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OrdnungswidrigkeitenverfahrenAkteneinsicht: Bei teilweise geschwärzter Akte ist Aktenversendungspauschale unzulässig

Abo-Inhalt10.03.20223403 Min. LesedauerVon RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

| Es sind nur 12 EUR, wenn es um die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV RVG geht. Aber die damit zusammenhängenden Fragen spielen in der Rechtsprechung – wie hier beim AG Leipzig – immer wieder eine Rolle. |

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die Bußgeldstelle führte gegen die Mandantin M des Rechtsanwalts R ein Verfahren wegen unzulässigen Lärms. Als R Akteneinsicht beantragte, sendete ihm die Bußgeldstelle die Akte in teilweise geschwärzter Form zu. Sie erhob für die Sendung einschließlich der Rücksendung pauschal 12 EUR als Auslage nach § 107 Abs. 5 OWiG. In der Akte waren jedoch die Personalien weiterer Betroffener geschwärzt. R beantragte deshalb gegen die Festsetzung der Auslagen eine gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG. Das AG entschied zugunsten des R: Mangels Gewährung der vollständigen Akteneinsicht fehlte es an einer Grundlage für die Festsetzung der Auslagenpauschale (AG Leipzig 24.9.21, 220 OWi 2822/20, Abruf-Nr. 227873).

Relevanz für die Praxis

M. E. ist die Entscheidung zutreffend (ebenso vgl. AG Bad Segeberg AGS 14, 334): Der Verteidiger hat einen Anspruch auf die gesamte Akte. Dazu gehören auch die Namen anderer Betroffener/Beschuldigter. Deren Namen können für eine Verteidigung aus den folgenden Gründen von Bedeutung sein:

  • Die Personalien der anderen Betroffenen sind Bestandteil eines OWi-Verfahrens, das sowohl von der Polizei als auch von der Staatsanwaltschaft gemeinsam geführt wird. Erst im Verwaltungsverfahren erfolgt die Abtrennung der Verfahren.
  • Es liegt ein legitimierendes Interesse für die Benennung der anderen Betroffenen vor. Alle sind Betroffene derselben Ordnungswidrigkeit – ihnen wird derselbe Verstoß vorgeworfen. Aufgrund dieser Verfahrenssituation lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass sich in den später abgetrennten Verfahren gegen andere Betroffene relevante Gesichtspunkte auch für das streitgegenständliche Verfahren ergeben könnten. Für die Verteidigung der Betroffenen können sich hieraus weitere Beweismöglichkeiten ergeben.
  • Zudem liegen den Verfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Bußgeldstelle) die Namen aller Betroffenen in ihrer Gesamtheit vor. Diese können damit weitergehende Informationen aus den Parallelverfahren auch im Verfahren gegen den Betroffenen nutzen. Ob Informationen für die Verteidigung von Bedeutung sein können, unterliegt allein ihrer Einschätzung. Um dies zu überprüfen, muss der Betroffene durch Einsichtnahme von dem vollen Inhalt der Akten Kenntnis nehmen können.

AUSGABE: RVGprof 4/2022, S. 65 · ID: 48029460

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