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SBStiftungsBrief

UmsatzsteuerAbgabe von Inkontinenzhilfen durch Pflegeeinrichtungen – Streit um Nettopreisabrede

Abo-Inhalt02.05.2024600 Min. LesedauerVon Iris Röttgering, Steuerberaterin, und Celina Tarras, LL.M., Rechtsanwältin, CURACON GmbH, Ratingen

| Rund um die Abgabe von Inkontinenzhilfen durch Pflegeeinrichtungen kocht gerade im Zusammenhang mit dem Hilfsmittelrahmenvertrag das Thema Nettopreisabrede und Umsatzsteuer bei einzelnen Kostenträgern hoch. Grund für SB, die Knackpunkte für die Stiftungen als Träger der Pflegeeinrichtungen steuerlich und rechtlich zu beleuchten. |

Umsatzsteuerrückforderung für Inkontinenzhilfen droht

Pflegeeinrichtungen versorgen ihre Bewohner mit aufsaugenden Inkontinenzhilfen und rechnen – sofern sie einem Hilfsmittelrahmenvertrag mit dem jeweiligen Kostenträger gemäß § 127 Abs. 1, 2 SGB V beigetreten sind – gegenüber diesem die vereinbarte Monatspauschale ab.

Aus Sicht einzelner Kostenträger enthält der Vertrag eine sog. Nettopreisabrede, sodass nur umsatzsteuerpflichtige Leistungserbringer zur Abrechnung des Bruttobetrags berechtigt seien. Umsatzsteuerbefreite Leistungserbringer könnten hingegen nur den Nettobetrag abrechnen. In dem Zusammenhang fordern einzelne Krankenkassen die Träger auf, den Nachweis zur Umsatzsteuerpflicht als Selbstauskunft zu erbringen oder die Abrechnungen zu korrigieren. Für den Fall, dass eine Umsatzsteuerbefreiung gemeldet werde oder keine Rückmeldung erfolge, gehe der Kostenträger per se von einer Umsatzsteuerbefreiung aus. Im Anschluss seien Rückforderungsansprüche der abgerechneten Umsatzsteuer zu prüfen.

Aus diesem Vorgehen einzelner Kostenträger ergeben sich sowohl steuerliche als auch rechtliche Herausforderungen.

Umsatzsteuerbefreiung für Inkontinenzhilfen – das gilt

Eine Stiftung, die eine oder mehrere Pflegeeinrichtungen betreibt, ist umsatzsteuerlich als Unternehmer nach § 2 UStG einzuordnen. Die Hauptleistung im Zusammenhang mit dem Betrieb von Pflegeeinrichtungen ist die Betreuung oder Pflege von körperlich, kognitiv oder psychisch hilfsbedürftigen Personen im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG. Die originären Betreuungs- und Pflegeleistungen sind umsatzsteuerfrei, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt werden – etwa die Kosten von den Kostenträgern übernommen werden (§ 4 Nr. 16 UStG).

Die Abgabe der Inkontinenzhilfen an hilfsbedürftige Bewohner ist ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit, wenn es sich dabei um einen eng verbundenen Umsatz handelt. Ein solcher liegt immer dann vor, wenn er nach der Verkehrsauffassung typisch und unerlässlich ist und (un)mittelbar mit dem laufenden Betrieb zusammenhängt. In Bezug auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG erkennt die Finanzverwaltung insbesondere auch die Lieferungen erforderlicher Medikamente und Hilfsmittel an, die mit der Pflege oder Betreuung hilfsbedürftiger Personen verbunden sind.

Die Abgabe von Inkontinenzmitteln (= Hilfsmittel) an Pflegebedürftige ist für die Durchführung der Pflegeleistung unerlässlich und nicht bloß nützlich. Damit handelt es sich u. E. um einen eng verbundenen Umsatz zur Pflegeleistung, da die Pflegebedürftigen die Inkontinenzmittel im Rahmen ihrer Pflege und regelmäßig auch eine entsprechende Hilfeleistung zur Anwendung des Hilfsmittels benötigen.

Wichtig | Im Ergebnis erfolgt die Versorgung der Bewohner mit Inkontinenzhilfen somit umsatzsteuerfrei. Dies bedeutet für die Stiftung als Betreiberin der Einrichtung, dass kein Vorsteuerabzug aus dem Einkauf der Inkontinenzmittel erfolgen kann. Begrenzen die Kostenträger die Monatspauschale nun auf den Nettoeinkaufspreis, hat das für die Einrichtungsträger zur Folge, dass sie unmittelbar von der anfallenden Umsatzsteuer belastet sind.

Unterbliebene Selbstauskunft – Schweigen ohne Wirkung

Die Krankenkassen fordern die Stiftungen als Träger auf, den Nachweis zur Umsatzsteuerpflicht als Selbstauskunft zu erbringen. Erteilt die Stiftung diese nicht, kann die Krankenkasse nicht automatisch von einer Umsatzsteuerbefreiung ausgehen. Denn grundsätzlich stellt das Schweigen auf eine Erklärung ein rechtliches Nullum dar und entfaltet gerade keine Wirkung.

Beitritt zum Hilfsmittelrahmenvertrag – alter Vertrag gilt

Die Leistungserbringer sind bereits in der Vergangenheit dem Hilfsmittelrahmenvertrag beigetreten, sodass unklar ist, was die Krankenkassen mit der Unterzeichnung einer erneuten Beitrittserklärung zu einem unveränderten Vertrag erreichen wollen. Dies gilt insbesondere, da sich die neue von der alten Beitrittserklärung lediglich in der Selbstauskunft zur Umsatzsteuerpflicht unterscheidet. Eine „richtige“ Angabe wird bei der Selbstauskunft aus steuerlicher Sicht ohnehin kaum möglich sein, da nur einzelne Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sein können, nicht jedoch die Einrichtung als solche.

Wichtig | Zumindest ist davon auszugehen, dass die Versorgungsberechtigung der beigetretenen Leistungserbringer unverändert gilt, auch wenn kein neuer Beitritt erklärt wird. Denn diese basiert auf dem durch Beitritt in der Vergangenheit zustande gekommenen eigenständigen Versorgungsvertrag. Dies zugrunde gelegt, sind die Krankenkassen damit mindestens zur Zahlung des Nettobetrags verpflichtet.

Praxistipp | Betroffene Stiftungen tun gut daran, die weitere Entwicklung im Auge zu behalten. Jedenfalls gilt es, dem Bestreben der Kostenträger mit der nötigen Sensibilität zu begegnen und sich mit den damit einhergehenden rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen rechtzeitig auseinanderzusetzen.

AUSGABE: SB 6/2024, S. 113 · ID: 50004724

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