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UntervermittlerVorsicht Beitragsfalle: In diesen Fällen sind Ihre Untervermittler abhängig beschäftigt
| Bei Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) in Versicherungsvermittlerbüros werden Untervermittler des Vermittlerbetriebs immer wieder als abhängig Beschäftigte eingestuft. VVP erläutert die Hintergründe, vermittelt einen aktuellen Überblick, wann Untervermittler aus Sicht der Sozialversicherung selbstständig und wann abhängig beschäftigt sind, und erläutert, wie Sie sich als Inhaber des Betriebs verhalten. |
Arbeitsrechtlicher Begriff der Selbstständigkeit
Das BAG hat im Jahr 1999 Versicherungsvertreter/Untervermittler als selbstständig Tätige eingestuft, wenn sie
- im Wesentlichen ihre Arbeitszeit frei bestimmen und
- die Tätigkeit frei gestalten können (BAG, Urteile vom 15.12.1999, Az. 5 AZR 457/98, 5 AZR 566/98, 5 AZR 770/98 und 5 AZR 3/99).
Freie Arbeitszeit
Nach Ansicht des BAG ist von einer freien Arbeitszeit auszugehen, wenn der Untervermittler den Anfang und das Ende seiner Arbeitszeit frei regeln kann. Darüber hinaus darf der Auftraggeber keinen Mindestumfang zeitlich festlegen. Zusätzlich dürfen keine genauen Tourenpläne vorliegen.
Freie Gestaltung der Tätigkeit
Von einer freien Gestaltung der Tätigkeit kann ausgegangen werden, wenn dem Untervermittler kein fester Arbeitsort vorgegeben wird. Die Richter stellten fest, dass die Zuweisung eines Arbeitsbezirks sowie produktionsbezogene Vorgaben nicht schon für eine abhängige Beschäftigung sprechen.
Wichtig | Für das BAG sind weitere Kriterien für die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und freiem Mitarbeiter nicht relevant. Die Vereinbarung eines Konkurrenzverbots, eines vollständigen Nebentätigkeitsverbots oder das Fehlen eines kaufmännischen Betriebs sprechen nicht für eine abhängige Beschäftigung. Diese drei Kriterien regeln nicht die Gestaltung der geschuldeten Tätigkeit, sondern das sonstige Verhalten des Untervermittlers.
Persönliche Abhängigkeit – Kriterium der Sozialversicherung
Die Sozialversicherung folgt den arbeitsrechtlichen Kriterien nicht. Aus ihrer Sicht ist die persönliche Abhängigkeit das wesentliche Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob ein Untervermittler als Selbstständiger oder abhängig Beschäftigter anzusehen ist. Alle anderen von den Gerichten entwickelten Kriterien nennen nur Teilaspekte, die für die Nicht-Selbstständigkeit sprechen.
Wichtig | Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, hängt davon ab, welche Kriterien überwiegen. Maßgebend ist das Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung. Entscheidend ist nicht, was in einem schriftlichen Vertrag vereinbart wurde. Es kommt dabei auf die tatsächlichen Verhältnisse an, so wie etwas gelebt wird (BSG, Urteil vom 25.01.2006, Az. B 12 KR 30/04 R, Abruf-Nr. 071548 und Urteil vom 24.01.2007, Az. B 12 KR 31/06 R, Abruf-Nr. 070933; BSG, Urteil vom 28.05.2008, Az. B 12 KR 13/07 R, Abruf-Nr. 082276).
Checkliste / Indizien für abhängige Beschäftigung oder Selbstständigkeit | |
Abhängige Beschäftigung | Selbstständigkeit |
Persönliche Abhängigkeit | |
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Weisungsgebundenheit | |
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Kein Unternehmerrisiko | |
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Kein Einsatz eigenen Kapitals | |
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Wirtschaftliche Abhängigkeit | |
Kriterium ist für sich genommen zur Abgrenzung nicht geeignet (z. B. Betrieb kann durchaus wirtschaftlich von größeren Unternehmen abhängig sein, sozialversicherungsrechtlich kann Betriebsinhaber aber selbstständig sein). | |
Weitere Abgrenzungskriterien | |
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Beispiele |
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Wichtig | Stellt der Betriebsprüfer der DRV eine abhängige Beschäftigung des Untervermittlers fest, besteht Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Der Inhaber des Vermittlerbetriebs muss für das laufende Jahr und für die vergangenen vier Jahre die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile nachzahlen. Lediglich für die letzten drei Monate vor der Betriebsprüfung kann er die Arbeitnehmeranteile vom Untervermittler einbehalten.
Handlungsempfehlungen für Versicherungsvermittler
Um Streitigkeiten mit dem Prüfer der Rentenversicherung vorzubeugen, sollten Sie als Inhaber des Vermittlerbetriebs bei der DRV Bund ein Statusfeststellungs-/Clearingverfahren (Deutsche Rentenversicherung Bund, Clearingstelle, 10704 Berlin) anstreben. Dieses können Sie seit 01.04.2022 bereits vor Beginn der Zusammenarbeit mit einem Untervermittler anstoßen. Dann tritt die Versicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung durch die Clearingstelle bzw. bei Rechtskraft des Bescheids nach einem Rechtsmittelverfahren ein. Diese „kleine Amnestie“ können Sie aber nur in Anspruch nehmen, wenn der Untervermittler
- dem späteren Beginn der Sozialversicherungspflicht zustimmt und
- eine angemessene Absicherung für das Alter und Krankheit nachweist.
Wichtig | Selbst wenn der Bescheid der Clearingstelle falsch sein sollte und der Untervermittler irrtümlich als Selbstständiger eingestuft wurde, sind die Prüfer der DRV für die Vergangenheit an diese Bescheide gebunden.
Praxistipp | Haben Sie kein Statusfeststellungsverfahren durchgeführt und liegen jetzt mit dem Prüfer der Rentenversicherung im Clinch, sollten Sie unbedingt Nachweise und Belege vorlegen, aus denen hervorgeht, dass der Untervermittler selbstständig tätig ist. Das könnten z. B. Belege aus der Finanzbuchhaltung des Untervermittlers über die Anschaffung von Arbeitsmitteln sein, die er sich selbst zugelegt hat. |
AUSGABE: VVP 9/2024, S. 19 · ID: 50099645