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ReparaturkostenAbrechnung von bestimmten Rechnungspositionen: Was Gerichte zur Laienerkennbarkeit sagen
| Wenn es richtig und laienerkennbar offensichtlich wäre, dass eine Rechnungsposition von vornherein nicht berechtigt wäre, unterfiele sie insoweit nicht dem durch den subjektbezogenen Schadenbegriff gegebenen Schutz. Der Geschädigte darf sie dann also nicht für richtig halten. Deshalb versuchen viele Versicherer nun, manche Positionen in diese Ecke zu schieben. UE erläutert anhand verschiedener Urteile die Einzelheiten. |
AG Euskirchen: Kunde muss Probefahrt nicht hinterfragen
Dass die Probefahrt ausschließlich der Kontrolle der Werkstatt selbst diene und die nun wirklich nicht den Aufwand, den sie betreibt, um zu kontrollieren, ob sie gute Arbeit geleistet habe, dem Kunden in Rechnung stellen dürfe, sei doch auch für Laien völlig offensichtlich, tönt es also durch viele Schriftsätze.
Das AG Euskirchen sieht das richtigerweise anders: Die Reparatur enthält ausweislich der eingereichten Unterlagen zahlreiche Arbeitsschritte, welche nicht ausschließlich an der Oberfläche des Fahrzeugs stattfanden. Vor diesem Hintergrund musste der Geschädigte als Laie nicht hinterfragen, inwieweit eine abschließende Probefahrt, welche naturgemäß durchaus einen Zeitaufwand beinhaltet, üblich und erforderlich und ferner separat abrechnungsfähig ist (AG Euskirchen, Urteil vom 18.11.2024, Az. 103 C 137/24, Abruf-Nr. 245732, eingesandt von Rechtsanwalt Dr. Ralph Burkard, BRE, Meckenheim).
LG Duisburg: Schadengutachten beeinflusst Probefahrtkosten
Das LG Duisburg entscheidet: Soweit das Amtsgericht darauf abgestellt hat, die Probefahrt sei objektiv zur Schadenbeseitigung nicht erforderlich gewesen, sondern diene ausschließlich oder jedenfalls primär der Selbstkontrolle der Werkstatt, kommt es hierauf nicht an. Denn die Position unterfällt ebenfalls dem Werkstattrisiko (LG Duisburg, Urteil vom 28.11.2024, Az. 12 S 5/23, Abruf-Nr. 245758, eingesandt von Rechtsanwalt Oliver Güldenberg, Duisburg/Voerde).
Den im Einzelfall erforderlichen Reparaturweg legen Gutachter und Werkstatt fest, ohne dass der Geschädigte hierauf Einfluss nehmen könnte. Der Geschädigte besitzt in aller Regel auch nicht die notwendigen Kenntnisse aus dem Kfz-Handwerk, um überprüfen zu können, ob die in dem – ohne Auswahlverschulden eingeholten – Gutachten ausgewiesene Probefahrt im konkreten Fall tatsächlich Teil des notwendigen Reparaturwegs ist oder nur einer Eigenkontrolle des Werkstattbetreibers dient.
Wichtig | Doch auch wenn man nicht nur die subjektbezogene Brille aufsetzt und stattdessen die Probefahrtkosten auf ihre werkvertragliche Berechtigung hin überprüft, wie es ja in Regressprozessen von Versicherern gegenüber Werkstätten geschehen wird, kommt dabei heraus: Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH zu den Corona-Schutzmaßnahmen darf eine Werkstatt im Rahmen ihrer Preisgestaltungsautonomie selbst entscheiden, welche Arbeitspositionen sie einpreist und welche sie gesondert berechnet. Das hat der BGH so entschieden, als der Versicherer (in der Vorinstanz beim LG Stuttgart sogar erfolgreich) vortrug, Corona-Schutzmaßnahmen seien doch nur Arbeitnehmerschutz. Und das wisse doch nun jedermann, dass die vom Arbeitgeber bezahlt werden müssten (BGH, Urteil vom 13.12.2022, Az. VI ZR 324/21, Abruf-Nr. 233276).
Darf aber eine Position werkvertraglich zulässig abgerechnet werden, ist es auszuschließen, dass ein Geschädigter die Unzulässigkeit erkennen kann, denn die gibt es nicht. Bei den auch immer wieder als laienerkennbar fehlerhaft gebrandmarkten Reinigungskosten ist die Rechtslage identisch. Gebetsmühlenartig kann da nur wiederholt werden: Es gibt nichts, das „eine Werkstatt selbst bezahlen müsse“ und „nicht an den Kunden berechnen dürfe“.
Praxistipp | Alles, was eine Werkstatt bezahlt, bezahlt sie mit Geld, das sie von Kunden bekommen hat oder bekommen wird. Sie muss nur entscheiden, ob sie das Geld, das sie für die Kosten der Arbeitsposition benötigt, irgendwo „versteckt“, also einpreist, oder offen und transparent berechnet. |
AG Coburg: Doppelberechnungen für Laien nicht erkennbar
Behauptet der Versicherer, in der Werkstattrechnung gebe es eine Doppelberechnung, weil eine berechnete Position auch in einer anderen Position enthalten sei, ist das schadenrechtlich ohne Bedeutung. Denn das ist für den Geschädigten vom Werkstattrisiko als Ausprägungsform des subjektbezogenen Schadenbegriffs umfasst. Anders wäre es nur, wenn diese Doppelberechnung für den Geschädigten offensichtlich, also laienerkennbar wäre. Der Versicherer kann sich aber nicht mit Erfolg auf eine solche Laienerkennbarkeit berufen, wenn er selbst für die Überprüfung der Reparaturrechnung einen externen Dienstleister eingeschaltet hat (AG Coburg, Urteil vom 20.09.2023, Az. 20 C 1793/23, Abruf-Nr. 237485).
Wichtig | Liegen tatsächlich zwei Arbeitsschritte vor, ist es abwegig zu behaupten, das sei nur einer, und das sei laienerkennbar. In einem Regressverfahren Versicherer gegen Werkstatt war das Ergebnis: „Hinsichtlich der Positionen ‚Farbmustererstellen‘ und ‚Farbton mischen‘ hat die Beklagte nachvollziehbar erläutert, dass es sich dabei um zwei verschiedene Arbeitsschritte – nämlich das Mischen des Farbtons und der Kontrolle der Farbmischung – handelt.“ (AG Ahaus, Urteil vom 18.09.2024, Az. 15 C 78/24, Abruf-Nr. 244377, eingesandt von Rechtsanwalt Matthias Reckels, Gronau).
- Beitrag „Doppelberechnung ist für technischen Laien nicht erkennbar“, UE 10/2023, Seite 1 → Abruf-Nr. 49718536
- Textbaustein 577: Probefahrt-, Reinigungs-, Richtwinkelkosten → Abruf-Nr. 49547707
- Textbaustein 352: Kosten für Probefahrt sind erstattungspflichtig → Abruf-Nr. 40314650
AUSGABE: UE 2/2025, S. 6 · ID: 50275121