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Zweckbetrieb/Gemeinnützigkeit BFH-Urteile zum Zweckbetrieb „Krankenhaus“ und zum Thema „Dauerverluste“ – und die Folgen
| In zwei Urteilen vom 14.12.2023 entschied der BFH, dass Gewinne aus der Personal- und Sachmittelgestellung an nach § 116 SGB V ermächtigte Krankenhausärzte nicht mit dem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ zusammenhängen. In dem Urteil mit dem Az. V R 28/21 musste er zudem über die Besteuerung von Krankenhaus-Cafeterien entscheiden. Hier überraschen seine deutlich kritischen Anmerkungen zu dauerdefizitären Geschäftsbetrieben. SB stellt die Entscheidungen und ihre Bedeutung für die Praxis vor. |
Streit 1 dreht sich um Personal- und Sachmittelgestellung
Eine gGmbH betrieb mehrere Krankenhäuser im Rahmen eines Zweckbetriebs nach § 67 Abs. 1 AO. Sie genehmigte den bei ihr angestellten Ärzten als Nebentätigkeit die ambulante Behandlung von Patienten, soweit die Ärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigt oder (teil-)zugelassen waren, sog. ermächtigte Ärzte. Für die genehmigte Nebentätigkeit stellte die gGmbH diesen Ärzten ihre Räumlichkeiten sowie Personal und sonstige Sachmittel gegen ein Nutzungsentgelt zur Verfügung. Sie rechnete zudem nach § 120 SGB V die Vergütung, die den ermächtigten Ärzten für die erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen zustand, für diese mit der Kassenärztlichen Vereinigung ab. Nach Abzug des Nutzungsentgelts leitete sie die Vergütung an die ermächtigten Ärzte weiter.
BFH verneint Zuordnung zum Zweckbetrieb „Krankenhaus“
Der BFH befand entgegen der Auffassung des FG Münster, dass für Einnahmen und den diesen zuzuordnenden Ausgaben aus einer Personal- und Sachmittelgestellung durch Krankenhäuser an ermächtigte Ärzte keine Zuordnung zum Zweckbetrieb „Krankenhaus“ (§ 67 AO) erfolgen kann (BFH, Urteile vom 14.12.2023 (Az. V R 2/21 und V R 28/21, Abruf-Nr. 240816 und 240817).
§ 67 AO umfasse aufgrund der Anknüpfung an das Sozialrecht und das Krankenhausfinanzierungsgesetz alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen. Dies sei anzunehmen, wenn sie auf einer typischerweise von einem Krankenhaus gegenüber seinen Patienten erbrachten Leistung beruhen. Ausgehend von dem Zweck des § 67 AO, die Sozialversicherungsträger als Kostenträger für ihre Versicherten steuerlich zu entlasten, handelt es sich jedenfalls so lange um eine typischerweise gegenüber den Patienten erbrachte Leistung, als das Krankenhaus zur Sicherstellung seines Versorgungsauftrags von Gesetzes wegen zu dieser Leistung befugt ist und der Sozialversicherungsträger als Kostenträger für seine Versicherten deshalb grundsätzlich zahlen muss. Beides lag nicht vor.
- Das Personal und die Sachmittel des Krankenhauses dienen in dem zu entscheidenden Fall der Behandlung von Patienten im Rahmen der Ambulanzen der ermächtigten Ärzte, die in ihren Ambulanzen in ihrem überwiegend eigenen Interesse tätig sind. Die ermächtigten Ärzte wirken dabei zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten mit (§ 116 S. 1, § 72 SGB V), nicht aber innerhalb des Versorgungsauftrags des Krankenhauses. Ein Krankenhaus kann auch ohne Personal- und Sachmittelgestellung an ambulant tätige ermächtigte Ärzte betrieben werden. Allein die Tatsache, dass ein Krankenhaus dadurch zusätzliche Einnahmen erzielt, reicht für die Zuordnung zum Zweckbetrieb „Krankenhaus“ nicht.Kein hinreichender Zusammenhang mit einer Krankenhausbehandlung
- Zudem wurden die Sozialversicherungsträger im Rahmen der Kranken-hausvergütung durch die Personal- und Sachmittelgestellung an die ermächtigten Ärzte nicht zusätzlich belastet. Nach § 120 Abs. 1 S. 1 SGB V werden die im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen der ermächtigten Krankenhausärzte nach den für Vertragsärzte geltenden Grundsätzen aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung vergütet. Die mit diesen Leistungen verbundenen allgemeinen Praxiskosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Geräten entstehenden Kosten sowie die sonstigen Sachkosten sind mit den Gebühren grundsätzlich abgegolten.Sozialversicherungsträger sind nicht zusätzlich belastet
Dem steht – so der BFH – auch nicht die bisherige Rechtsprechung insbesondere zur Abgabe von Medikamenten zur Behandlung von Krebserkrankungen (Zytostatika) durch eine Krankenhausapotheke entgegen. Eine solche Medikamentenabgabe gewährleistet eine effektive ambulante onkologische Behandlung im Krankenhaus und erfolgt grundsätzlich zu Lasten der Krankenkassen.
Maßgebend für die Zusammenhangsfrage waren für den BFH somit der Versorgungsauftrag und die Kostenträgerschaft. Die Tätigkeit der ermächtigten Ärzte gehört nicht zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses und die Sozialversicherungsträger wurden durch die Personal- und Sachmittelüberlassung nicht zusätzlich belastet.
Wichtig | Der BFH hat den Rechtsstreit gleichwohl an das FG zurückverwiesen, da dieses zu prüfen habe, ob durch die Personal- und Sachmittelgestellung nicht ein allgemeiner Zweckbetrieb nach § 65 AO begründet worden sein könnte. Der BFH gab hierzu allerdings bereits den Hinweis, dass er in seinem Urteil vom 06.04.2005 (Az. I R 85/04, Abruf-Nr. 051624, unter II.4.) die Zweckbetriebszuordnung für die Überlassung eines medizinischen Großgeräts verneint habe. Durch diesen Hinweis ist anzunehmen, dass im zweiten Rechtsgang eher keine positive Entscheidung ergehen wird.
Streit 2 dreht sich um Krankenhaus-Cafeterien
Die gGmbH betrieb drei Cafeterien, die in allen Streitjahren defizitär waren. In zwei der drei Cafeterien gab sie Speisen und Getränke ausschließlich an Mitarbeiter des Zweckbetriebs „Krankenhaus“ zu vergünstigten Preisen ab. Die vergünstigte Abgabe der Speisen und Getränke an die Mitarbeiter erfolgte aufgrund einer Betriebsvereinbarung, die Bestandteil der Arbeitsverträge der Mitarbeiter war. In der dritten Cafeteria gab die gGmbH darüber hinaus Speisen und Getränke auch an Dritte zu marktüblichen Preisen ab. Buchhalterisch wurden sämtliche Cafeterien als Gesamtbetrieb geführt. Das FG hatte 15 Prozent der Betriebsausgaben aller Cafeterien dem Zweckbetrieb Krankenhaus zugeordnet und im übrigen einen (steuerpflichtigen) wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb angenommen.
BFH: Pauschale Aufteilung von 15 Prozent ist rechtsfehlerhaft
Der BFH widersprach auch hier dem FG. Dieses hatte pauschal 15 Prozent der Betriebsausgaben aller Cafeterien dem Zweckbetrieb Krankenhaus zugeordnet und im übrigen einen (steuerpflichtigen) wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb angenommen.
BFH fordert objektivierbare Aufteilungskriterien
Zunächst ist – so der BFH – zu prüfen, ob sämtliche Krankenhauscafeterien tatsächlich als selbstständige Tätigkeiten im Sinne des § 14 AO anzusehen sind. Es erscheint jedenfalls für die Cafeterien, die nur Mitarbeitern des Zweckbetriebs „Krankenhaus“ zugänglich sind und mitbestimmungsrechtlich wohl als Sozialeinrichtung der gGmbH (z. B. § 87 Abs. 1 Nr. 8 des BVerfG) anzusehen sind, und auch unter Berücksichtigung der Betriebsvereinbarung zur vergünstigten Abgabe von Speisen und Getränken nicht ausgeschlossen, dass der Betrieb dieser Cafeterien mit dem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ zusammenhängt. Denn die Speisen und Getränke waren unter Berücksichtigung der Arbeitszeiten der Mitarbeiter zum sofortigen Verzehr im Betrieb gedacht.
Sofern es sich bei den Cafeterien um wirtschaftliche Geschäftsbetriebe handele, bedarf es objektivierbarer Aufteilungskriterien für die in den Cafeterien anfallenden Einnahmen und Ausgaben. Eine pauschale Aufteilung von 15 Prozent sei jedenfalls rechtsfehlerhaft.
Wichtig | Auch hier ist eine Zurückverweisung ans FG erfolgt. Zunächst hat das FG nach Ansicht des BFH zu prüfen, ob mit den Mitarbeitercafeterien ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb begründet worden ist. Das FG habe außer Acht gelassen, dass sich die für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erforderliche Selbstständigkeit gemäß § 14 AO auf die sachliche Selbstständigkeit der Betätigung im Sinne einer Abgrenzbarkeit von einem steuerbegünstigten Wirkungsbereich bezieht. Im zweiten Rechtsgang muss nun das FG also prüfen,
- ob die Mitarbeitercafeterien im Hinblick auf die arbeitsrechtliche Verpflichtung zur verbilligten Beköstigung zum Zweckbetrieb „Krankenhaus“ gehören oder
- ob die Tätigkeit von diesem Zweckbetrieb abgrenzbar ist und deshalb einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bildet.
Sollte auf dieser Grundlage ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu bejahen sein, ist weiter zu prüfen, ob die Ausgaben aus dem Betrieb der Mitarbeitercafeterien, soweit sie die Einnahmen aus deren Betrieb übersteigen, gleichwohl Ausgaben sind, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen (sog. Veranlassungsprinzip). Dies gilt ebenso für die „gemischte“ Cafeteria.
Soweit notwendig wird das FG – wie auch bei der Personalgestellung – zu prüfen haben, ob ein Zweckbetrieb nach § 65 AO vorliegt, so der BFH.
BFH mit kritischen Anmerkungen zu dauerdefizitären Geschäftsbetrieben
Wirklich aufhorchen lassen die verallgemeinerungsfähigen Hinweise des BFH zu wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben mit Dauerverlusten im Urteil mit dem Az. V R 28/21.
Kommt das FG im zweiten Rechtsgang zu der Auffassung, die Mitarbeitercafeterien oder der Mitarbeiterbereich der „gemischten“ Cafeteria stellten in vollem Umfang einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar, wird es – so der BFH – die gemeinnützigkeitsrechtlichen Folgen eines Verlustausgleichs durch andere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu prüfen haben.
Wichtig | Hier vertritt der BFH offensichtlich eine strengere Sichtweise als die Finanzverwaltung. Letztere geht (bislang) davon aus, dass bei einer Körperschaft, die mehrere steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhält, nach § 64 AO für die Frage, ob gemeinnützigkeitsschädliche Verluste vorliegen, auf das zusammengefasste Ergebnis aller steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe abzustellen ist; und nicht auf das Ergebnis des einzelnen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (AEAO Nr. 17 zu § 64 AO).
Das bedeutet: Eine Saldierung von Verlusten eines oder mehrerer steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe mit Gewinnen aus einem oder mehreren anderen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ist nach Auffassung der Finanzverwaltung zulässig.
Dies sieht der BFH unter Zitierung von Fachliteratur kritisch, da § 64 Abs. 2 AO nicht von den Anforderungen in § 56 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 AO befreit. Somit gefährdet ein Dauerverlustbetrieb die Steuerbegünstigung, wenn seine Verluste dauerhaft durch die Gewinne anderer wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe ausgeglichen werden.
Das heißt: In diesem Falle stehen für die steuerbegünstigte Zweckverfolgung dauerhaft weniger Mittel zur Verfügung.
Betroffene Einrichtungen müssen bei Klagen Vorsichtwalten lassen! Praxistipp | Die Hinweise des BFH sind nicht nur fallbezogen. Die allgemein gehaltene Formulierung macht deutlich, dass alle steuerbegünstigten Einrichtungen bei dauerdefizitären wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nun Vorsicht walten lassen sollten. Auch wenn die Finanzverwaltung eine Saldierung von Gewinnen und Verlusten (noch) zulässt, kann es bei einer gerichtlichen Überprüfung durchaus zu einer sog. Verböserung kommen. Dieses Risiko müssen betroffene Einrichtungen bei Klageerhebung abwägen, bestenfalls zusammen mit einem steuerlichen Berater. |
AUSGABE: SB 6/2024, S. 105 · ID: 50025002