Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Nov. 2024 abgeschlossen.
VereinsrechtBürokratieentlastungsgesetz: Gesetzgeber hat schriftliche Beschlussfassung vereinfacht
| Der Bundesrat hat am 27.09. dem „Vierten Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie“ zugestimmt. Es ändert auch das BGB-Vereinsrecht zur schriftlichen Beschlussfassung. VB stellt die Änderungen vor. |
Die Beschlussfassungsregelungen im Vereinsrecht
Die Beschlussfassung im Verein muss „in einer Versammlung der Mitglieder“ erfolgen. So steht es in § 32 Abs. 1 BGB. Es gibt davon nur eine Ausnahme – die schriftliche Beschlussfassung. Sie ist nach § 32 Abs. 3 BGB für alle Arten von Beschlüssen möglich. Anders als bei Beschlüssen einer Versammlung ist aber die Einstimmigkeit erforderlich.
Dabei ersetzt die schriftliche Abstimmung den Versammlungsbeschluss. Ohne spezielle Satzungsregelung ist deswegen eine Kombination von Versammlungsbeschluss und schriftlicher Beschlussfassung nicht möglich. So kann z. B. eine ergänzende Briefwahl bei der Vorstandswahl nur durchgeführt werden, wenn die Satzung das ausdrücklich vorsieht.
Eine Ausnahme gibt es nach § 33 BGB nur für die Zweckänderung. Hier kann (bzw. muss) die Zustimmung der nicht erschienenen Mitglieder schriftlich eingeholt werden. Nach den bisherigen Regelungen der §§ 32 und 33 BGB war dafür ausdrücklich die Schriftform erforderlich. Das bedeutet nach § 126 BGB die persönliche Unterschrift auf Papier. Sie kann nur durch eine qualifizierte elektronische Signatur oder notarielle Beglaubigung ersetzt werden.
Die Neuregelung: Textform statt Schriftform
Die Neuregelung im Vierten Bürokratieentlastungsgesetz ändert die Schriftformerfordernis der §§ 32 und 33 BGB ab in die Textform. Auch für die Textform gelten aber bestimmte Anforderungen.
Die Voraussetzungen für die Beschlussfassung in Textform
Voraussetzungen für eine Beschlussfassung per elektronischer Kommunikation ist aber, dass die Mitglieder die entsprechenden Medien nutzen. Das setzt entweder eine entsprechende Satzungsregelungen voraus oder die Einzelzustimmung jedes Mitglieds. Grundsätzlich genügt es auch, dass die entsprechenden Kommunikationsformen im Verein gang und gäbe sind. Das muss der Verein aber nachweisen können, damit nicht einzelne Mitglieder die Abstimmung anfechten können.
Was bedeutet Textform?
Welche Vorgaben erfüllt sein müssen, damit eine Erklärung (hier Stimmabgabe) die Anforderungen an die Textform erfüllt, regelt § 126b BGB. Sie muss
- lesbar sein, also aus Schriftzeichen bestehen (eine Ton- oder Videoaufzeichnung erfüllt die Voraussetzungen also nicht);Die drei Anforderungen an die Textform
- dauerhaft gespeichert werden können. Dabei darf die Übertragung elektronisch erfolgen, wenn danach eine dauerhafte Speicherung möglich ist. Deshalb ist die Textform nicht eingehalten, wenn die Erklärung lediglich auf einer Internetseite angezeigt wird.
- den Namen des Erklärenden enthalten, bei Abstimmungen also den Namen des Mitglieds. Nicht erforderlich ist die Angabe der Adresse.
Natürlich muss die Erklärung auch den Beschlusstext und das Votum des Mitglieds (Ja/Nein/Enthaltung) enthalten.
In Frage kommen für die Textform insbesondere E-Mail, SMS und Messengerdienste wie z. B. WhatsApp, bei denen eine direkte Übertragung an den Empfänger erfolgt. Auch ein Abstimmungsverfahren über einen Server (Website) ist denkbar; es muss aber entsprechende Voraussetzungen erfüllen.
Erfüllen Onlineabstimmungen die Textform?
Wenn die Abstimmung im weiteren Sinne auf elektronischem Weg (z. B. per E-Mail) erfolgen kann, stellt sich die Frage, ob gängige Abstimmungstools auf einer Website (oder per Smartphone-App) ebenfalls die Anforderung an die Textform erfüllen. Das würde Beschlussfassung und Stimmauszählung vereinfachen. Grundsätzlich können auch websitebasierte Abstimmungstools die Anforderungen des § 126b BGB erfüllen. Es müssen aber einige Voraussetzungen erfüllt sein, denen viele Tools nicht genügen werden:
- Die Mitglieder müssen namentlich erfasst sein oder sich mit Namen anmelden.
- Die Stimmabgabeerklärung muss dem Mitglied anschließend so zur Verfügung gestellt werden, dass es sie dauerhaft speichern kann. Das kann durch eine Bestätigung per E-Mail erfolgen oder einen Download, der automatisch verfügbar ist. Die bloße Anzeige der Stimmabgabe auf der Website genügt nicht. Etwas anderes gilt nur, wenn jedes Mitglied einen persönlichen Bereich auf der Website hat, wo die Erklärung dauerhaft gespeichert wird.... stellt hohe Anforderungen an das Webtool
- Die so erzeugte Stimmabgabebestätigung muss den Beschlusstext, den Namen des Mitglieds und eine Angabe, dass es zugestimmt hat, enthalten.
Ist das Mitglied eine juristische Person (z. B. anderer Verein), muss sowohl ihr Name als auch der Namen der Person, die für sie abstimmt, enthalten sein.
Virtuelle Versammlung statt Beschlussfassung in Textform?
Seit der Gesetzgeber die Voraussetzungen für eine virtuelle Mitgliederversammlung geschaffen hat, stellt sich die Frage, ob die Beschlussfassung in Text- oder Schriftform nicht ohnehin überflüssig ist. Insbesondere ist die Mehrheitsfindung bei einer (virtuellen) Versammlung deutlich einfacher, weil anders als bei der Beschlussfassung in Textform (außer bei Zweckänderungen) keine Einstimmigkeit gefordert ist. Auch bei einer virtuellen Versammlung bestehen aber bestimmte Anforderungen:
- Die Möglichkeit einer rein virtuellen Versammlung muss von einer Präsenzversammlung beschlossen werden, wenn die Satzung sie nicht vorsieht.
- Dazu kommt, dass in einer Mitgliederversammlung den Mitgliedern das Rede- und Antragsrecht eingeräumt werden muss. Eine kurze „Versammlung“, in der ohne Debatte abgestimmt wird, ist also wiederum nur mit entsprechender Satzungsregelung möglich.
Trotzdem kann eine virtuelle Mitgliederversammlung deutlich einfacher sein als die Beschlussfassung in Textform. Im einfachsten Fall wird nur ein Beschlussgegenstand (Tagesordnungspunkt) verhandelt. Die Diskussion wird in der Regel nicht sehr lang sein.
Darum hat die Neuregelung nur wenig Praxisrelevanz
In der Praxis erweist sich die Neuregelung als unzulänglich. Nicht geändert hat der Gesetzgeber nämlich das Einstimmigkeitserfordernis. Während § 33 BGB das für die Änderung des Satzungszweck ohnehin vorschreibt, ist die Abstimmung in Textform ohne zusätzliche Satzungsregelung für die meisten Vereine auch künftig nicht praktikabel.
Einstimmigkeit als größtes Hindernis
Einstimmig bedeutet nämlich, dass nicht nur Nein-Stimmen, sondern auch Enthaltungen zur Ablehnung des Beschlusses führen. Ein einziges Mitglied, das auf die Aufforderung zu Stimmabgabe nicht reagiert, bringt die Abstimmung zum Scheitern. Praktisch von Bedeutung ist die Abstimmung in Textform also nur bei Vereinen mit recht kleinen Mitgliederzahlen und im Fall der Zweckänderung. Auch im letzten Fall aber nur, wenn die Satzung hier kein von § 33 BGB abweichendes Quorum vorsieht. Der Gesetzgeber hat also die Chance vertan, die Beschlussfassung in Vereinen tatsächlich zu erleichtern.
Satzungsregelungen bleiben meist unverzichtbar
Um eine Abstimmung per elektronischer Kommunikation praktikabel durchführen zu können, sind also in den meisten Vereinen Satzungsregelungen erforderlich. Die konnten aber schon bisher die restriktiven Regelungen des BGB zur schriftlichen Beschlussfassung umgehen, weil sowohl § 32 als auch § 33 BGB nachgiebig sind, also per Satzung abgeändert werden können.
Eine Satzungsregelung zur Beschlussfassung in Textform sollte enthalten
- das verpflichtend zu nutzende Kommunikationsmedium (E-Mail, Messengerdienst),
- den Verzicht auf die Einstimmigkeit,
- eine nicht zu lange Frist für die Stimmabgabe, damit die Beschlussfassung in überschaubarer Zeit erfolgen kann.
- Viertes Bürokratieentlastungsgesetz, Bundesrat-Drucksache 474/24 vom 27.09.2024 → Abruf-Nr. 244384
AUSGABE: VB 11/2024, S. 19 · ID: 50213795