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Mietwagenkosten/RegressRegress wegen Mietwagenkosten: So lässt sich das „zu langsam repariert“-Argument entkräften

Abo-Inhalt22.10.20243300 Min. Lesedauer

| Weil die vom Geschädigten nicht zu beeinflussende Reparaturdauer wegen des subjektbezogenen Schadenbegriffs in den Bereich der Schadenpositionen fällt, weshalb der Geschädigte geschützt ist, muss der Versicherer die erweiterten Reparaturkosten erstatten. Allerdings kann er vom Geschädigten verlangen, dass der ihm seine eventuellen Schadenersatzansprüche gegen die Werkstatt wegen verzögerter Reparatur abtritt. In einem UE vorliegenden Fall verlangt der Versicherer nun die Mietwagenkosten für die Zeit von der Werkstatt zurück, die er für „zu langsam repariert“ hält. Was tun? |

Unter sehr engen Umständen ist so ein Anspruch denkbar

Im Kern ist der Ansatz richtig. Der Ansatz ist im Kern auch dann richtig, wenn das kein eigener Mietwagen der Werkstatt war, sondern ein externer Vermieter eingeschaltet war. Jedoch gibt es zwei Einschränkungen:

  • Es muss sich um einen Schadenersatzanspruch des Versicherers wegen schuldhafter Verzögerung bei der Reparatur handeln.
  • Und der Werkstattkunde muss die Werkstatt gemahnt haben.

Schadenersatzanspruch wegen schuldhafter Verzögerung

In beiden Konstellationen handelt es sich nicht um eine Rückzahlung überzahlter Mietwagenkosten. Denn es wurden ja nicht mehr Mietwagenkosten berechnet als der Mietwagen zur Verfügung gestellt wurde. Es handelt sich vielmehr um einen Schadenersatzanspruch des Versicherers wegen Verzugs bei der Reparatur. Folgerichtig hat sich der Versicherer abtreten lassen „Ersatzansprüche aufgrund ungerechtfertigter Verzögerung der Reparaturdauer“.

Damit hat er eine Messlatte bereits selbst gesetzt: Ersatzansprüche kann er nicht wegen jeder Verzögerung der Reparaturdauer stellen, sondern allenfalls wegen einer Verzögerung, die die Werkstatt verschuldet hat. Denn in der für Unfallschaden-Reparaturen typischen Fallgruppe, bei der kein Fertigstellungstermin fix zugesagt war, gilt die Grundregel aus § 280 Abs. 1 BGB: Kein Verzug ohne Verschulden.

Verzögerungsgrund außerhalb der Sphäre der Werkstatt

Damit können von vornherein alle Verzögerungsgründe ausgeschieden werden, die außerhalb der Sphäre der Werkstatt liegen und auf die die Werkstatt auch keinen Einfluss hat. Vorneweg ist da das derzeitige Dauerproblem der nur verzögert eintreffenden Ersatzteile zu nennen. Wenn eine zuverlässige Lieferquelle für Ersatzteile beauftragt wurde und die mitteilt, dass das benötigte Ersatzteil nicht ad hoc lieferbar ist, kann ein Verschulden der Werkstatt nicht erkannt werden. Eine Pflicht, mehrere oder quasi marktforschend nun alle denkbaren Lieferquellen parallel anzufragen, ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn eine baldige Lieferung in Aussicht gestellt ist.

Wichtig | Allenfalls bei erkennbar langfristig nicht lieferbaren Teilen kann das anders sein. Dann ist es eine sehr empfehlenswerte zusätzliche Maßnahme, den Versicherer einzubeziehen. Unter präziser Mitteilung, welche Teile fehlen, wird er gefragt, ob er eine derzeit lieferfähige Quelle kennt. Ggf. solle er die benennen. Das wird nur selten erfolgreich sein, und wenn doch (ein sehr großer Versicherer hat inzwischen hausintern eine „Teile-Taskforce“ eingerichtet), ist es zu verkraften. Denn die halbfertigen Fahrzeuge stehen im Wesentlichen im Weg herum.

Benennt aber auch der Versicherer keine Quelle, die tatsächlich liefern kann, wird er später nicht sagen können, wenn die Werkstatt sich mehr bemüht hätte, hätte sie das Teil beschaffen können.

Auch andere externe Verzögerungsgründe können der Werkstatt nicht angelastet werden: Z. B. ein Stromausfall, der länger andauert; ein auf dem Weg zur Werkstatt gründlich verunfallter Ersatzteillieferant; durch einen Streik verursachte Lieferverzögerung; die Durchfahrt verhindernde Straßenblockaden von längerer Dauer. Alles das ist nicht beeinflussbar. Das gilt auch für behördliche Maßnahmen, die die Reparatur verzögern, wie wir sie zu Corona-Zeiten mit Betriebsschließungen bereits erlebt haben.

Wichtig | Solche Verzögerungsgründe sind definitiv nicht von der Werkstatt verschuldet. Daher ist die Werkstatt trotz verlängerter Reparaturdauer nicht in Verzug. Der Regress des Versicherers wird schon deshalb scheitern.

Verzögerungsgrund innerhalb der Werkstatt, aber nicht zu beeinflussen

Auch innerhalb der Werkstatt sind Verzögerungsgründe denkbar, bei denen kein Verschulden der Werkstatt zu erkennen ist, etwa ein akut hoher Krankenstand oder ein anderweitig begründeter kurzfristiger Personalausfall.

Selbst dann, wenn einem Mitarbeiter kurzfristig bewusst das Fernbleiben vom Arbeitsplatz erlaubt wird, weil er z. B. im Kampf gegen Hochwasser sein Hab und Gut sichern muss, ist das kein Umstand, der in die Haftung der Werkstatt wegen der Verzögerung führt. Dasselbe gilt für die Mitglieder der Feuerwehren und anderen Katastrophenschutzeinrichtungen unter den Mitarbeitern, die bei großen Einsätzen berechtigt der Arbeit fernbleiben.

Verzögerungsgrund innerhalb der Werkstatt durch eigenen Fehler

Die rechte vordere Tür sollte als Ersatzteil bestellt werden. Doch da hat jemand nicht aufgepasst und versehentlich die linke bestellt. Das fällt erst bei deren Lieferung auf, und bis dann die richtige da ist, stehen drei Mietwagentage mehr auf dem Zettel. Oder der Mitarbeiter macht einen Fehler, der dazu führt, dass ein Arbeitsschritt, evtl. ein zeitaufwendiger, wiederholt werden muss. Ggf. werden die Folgen eines solchen Fehlers erst bei der Endkontrolle entdeckt. Die Nachbesserung verzögert die Fertigstellung.

Wichtig | Diese beiden Fälle riechen sehr nach einer durch die Werkstatt verschuldeten Verzögerung.

Der überlastete externe Lackierer und das Verschulden der Werkstatt

Ein Dauerbrenner ist, dass der externe Lackierer überlastet ist und das Fahrzeug dort eine Weile herumsteht, bis es bearbeitet wird. Da wird man hinsichtlich eines Verschuldens der Werkstatt differenzieren müssen:

  • Die erste Frage ist, ob die Werkstatt von Anfang an wusste, dass es eine bedeutende Verzögerung geben wird. Nur dann kann über eine Pflicht zum Ausweichen nachgedacht werden. Bei zwei oder drei Tagen im Vorfeld erkennbarer Wartezeit ist das unkritisch, denn die Suche nach einer Alternative kostet auch Zeit.
  • Die Folgefrage wäre bei einer deutlichen vorhersehbaren Verzögerung, ob sich denn eine Alternative findet, bei der es zügiger ginge. Denn dort ist die Werkstatt dann ja ein „Gelegenheitskunde“ und kein Stammkunde. Der Lackierer ist nur ein Lückenbüßer.
  • Wusste die Werkstatt nichts von der Verzögerung und konnte sie wegen bisheriger Termintreue des Lackierers von dessen zügiger Arbeit ausgehen, wurde sie nun jedoch negativ überrascht, ist ein Verschulden an der Verzögerung auch nicht erkennbar.

Werkstattkunde muss Werkstatt gemahnt haben

Unterstellt, die Verzögerung wäre der Werkstatt im Sinne obiger Überlegung als von ihr verschuldet anzulasten, ist der Versicherer mit seiner Regressforderung immer noch nicht am Ziel. Denn die gesetzliche Regelung zum Schadenersatz wegen Verzugs ist so aufgebaut:

§ 280 Abs. 2 BGB

Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

Der damit auch in Bezug genommene § 286 Abs. 1 S. 1 BGB regelt: „Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug.“

Ein fixer Fertigstellungstermin wurde dem Kunden situationstypisch sicher nicht genannt. Es wird also auch darauf ankommen, ob der Werkstattkunde die Werkstatt gemahnt hat. Das dürfte so gut wie nie der Fall gewesen sein. Eine Nachfrage des Kunden, wann sein Fahrzeug denn fertig werde, ist keine solche Mahnung. Gerade weil der Geschädigte in seinem Warten auf die Fertigstellung mit dem Mietwagen „abgefedert“ ist, wird es selten zu einer Äußerung kommen, die die Qualität einer „Jetzt muss das aber fertigwerden, sonst wird das Konsequenzen haben“-Ansage hat. Weil der Versicherer aus vom Kunden abgetretenem Recht vorgeht, kann er nur das bekommen, was der Kunde auch hätte bekommen können: Ohne Mahnung nichts.

Weiterführender Hinweis
  • Textbaustein 619: Kein Regress des Versicherers wegen der Reparaturverzögerung und eines dadurch erweiterten Ausfallschadens → Abruf-Nr. 50209607

AUSGABE: UE 11/2024, S. 6 · ID: 50209604

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