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GeschäftsgebührGläubiger kann Auftrag für außergerichtliches Tätigwerden anhand der Vollmacht belegen
| In der Praxis wird bei einer außergerichtlichen Zahlungsaufforderung an den Gegner oft folgende Formulierung verwendet: „Sollten wir bis zum vorgenannten Zeitpunkt keine Rückmeldung von Ihnen erhalten, werden wir unserem Mandanten die klageweise Durchsetzung der berechtigten Ansprüche empfehlen.“ Das OLG Koblenz hat insofern geprüft, ob hierdurch ein unbedingter Prozessauftrag vorliegt, sodass die außergerichtliche Zahlungsaufforderung von der 1,3-Verfahrensgebühr miterfasst wird (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG), oder ob eine Tätigkeit zu bejahen ist, die zur Abrechnung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG führt. |
Entscheidungsgründe
Abruf-Nr. 231724
Es kommt auf den Auftrag an (OLG Koblenz 25.8.22, 7 U 559/22, Abruf-Nr. 231724): Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus. Dies gilt auch, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist kein Raum mehr.
Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Beweisbelastet ist der Gläubiger. Einen entsprechenden Nachweis kann er z. B. durch Vorlage der erteilten Vollmacht führen. Für die anwaltlichen Leistungen im Rahmen des rein außergerichtlichen Auftrags entsteht eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (vgl. BGH NJW-RR 19, 1332; BGH NJW-RR 21, 1070; BGH NJW-RR 22, 707).
Relevanz für die Praxis
In der Praxis wird insofern immer wieder Vorbem. 3 Abs. 1 S. 1 VV RVG missachtet. Denn ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört, ist eine Frage von Art und Umfang des im Einzelfall erteilten Mandats.
Der Fall des OLG Koblenz zeigt, wie wichtig es ist, den konkret erteilten Auftrag zu dokumentieren und dazu im Prozess vorzutragen. Hiervon hängt es ab, ob der Rechtsanwalt neben den Gebühren für das gerichtliche Verfahren noch eine Geschäftsgebühr beanspruchen kann. Der eingangs zitierte Wortlaut der außergerichtlichen Zahlungsaufforderung kann dabei u. U. nicht ausreichen. Das OLG Koblenz gibt in seinem zweiten Leitsatz allerdings den Hinweis, den auf die außergerichtliche Tätigkeit beschränkten Auftrag durch eine dementsprechend formulierte Vollmacht zu dokumentieren.
AUSGABE: RVGprof 5/2023, S. 79 · ID: 49318084