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Verteidigerhonorar Teil 2Vergütungsvereinbarung als Strafverteidiger: Dies gilt für die Höhe Ihrer Vergütung
| Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Vergütungsvereinbarung sind der Verteidiger und der Mandant weitgehend frei. Schranken der Gestaltungsfreiheit ergeben sich nur aus dem Erfordernis der Angemessenheit der Vergütung sowie aus §§ 134, 138 BGB. Auf dieser Grundlage gibt es die folgenden Gestaltungsmöglichkeiten. |
1. Beachten Sie Ober- und Untergrenzen
Beim Abschluss einer Vergütungsvereinbarung sind bestimmte Ober- und Untergrenzen zu beachten.
a) Obergrenze: nicht unangemessen und nicht sittenwidrig hoch
Die Obergrenze für die vereinbarte Vergütung folgt aus § 3a Abs. 2 S. 1 RVG und § 138 BGB: Nach § 3a Abs. 2 S. 1 RVG darf die vereinbarte Vergütung nicht „unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen“ sein. § 138 BGB verbietet den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung in einer sittenwidrigen Höhe. Die Rechtsprechung des BGH zieht deshalb die Grenze für eine unangemessen hohe Vergütung etwa beim Fünffachen der gesetzlichen Höchstgebühren (vgl. BGH NJW 05, 2142; ähnlich BGH AGS 09, 262; RVGreport 11, 76; s. a. BVerfG RVG prof. 09, 156).
Beachten Sie | Für eine noch höhere Vergütung muss der Wahlverteidiger ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände darlegen, die es möglich erscheinen lassen, bei Abwägung aller für die Herabsetzungsentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte die Vergütung nicht als unangemessen hoch anzusehen (BGH RVG prof. 10, 96).
Praxistipp | Ob diese Rechtsprechung zutreffend ist, kann man bezweifeln (vgl. dazu Burhoff in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A 2466 ff.). Jedenfalls sollten Sie als Verteidiger die „Faustregel des Fünffachen“ im Auge behalten. Sollte Sie dennoch eine über diese Grenze hinausgehende Vergütung vereinbaren, müssen Sie den Mandanten auf die Rechtsprechung hinweisen sowie das und den Umstand festhalten, dass der Mandant die Vereinbarung in Kenntnis dieser Rechtsprechung trifft. Nach einer entsprechenden Erklärung des Mandanten wird dieser sich später kaum noch mit Erfolg auf die Unangemessenheit der Vergütung berufen können. |
b) Untergrenze
Gesetzliche Untergrenze für eine vereinbarte Vergütung ist § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO. Danach ist es unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das RVG vorsieht oder anderes bestimmt.
Beachten Sie | § 4 Abs. 1 S. 1 RVG lässt nach wie vor eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung nur für außergerichtliche Angelegenheiten zu. Das bedeutet, dass in gerichtlichen Angelegenheiten die RVG-Gebühren die gesetzliche Untergrenze bilden.
2. Diese Vergütungsarten sind inhaltlich möglich
Sie können eine Erhöhung des Betragsrahmens, die Festlegung auf den Höchstbetrag, einen prozentualen Aufschlag auf die gesetzlichen Gebühren oder eine Pauschalvergütung vereinbaren.
Praxistipp | Die pauschale Vereinbarung ist für den Mandanten vorteilhaft, da er von vornherein weiß, welches Gebührenrisiko auf ihn zukommt. Für Sie als Verteidiger ist eine solche Vereinbarung allerdings nachteilig, da Sie i. d. R. Ihren Arbeits- und Zeitaufwand bei Abschluss der Vereinbarung kaum abschätzen können. Sie sollten deshalb auf ein Pauschalhonorar verzichten. |
Ebenfalls zulässig und bei Strafverteidigern häufig ist die Vereinbarung eines Zeithonorars:
Praxistipp | Im Hinblick auf die Anrechnungsregelung in § 58 Abs. 3 RVG müssen Sie als Verteidiger klar definieren und mit Ihrem Mandanten vereinbaren, für welche „Angelegenheit“ i. S. d. § 15 RVG eine Vergütung vereinbart und gezahlt wird. Anderenfalls laufen Sie Gefahr, dass die Zahlungen des Mandanten auf die gesetzlichen Gebühren angerechnet werden, wenn dieser nicht mehr zahlen kann und Sie sich doch noch als Pflichtverteidiger bestellen lassen. Das vermeiden Sie, wenn die Zahlung nur für eine bestimmte Angelegenheit erfolgt (wegen der Einzelheiten vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, a. a. O., § 58 Abs. 3 Rn. 16 ff. m. w. N.). |
- Inhaltlich muss in diesen Fällen auf jeden Fall die Zeiteinheit festgelegt werden, nach der abgerechnet wird. So können Sie eine Erfassung pro Tag oder pro Stunde vereinbaren.
- Sie sollten klären, ob Auslagen und/oder Umsatzsteuer gesondert zu zahlen sind und in welchen Zeitabständen das Zeithonorar abzurechnen ist.
- Bei der Vereinbarung ist darauf zu achten, dass auch die Tätigkeiten von Hilfskräften (zu bestimmten Stundensätzen) erfasst werden.
- Und natürlich müssen Sie Ihren Stundensatz vereinbaren. In der Praxis wird die Höhe des Stundensatzes von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Stundensätze von 300 bis 350 EUR sind nicht unangemessen (vgl. auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, a. a. O., Teil A Rn. 2474).
Beachten Sie | Regeln Sie unbedingt die Frage der Umsatzsteuer. Denn wenn eine Regelung zur Umsatzsteuer fehlt, ist im Zweifel ein Bruttohonorar vereinbart (die Umsatzsteuer ist also in der vereinbarten Vergütung enthalten). Sie sollten also den Pauschalbetrag bzw. den Stundensatz mit der zusätzlichen Regelung vereinbaren, dass der Mandant darauf Umsatzsteuer zahlen muss.
3. So regeln Sie die Auslagen
In einer Vergütungsvereinbarung können Sie schließlich auch eine Regelung für Ihre Auslagen als Verteidiger treffen (Nrn. 7000 ff. VV RVG). Zulässig ist es, nur über die Höhe der Auslagen eine gesonderte Vereinbarung zu treffen und die gesetzlichen Gebühren unberührt zu lassen. Vereinbaren Sie hinsichtlich der Auslagen nichts, gelten die Regeln des RVG. Eine Vereinbarung über die Auslagen bietet sich insbesondere im Hinblick auf die Kopierkosten (Nr. 7000 VV RVG) an. Hier können Sie eine höhere Vergütung als in Nr. 7000 VV RVG vorgesehen vereinbaren.
Reisekosten (Nrn. 7003 ff. VV RVG) werden häufig abweichend in der Form geregelt, dass eine höhere Kilometerpauschale oder ein höheres Tages- und Abwesenheitsgeld vereinbart wird. Auch die Übernahme von Hotelkosten durch den Mandanten können Sie individuell regeln (beachten Sie bei allem die Umsatzsteuer – die o. a. Ausführungen gelten entsprechend).
4. Rechtsprechung zur Höhe der vereinbarten Vergütung
Als angemessene Vergütung sind angesehen worden:
- das Sechzehnfache der gesetzlichen Vergütung (OLG Düsseldorf NJW 11, 3311)Das 3- bis 16-Fache der gesetzlichen Gebühren oder bis zu 300 EUR pro Stunde
- das Fünf- oder Sechsfache der gesetzlichen Gebühren (OLG Köln AGS 98, 66; a. A. aber: AG München RVG prof. 11, 13)
- das 3,2-Fache der gesetzlichen Gebühren (OLG München RVG prof. 13, 4)
- das Dreifache (KG RVG prof. 18, 183)
- 150 EUR pro Stunde für außergerichtliche Tätigkeit (OLG Celle RVG prof. 10, 28)
- 165 EUR pro Stunde (OLG Düsseldorf AGS 11, 366)
- 200 EUR pro Stunde (AG Hamburg AGS 00, 81 in einer Nachbarschaftssache; BGH AGS 17, 63)
- mindestens 250 EUR pro Stunde in einem Verfahren im Wirtschaftsbereich (OLG Düsseldorf RVG prof. 19, 136; OLG Hamm JurBüro 08, 307; OLG Koblenz RVG prof. 10, 114)
- 230 bzw. 260 EUR pro Stunde für angestellte Rechtsanwälte (OLG München RVG prof. 10, 148)
- 300 EUR pro Stunde (OLG Karlsruhe RVG prof. 15, 24)
Beachten Sie | Vorsicht sollten Sie bei sog. Zeittaktklauseln walten lassen. Abgesehen davon, dass diese ausdrücklich vereinbart sein müssen (vgl. BGH RVG prof. 20, 100; OLG Karlsruhe RVG prof. 15, 24), wird deren Wirksamkeit in der Rechtsprechung teilweise sehr kritisch gesehen (vgl. z. B. BGH, a. a. O.; s. aber OLG Schleswig AGS 09, 209; LG München AGS 10, 284). Die Unwirksamkeit einer Zeittaktklausel führt nicht (auch) zur Unwirksamkeit eines Zeithonorars (BGH, a. a. O.).
- Zeitpunkt und Info: Darauf sollten Sie bei Ihrer Vergütungsvereinbarung als Strafverteidiger achten, RVG prof. 22, 16Ausgabe 1 | 2022 Seite 16
- Der Beitrag wird fortgesetzt: Vergütungsvereinbarung als Strafverteidiger: Diese Formvorschriften müssen Sie einhalten
AUSGABE: RVGprof 4/2022, S. 70 · ID: 47829777