begutachtung Der Schädiger ist verpflichtet, für den Tag der Begutachtung des verunfallten Fahrzeugs die Nutzungsausfallentschädigung zu zahlen. Das gilt selbst dann, wenn die tatsächliche Beeinträchtigung durch die Begutachtung gering ist. Denn eine freie Nutzung des Fahrzeugs ist am Tag der Begutachtung nicht bzw. nur mit Einschränkungen möglich gewesen (AG Peine, Urteil vom 03.07.2024, Az. 5 C 541/22, Abruf-Nr. 242644; AG Braunschweig, Urteil vom 13.05.2024, Az. 121 C 1470/23, Abruf-Nr. 242645, beide eingesandt von Rechtsanwalt Tim Rischmüller, Braunschweig). |
Elf Tage Verzögerung wegen Werkstattauslastung: AG Rheinberg hat Mietwagenkosten zugesprochen Entschließt sich der Geschädigte zur Reparatur des unfallbedingt nicht mehr nutzbaren Fahrzeugs, ist die von ihm ausgewählte Werkstatt aber so ausgelastet, dass vom Reparaturauftrag bis zum Reparaturbeginn elf Tage verstreichen, sind die Mietwagenkosten auch für diese Zeitspanne unproblematisch zu erstatten (AG Rheinberg, Urteil vom 03.07.2024, Az. 11 C 16/24, Abruf-Nr. 242788, eingesandt von Rechtsanwalt Oliver Güldenberg, Duisburg/Voerde). |
Umrüstung auf corporate identity-Firmenfarbe: Kosten auch bei fiktiver Abrechnung zu erstatten Kommt es für einen Geschädigten auf die Firmenfarbe (hier: Postgelb) im Hinblick auf den Wiedererkennungswert an, hat er auch Anspruch auf ein Fahrzeug dieser Farbe. Gibt es keinen funktionierenden Gebrauchtwagenmarkt für Fahrzeuge mit dieser Farbe, weil alle am Markt befindlichen Fahrzeuge in dieser Farbe ausgemusterte Fahrzeuge dieses Geschädigten sind, sind die Kosten der Umrüstung eines passenden Gebrauchtfahrzeugs auf diese Farbe auch bei fiktiver Abrechnung (also ohne Nachweis eines Ersatzkaufs mit Umrüstung) zu erstatten, so das AG Köln in enger Anlehnung an die Taxi-Entscheidung des BGH (Urteil vom 23.05.2017, Az. VI ZR 9/17, Abruf-Nr. 194757; AG Köln, Urteil vom 01.07.2024, Az. 273 C 180/23, Abruf-Nr. 242642, eingesandt von Rechtsanwalt Leif Kroll, Berlin). |
Gutachterkosten: Sachverständiger muss nicht zwingend kürzesten Weg nehmen Wenn ein etwas längerer Fahrweg im Hinblick auf den ersparten Zeitaufwand sinnvoll ist, weil die Fahrt über den kürzesten Weg beschwerlich und zeitaufwendiger ist, kann der Schadengutachter die längere Strecke nehmen und abrechnen. Ihm kann nicht zugemutet werden, die kürzeste Strecke zu fahren. Es ist vielmehr angemessen, dem Gutachter die gefahrenen Kilometer für die zeitsparendere Strecke zu erstatten (AG Nördlingen, Urteil vom 24.06.2024, Az. 5 C 96/24, Abruf-Nr. 242643, eingesandt von Rechtsanwalt Mario Müller, Wemding). |
Rechtschutzversicherung |
BGH: Rechtschutzversicherungsbedingungen zum Schiedsgutachterverfahren wirksam Eine Klausel, wonach der Rechtschutzversicherer den VN mit der Mitteilung über die Rechtschutzablehnung darauf hinzuweisen hat, dass er innerhalb eines Monats vom Versicherer die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens verlangen kann, soweit er der Auffassung des Versicherers nicht zustimmt und seinen Anspruch auf Rechtschutz aufrechterhält, bestimmt eine Ausschlussfrist und ist wirksam (BGH, Urteil vom 12.06.2024, Az. IV ZR 341/22, Abruf-Nr. 242214). |
- Wer nach diesem ersten Überblick tiefer einsteigen möchte, findet alle Urteile im Volltext auf vvp.iww.de. Geben Sie dazu in den Suchschlitz (oben rechts auf der Website) die genannte sechsstellige Abruf-Nr. ein.Urteile im Volltext auf vvp.iww.de
AUSGABE: VVP 9/2024, S. 23 · ID: 50077863