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Maklerrecht/BeratungsprotokollIst bei Übernahme eines Versicherungsvertrags eine Beratung und Dokumentation erforderlich?

Top-BeitragAbo-Inhalt26.06.2024816 Min. Lesedauer

| Die Vermittlung eines Versicherungsvertrags ist meist mit einer vorhergehenden Beratung, eines infolgedessen erteilten Rats und einer sich daran anschließenden Dokumentation verbunden. Wie ist es aber diesbezüglich bei einer Vertragsübernahme, wenn der Vermittler einen bestehenden, also nicht selbst vermittelten Vertrag auf Wunsch des Kunden/VN lediglich in „seinen Bestand“ übertragen bekommt? Hierzu erreichte VVP die Frage eines Versicherungsmaklers. |

Frage: Kunden von mir sind leider vom aktuellen Hochwasser betroffen. Sie haben eine Wohngebäudeversicherung, allerdings ohne Elementarversicherung. Ich habe den Vertrag damals vom Versicherer X so übernommen, in dem von Anfang an keine Elementarversicherung mit eingeschlossen war. Nun meine Frage: Brauche ich auch bei einer Vertragsübernahme ein Beratungsprotokoll?

Antwort: Ein Beratungsprotokoll muss – sofern der Kunde hierauf nicht verzichtet – im Regelfall im Anschluss an eine Beratung bzw. die Erteilung eines Rats erstellt werden. Das Gleiche gilt bei einer Vertragsübernahme, wenn die Situation, in der sich der Kunde befindet, Anlass für eine Beratung gibt.

Beratungs- und Dokumentationspflicht als Grundsatz

Die Beratungspflichten eines Versicherungsvermittlers ergeben sich aus § 61 VVG und bei einem Makler zusätzlich aus dem mit seinem Kunden geschlossenen Maklervertrag. Der Makler muss den von seinem Kunden genannten risikobehafteten Versicherungsbedarf und die damit zusammenhängenden erkennbaren Gefahren klären. Zu beachten ist aber: Die bloße Übergabe von Versicherungsunterlagen führt ohne Äußerung weiterer Anliegen des Kunden nicht automatisch dazu, dass der Makler die gesamte Absicherung des Kunden in jeder Hinsicht prüfen muss (Langheid/Rixecker, VVG, 7. Aufl., München 2022, § 61, Rz. 10).

Vertragsübernahme kann anlassbezogene Beratungspflichten begründen

Der Versicherungsmakler hat aber von Gesetzes wegen nicht nur dann zu beraten, wenn es um den Abschluss oder den Wechsel eines Versicherungsvertrags geht, sondern auch, wenn es im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses um Änderungen geht, z. B. einen Tarifwechsel. Je nach Inhalt des Maklervertrags kann der Kunde vom Makler auch eine laufende Überwachung des Vertrags sowie eine Marktbeobachtung erwarten (Langheid/Rixecker, a. a. O., § 61, Rz. 11).

Ebenso können gesonderte Regelungen im Maklervertrag bei einer Übernahme von Versicherungsverträgen den Makler verpflichten, diese mit Blick auf den bestehenden Versicherungsschutz zu prüfen, eventuelle Deckungslücken zu identifizieren und den Kunden über mögliche Verbesserungen oder notwendige Anpassungen der Policen zu informieren. Fehlen entsprechende Regelungen im Maklervertrag, ergibt sich eine anlassbezogene Beratungspflicht bei einer Vertragsübernahme aus § 61 VVG.

Wichtig | Die anlassbezogene Beratungspflicht von lediglich in seinen Bestand übernommenen Versicherungsverträgen kann ein Versicherungsmakler im Übrigen wegen § 67 VVG vertraglich nicht ausschließen. Seine treuhänderische Pflicht dem Kunden gegenüber gestattet es dem Makler nicht, grundlegende Überprüfungen und Beratungen zum Nachteil des Kunden auszuschließen. Eine Vertragsklausel, die grundlegende Pflichten des Maklers ausschließt oder einschränkt, wäre unwirksam.

Konkrete Situation entscheidet über anlassbezogene Beratungspflicht

Ob bei einer Vertragsübernahme ein Beratungsprotokoll erstellt werden muss, ist eigentlich erst die Folgefrage der zunächst entscheidenderen fachbezogenen Frage: Liegt beim VN eine geänderte Situation vor, die bei einer Vertragsübernahme einen Anlass für eine konkrete Beratung gibt? Wäre diese Frage zu bejahen, müsste in Kenntnis dessen eine anlassbezogene Beratungspflicht auch bei Übernahme des Vertrags bejaht und infolge der Beratung der erteilte Rat dokumentiert werden. Losgelöst von einem konkreten Fall müsste die eher abstrakte, allgemeine Ausgangsfrage, ob der Makler mit Blick auf die Elementarversicherung auch bei einer Vertragsübernahme ein Beratungsprotokoll braucht, daher unkonkret und wenig zielführend beantwortet werden mit: Es kommt drauf an!

Beratungsprotokoll stets sinnvoll in der Praxis

Das Beratungsprotokoll schützt nicht nur den Kunden, indem es sicherstellt, dass er umfassend über relevante Versicherungsprodukte, Deckungen und Risiken aufgeklärt wurde. Es schützt insbesondere den Vermittler, der damit dokumentieren kann, dass er seine Pflichten korrekt erfüllt hat. Daher ist eine Dokumentation stets sinnvoll, um bei späteren Missverständnissen oder Streitigkeiten über den Inhalt der Beratung zurückgreifen und nachweisen zu können, dass der Kunde korrekt und umfassend über seine Versicherungsoptionen und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt wurde.

Zurück zur Ausgangsfrage: Bei einer Vertragsübernahme sollten Sie stets prüfen, ob in der konkreten Kundensituation ein Anlass für eine Beratung besteht. Wurde etwa der übernommene Wohngebäudevertrag vor langer Zeit geschlossen und hat die Klima- bzw. Hochwasserfrage im betroffenen Gebiet damals – im Gegensatz zur gewandelten gegenwärtigen Umweltsituation – keinerlei Rolle gespielt, wäre ein Beratungsanlass zu bejahen. Die Beratung und Erteilung des Rats müssten dann (wie grundsätzlich bei der Vermittlung eines Versicherungsvertrags) entsprechend dokumentiert werden. In diesem Fall bräuchten Sie zum Nachweis Ihrer Tätigkeit also auch bei einer „bloßen“ Vertragsübernahme ein Beratungsprotokoll.

Wichtig | Mit Blick auf die Nachweisfunktion eines Beratungsprotokolls sollten Sie bei Zweifelsfragen betreffend den Beratungsanlass immer das Gespräch mit dem Kunden suchen und dieses entsprechend dokumentieren.

AUSGABE: VVP 9/2024, S. 3 · ID: 50066339

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