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SV-Kosten/GutachterkostenFinanzierter sicherungsübereigneter Pkw: Darlehensnehmer bei Gutachterkosten aktivlegitimiert?

Top-BeitragAbo-Inhalt22.10.20243306 Min. Lesedauer

| Das AG Landshut hat die Erstattung der Gutachterkosten nicht zugesprochen. Denn das Fahrzeug sei im Eigentum der Bank, und deshalb sei der Darlehensnehmer als Nutzer des Fahrzeugs im Hinblick auf die Gutachterkosten nicht der Berechtigte; das, obwohl er das Gutachten in Auftrag gegeben hat. UE erläutert, was davon zu halten ist, und beleuchtet zwei Fälle. |

Um diesen Fall ging es vor dem AG Landshut

Der Versicherer hatte die Erstattung der Gutachterkosten zunächst vor allem abgelehnt, weil sich die Reparaturkosten auf knapp unter 1.200 Euro beliefen und das Schadengutachten mit knapp über 400 Euro (jeweils brutto) berechnet wurde. Aus dieser Ablehnung heraus hat sich das Thema der Aktivlegitimation für die Gutachterkosten im Verlauf des Streits erst entwickelt.

Obwohl es im Ergebnis nicht darum ging, folgende Anmerkung: Im Urteil wird das Schadenbild als „Verschrammung des Stoßfängers hinten links“ beschrieben. UE wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass bei den explodierenden Reparaturkosten auch die Bagatellgrenze nicht mehr an Zahlen aus verflossenen Zeiten festgemacht werden kann. Prozesse um 400 Euro Gutachtenkosten bei niedrigen Reparaturkosten bergen immer das Risiko, dass der Gutachter an dem Ast sägt, auf dem er sitzt. Wer ehrlich zu sich selbst ist, muss sehen: Ein Schaden mit den 750 Euro aus der Zeit der BGH-Entscheidung vor 20 Jahren entspricht heute einem sehr deutlich höheren Schaden. Das sehen die Gerichte auch. Und irgendwann wird ein Gericht „umrechnen“. Dann haben wir eine Bagatellgrenze, die niemand wollen kann. Im Urteilsfall wäre ein gutachterliches Kleinprodukt sicher die bessere Lösung gewesen, zumal bei einem verschrammten Stoßfänger nur schwer zu begründen sein wird, welche evtl. verborgenen Schäden den Aufwand des vollständigen Gutachtens rechtfertigen sollen.

Die Klauseln im Darlehensvertrag sind untypisch

Zurück zum Thema der Aktivlegitimation: Der Darlehensvertrag war nicht mit einer der Banken aus dem Dunstkreis der Fahrzeughersteller abgeschlossen. Das Fahrzeug war an die Bank sicherungsübereignet. Damit ist die Bank als Eigentümerin die Trägerin des Sach- und Substanzschadens. Der Darlehensvertrag enthielt nicht die Klausel, die sonst oft zu finden ist, dass der Darlehensnehmer bei Reparaturschäden zur Reparatur im eigenen Namen und auf eigene Rechnung verpflichtet ist. Stattdessen war Folgendes vorgesehen: „Ohne Zustimmung der Bank darf der Kunde einen Reparaturauftrag nur erteilen, wenn die Bezahlung der Kosten durch ihn selbst gesichert ist.“

Darin liegt nun eindeutig nicht die Verpflichtung, das Fahrzeug im eigenen Namen und auf eigene Rechnung reparieren zu lassen. Im Gegenteil, da ist nur eine eingeschränkte Berechtigung geregelt. Denn die Bank hält sich alle Optionen offen: „Versicherungsleistungen kann die Bank nach ihrer Wahl entweder zur Tilgung ihrer Forderung oder zur Bezahlung der Reparaturkosten verwenden.“

Das mag daran liegen, dass das eine Bank ist, auf die zurückgegriffen wird, wenn andere Banken die Darlehensgewährung ablehnen. Hier ging es um ein Darlehen über einen überschaubaren Betrag in 60 Raten.

Und so liegt das AG Landshut wohl nicht falsch, wenn es sagt: Der Darlehensnehmer braucht das Gutachten nicht, um seine Verpflichtungen gegenüber der Bank auszuloten. Deshalb erwächst ihm insoweit kein Haftungsschaden. Die Bank wiederum hat das Schadengutachten nicht in Auftrag gegeben, sodass ihr in Höhe der Gutachtenkosten kein Schaden entstanden ist. So ist auch der Weg über die gewillkürte Prozessstandschaft verschlossen (AG Landshut, Urteil vom 15.10.2024, Az. 1 C 1102/23, Abruf-Nr. 244349).

So wäre es bei typischer Gestaltung im Darlehensvertrag

Das Landshuter Urteil betrifft die sehr untypischen Bedingungen aus dem Darlehensvertrag.

Extrem häufig hat UE schon eine Klausel-Kombination in Darlehensverträgen der auf Automobilfinanzierung spezialisierten Banken gesehen, die der Kombination in Leasingverträgen entspricht: Erst wird in einer Klausel festgelegt, ab welcher Schadenhöhe im prozentualen Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert ein Totalschaden vorliegt. Liegt keiner vor, muss der Darlehensnehmer das Fahrzeug im eigenen Namen und auf eigene Rechnung reparieren lassen. Das ist eine sehr sinnvolle Klausel, denn nur in repariertem Zustand bleibt das Sicherungsgut werthaltig.

Nun muss der Darlehensnehmer ja wissen, ob er mit den Reparaturkosten über oder unter der Schwelle zum Totalschaden liegt. Schon dafür muss er das Gutachten haben. Und wenn – wie hier – völlig eindeutig kein Totalschaden vorliegt, muss er eine gutachterliche Richtschnur haben, wie das Fahrzeug repariert werden muss, damit dessen Zustand hinterher bestmöglich wie vorher ist.

So lässt sich in den Standardfällen ohne weiteres begründen, warum ein Schadengutachten erforderlich ist, damit der Darlehensnehmer seine Verpflichtungen gegenüber der darlehensgebenden Bank und Sicherungseigentümerin erfüllen kann. Da die Reparaturkosten – eine tatsächlich durchgeführte Reparatur vorausgesetzt – im Rahmen des Haftungsschadens dazu führen, dass der Darlehensnehmer der Geschädigte und damit für den Schadenersatzanspruch auf Erstattung der Reparaturkosten aktivlegitimiert ist (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2019, Az. VI ZR 481/17, Rz. 26, Abruf-Nr. 207536), gehören die Gutachterkosten nach Auffassung von UE dazu.

Weiterführender Hinweis
  • Textbaustein 620: Darlehensnehmer ist jedenfalls bei der typischen Klausel-Kombination für die Erstattung der Gutachterkosten aktivlegitimiert (finanziertes Fahrzeug) – zwei Varianten: eine für Finanzierungsfälle, eine für Leasingfälle → Abruf-Nr. 50209822

AUSGABE: UE 11/2024, S. 12 · ID: 50209820

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