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ImmobiliarvollstreckungZwangsversteigerung: Bei der Vertretung des Schuldners ist der Verkehrswert maßgeblich

Abo-Inhalt09.01.202310553 Min. LesedauerVon Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

| Vertritt ein Rechtsanwalt im Versteigerungsverfahren den Schuldner, gilt hinsichtlich der Grundlage der Gebührenberechnung nach § 26 Nr. 2 RVG der nach § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzte Verkehrswert. Wenn vor der gerichtlichen Wertfestsetzung das Verfahren aufgehoben wurde, gibt es keinen solchen Wert. Hier ist dennoch der Verkehrswert und nicht der durch das Finanzamt mitgeteilte sog. Einheitswert maßgebend. |

1. Ein aktueller Fall

In einem Zwangsversteigerungsverfahren vertrat der Rechtsanwalt den Schuldner. Das Gericht bestellte einen Sachverständigen zur Ermittlung des Verkehrswerts. Dieser taxierte den Verkehrswert mit 300.000 EUR. Bevor das Gericht den Wert jedoch durch Beschluss festgesetzt hatte, wurde das Verfahren aufgehoben.

Der Rechtsanwalt beantragte daraufhin, den Streitwert nach § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen, und fragte, woraus sich der Wert für die anwaltlichen Gebühren ergibt. Nach Ansicht des AG Calw bestand hier für einen Antrag nach § 33 Abs. 1 kein Rechtsschutzbedürfnis (6.9.22, 1 K 30/21, Abruf-Nr. 232678). Nach dieser Regelung erfolge die Wertfestsetzung nur, wenn sich die Anwaltsgebühren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten oder wenn es an einem solchen Wert fehlt. Hier aber gebe es den Einheitswert, der vom Finanzamt mitgeteilt worden ist (§ 23 Abs. 1 RVG i. V. m. § 54 Abs. 1 S. 2 GKG, § 26 Nr. 2 RVG).

2. Anwalt muss nicht mit niedrigerem Einheitswert rechnen

Diese Entscheidung ist aus den folgenden Gründen falsch: Fehlt die Festsetzung eines Grundstücksverkehrswerts nach § 74 Abs. 5 ZVG, ist – anders als für die Gerichtsgebühren (vgl. § 54 Abs. 1 S. 2 GKG) – nicht ersatzweise der viel geringere Einheitswert zugrunde zu legen. Vielmehr bleibt der Verkehrswert des Grundstücks maßgeblich (LG Zweibrücken JurBüro 06, 382; BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, 57. Ed. 1.9.22, RVG § 26 Rn. 13; Riedel/Sußbauer-Potthoff, 10. Aufl., RVG § 26 Rn. 25).

Zwar wurde im aktuellen Fall im Zusammenhang mit dem Verfahren der Verkehrswert der Grundstücke noch nicht festgesetzt. Da aber der Gutachter sein Gutachten eingereicht und den Wert bereits ermittelt hat, liegen genügend Anhaltspunkte vor, diesen Grundstückswert als Grundlage für die anwaltliche Vergütung zugrunde zu legen.

Für den andersliegenden Fall, dass kein Gutachter bestellt und das Verfahren aufgehoben worden ist, ist Folgendes zu prüfen: Ist zugunsten des die Versteigerung betreibenden Gläubigers im Grundbuch ein Grundpfandrecht (keine Zwangssicherungshypothek) eingetragen? Ist dies der Fall, liegt insoweit die Annahme nahe, dass sich der tatsächliche Wert des Grundstücks zumindest auf den eingetragenen Betrag beläuft. Im Teilungsversteigerungsverfahren ist z. B. bei einem halben Miteigentumsanteil der Gegenstandswert gemäß § 26 Nr. 2 i.V. auf die Hälfte festzusetzen.

Beispiel

Rechtsanwalt R vertritt den Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren. Das Versteigerungsverfahren wird aufgehoben. Je nachdem, welcher Wert für die anwaltlichen Gebühren angesetzt wird, ergeben sich für R ganz unterschiedliche Gebührenhöhen:

a) Das Vollstreckungsgericht setzt den Wert nach § 33 Abs. 1 RVG auf 300.000 EUR fest. Als Grundlage nimmt es hierfür das vom Sachverständigen bereits vorliegende Gutachten bzw. die im Grundbuch eingetragene Grundbuchbelastung zugunsten des betreibenden Gläubigers.

b) Der Einheitswert beträgt 20.000 EUR.

Im Fall a) kann R wie folgt abrechnen:

0,4-Verfahrensgebühr nach Nr. 3311 Nr. 1 VV RVG aus 300.000 EUR, § 26 Nr. 2 RVG

1.098,80 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

212,57 EUR

1.331,37 EUR

Im Fall b) kann R wie folgt abrechnen:

0,4-Verfahrensgebühr nach Nr. 3311 Nr. 1 VV RVG aus 20.000 EUR, § 26 Nr. 2 RVG i. V. m. § 54 Abs. 1 S. 2 GKG

328,80 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

66,27 EUR

415,07 EUR

Praxistipp | Rechtsanwälte sollten in Fällen wie dem des AG Calw auf eine Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG beharren und sonst notfalls sofortige Beschwerde einlegen (§ 33 Abs. 2 RVG i. V. m. § 11 RpflG). Denn die Vergütung fällt bei einem geringeren Einheitswert im Vergleich zum Verkehrswert erheblich niedriger aus, was auch das Rechenbeispiel verdeutlicht.

AUSGABE: RVGprof 2/2023, S. 27 · ID: 48830255

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