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Informationsrechte/StiftungssatzungDie Offenlegung der Stiftungssatzung – Das sagt der BGH zur Mehl-Mühlens-Stiftung
| Bislang sind Stiftungssatzungen nicht öffentlich zugänglich. Wer die aktuelle Satzung einer rechtsfähigen Stiftung sucht, ist auf das Entgegenkommen der Stiftung angewiesen – oder auf eine Klage. Über eine solche Auskunftsklage entschied nun jüngst der BGH. SB erläutert die Entscheidung und ihre Bedeutung für die Praxis. |
Stufenklage auf Offenlegung der Stiftungssatzung
In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um Auskunftsansprüche gegen eine rechtsfähige Stiftung, die eine Großnichte der Stifterin im Wege einer Stufenklage geltend gemacht hatte.
Die Stiftung – aufgrund von veröffentlichten Pressemitteilungen weiß man, dass es sich um die im Pferderennsport bekannte Mehl-Mülhens-Stiftung handelt – war 1985 als Stiftung von Todes wegen errichtet worden. Die kinderlose Stifterin hatte die Stiftung in ihrem Testament zur Alleinerbin eingesetzt. Die Satzung der Stiftung war nach der Errichtung mindestens einmal durch den Vorstand – das einzige Organ der Stiftung – geändert worden.
Zur gerichtlichen Auseinandersetzung kam es, nachdem sich 2021 eine Großnichte der Stifterin – die spätere Klägerin – u. a. für eine Position im Stiftungsvorstand bewarb, die Stiftung ihre Kandidatur jedoch ablehnte. Auch die Nutzungsmöglichkeit eines Grundstücks stand im Streit. Daraufhin äußerte die Großnichte Zweifel, ob der zu diesem Zeitpunkt amtierende Vorstand wirksam bestellt sei. Zur Diskussion standen u. a. Altersgrenzen sowie Vorgaben der Stifterin, dass ein Mitglied der Familie der Stifterin dem Stiftungsvorstand angehören solle (was in der damaligen Besetzung nicht der Fall war).
Die Großnichte kannte die aktuelle Satzungsfassung nicht (die sie für die konkrete rechtliche Einschätzung ihrer Fragen jedoch benötigte). Deshalb klagte sie gegen die Stiftung auf Auskunft über den Inhalt der aktuellen Satzung und die Satzungsänderungen seit Errichtung der Stiftung.
Anspruch auf Auskunft über Satzungsänderungen besteht
Das LG Köln hatte der Großnichten Recht gegeben und die Stiftung zur Auskunft verurteilt. Die Urteilsgründe sind im Einzelnen allerdings nicht veröffentlicht. Die Folgeinstanzen – das OLG Köln am 08.11.2023 (Az. I-4 U 99/23, Abruf-Nr. 236546) und der BGH am 22.02.2024 (Az. III ZB 65/23, Abruf-Nr. 240618) – entschieden vor allem über zivilprozessrechtliche Fragen, etwa die Zulässigkeit der Berufung, die die Stiftung eingelegt hatte. Im Ergebnis hielten sie das Ergebnis des LG aufrecht und verwarfen die Berufung bzw. die gegen deren Nichtzulassung eingelegte Rechtsbeschwerde als unzulässig.
Die Informationsansprüche im Stiftungsrecht in der Praxis
Die Entscheidungen des BGH und seiner Vorinstanzen zeigen: Informationsansprüche sind auch im Stiftungsrecht nichts Ungewöhnliches. Gegen die Stiftung können sich Ansprüche auf Auskunft oder Einsichtnahme in Unterlagen – bspw. die Stiftungssatzung – insbesondere ergeben
Beispiele |
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- aus der Satzung selbst oder aus Nebenordnungen, z. B. einer Geschäftsordnung oder Anlage- oder Vergaberichtlinien, oder
- aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen.
Informationsansprüche bestehen aber auch im Stiftungsrecht nie „einfach so“ (abgesehen von den Sondersituationen, in denen eine Satzung etc. voraussetzungslose Informationsansprüche vorsieht). Sie sind vielmehr an persönliche und sachliche Voraussetzungen geknüpft. Informationen kann – vereinfacht ausgedrückt – immer nur derjenige verlangen, der an der Information ein berechtigtes Interesse hat. Denkbarer Anwendungsbereich sind somit insbesondere Fälle, in denen die Rechte und Pflichten
- (potenzieller) Destinatäre,
- der Mitglieder eines Stiftungsorgans,
- des Stifters selbst oder der Angehörigen der Stifterfamilie oder
- von Vertragspartnern der Stiftung in Rede stehen.
Konkret für die im BGH-Fall in Rede stehende Frage nach der Stiftungssatzung heißt das: Man kann gegen eine Stiftung einen Anspruch auf Erteilung von Informationen über die Stiftungssatzung haben und durchaus erfolgreich (gerichtlich) geltend machen. Einen allgemeinen Informationsanspruch (auf Auskunft über die Stiftungssatzung oder über sonstige Umstände und Unterlagen der Stiftung) gibt es aber nicht. In jedem Einzelfall ist zu prüfen,
- ob Informationsansprüche bestehen und auf welcher Rechtsgrundlage,
- gegen wen sich die Informationsansprüche beziehen (die Stiftung, einzelne Mitglieder von Stiftungsorganen, den Stifter, die Stiftungsaufsicht etc.),
- ob der Anspruch auf die Erteilung von Auskünften oder die Einsichtnahme in Unterlagen (oder beides) gerichtet ist und
- in welchem Umfang Informationen verlangt werden können (ggf. bezieht sich das Informationsrecht nur auf bestimmte Fragestellungen).
Blick über Tellerrand: Die Bedeutung der Stiftungsaufsicht
Die Entscheidungen zur Mehl-Mühlens-Stiftung erinnern – über die Frage nach den Informationsansprüchen hinaus – einmal mehr daran, welche wichtige Rolle die Stiftungsaufsicht hat. Denn der von der Großnichte geltend gemachte Auskunftsanspruch war nur der erste Schritt ihrer Klage – in der Sache ging es eigentlich um die Frage, ob die in der Vergangenheit vom Vorstand veranlassten Satzungsänderungen und sonstigen Entscheidungen dem Stifterwillen entsprochen hatten. Gerade, weil es in dem konkreten Fall kein stiftungsinternes Korrektiv (z. B. einen Aufsichtsrat oder ein Kuratorium) gab, das einen prüfenden Blick auf die Satzungsänderungen hätte haben können, hatte die Großnichte daran Zweifel. Das zeigt erneut, wie wichtig es ist, dass die Übereinstimmung von Strukturmaßnahmen und wichtigen Entscheidungen mit dem Stifterwillen (jedenfalls) von der Stiftungsaufsicht geprüft wird. Damit die Aufsicht ihre Aufgabe gut erfüllen kann, sind dabei auch die Stifter selbst bzw. die Mitglieder der Stiftungsorgane gefordert:
- Stifter sollten ihren Stifterwillen sorgfältig formulieren. So erleichtern sie der Stiftungsaufsicht (selbst Jahre später noch) die Prüfung, ob eine Satzungsänderung mit dem Stifterwillen vereinbar ist – und verschaffen zugleich ihrem eigenen Willen auf Dauer Geltung.Stifterwillen sorgfältig formulieren
- Stiftungen und ihre Stiftungsorgane müssen sich mit den geltenden Stiftungsgesetzen (v. a. dem Bürgerlichen Gesetzbuch und den Landesstiftungsgesetzen) befassen. Sie müssen prüfen, welche Genehmigungs- oder Anzeigepflichten gegenüber der Stiftungsaufsicht bestehen und diese beachten. Neben Strukturmaßnahmen bedürfen beispielsweise häufig auch die Aufnahme von Darlehen oder vergleichbar „strukturrelevante“ Entscheidungen zumindest einer Information an die Stiftungsaufsicht. In Zweifelsfällen empfiehlt es sich, die Stiftungsaufsicht vor Durchführung der Maßnahme anzusprechen und sich mit dieser vorabzustimmen.Stiftungsaufsicht vor Durchführung von Maßnahmen mit ins Boot holen
Der Blick in die Zukunft: Das Stiftungsregister
Zum 01.01.2026 soll das Stiftungsregister den Betrieb aufnehmen. Dort werden u. a. die Satzungen rechtsfähiger Stiftungen des bürgerlichen Rechts für die Öffentlichkeit jederzeit abrufbar sein; die Einsichtnahme kann nur in Ausnahmefällen beschränkt werden. Die individuellen Informationsansprüche, um die es in dem vom BGH entschiedenen Fall ging, werden ab Einführung des Stiftungsregisters somit eine untergeordnete Rolle spielen.
Gleichwohl werden die Entscheidungen des BGH und seiner Vorinstanzen auch über den 01.01.2026 hinaus Gültigkeit behalten. Denn es wird auch künftig Situationen geben, in denen es auf einen individuellen Auskunftsanspruch ankommt, weil das Register allein keine hinreichenden Informationen gibt. Es dürfte Fälle geben, in denen eine digitalisierte Satzung trotz aller Bemühungen im Register fehlt. Zudem wird, v. a. bei älteren Stiftungen, nicht immer Klarheit darüber bestehen, ob die Fassung im Stiftungsregister die aktuelle ist. Und es wird Fälle geben, in denen ein Informationsinteresse gerade auf die Herausgabe von Dokumenten zu – ggf. schon überholten – Satzungsänderungen gerichtet ist. Hier kommt der Auskunftsanspruch dann ins Spiel.
AUSGABE: SB 6/2024, S. 118 · ID: 50025008