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BeschlagnahmeZugriff auf Unterlagen bei einem Berufsgeheimnisträger – das sind die Voraussetzungen
| Das für die geschützten Berufe geltende Beschlagnahmeverbot erfasst nur das Vertrauensverhältnis zwischen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten und dem beschuldigten Mandanten. Wird dem Beschuldigten eine Straftat im Zuge der Vertretung einer juristischen Person vorgeworfen, unterliegen Beweismittel beim Berufsgeheimnisträger, der (nur) diese berät oder vertritt, nicht dem Beschlagnahmeverbot. Ausnahme: Die juristische Person ist als Adressatin einer Geldbuße (§ 30 OWiG) oder als Einziehungsbeteiligte (§ 424 StPO) zu beteiligen, so das LG Nürnberg-Fürth. |
Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft führt gegen mehrere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und der Urkundenfälschung. Sie stellte ein Auskunftsersuchen, u. a. an die Beschwerdeführer (Notare, N), gerichtet auf Übersendung der Lichtbilddokumente, mit denen sich anlässlich notwendiger notarieller Beurkundungen anwesende Beteiligte bei den N ausgewiesen haben könnten. Die N teilten mit Schreiben mit, sie könnten derzeit aus berufsrechtlichen Gründen keine Auskunft erteilen und Unterlagen übersenden. Man habe beim zuständigen Ministerium als Aufsichtsbehörde eine Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht gem. § 18 Abs. 3 BNotO beantragt. Das Ministerium habe mitgeteilt, dass eine solche Befreiung nicht erteilt werde. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft einen auf § 103 StPO gestützten Durchsuchungsbeschluss, der vollstreckt werden sollte. Die N erhoben Beschwerde und sagten zu, bei einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses die Unterlagen herauszusuchen.
Entscheidungsgründe
Die – zulässige – Beschwerde wurde als unbegründet verworfen (LG Nürnberg-Fürth 22.11.24, 18 Qs 17/24, Abruf-Nr. 245760). Nach Ansicht der Straf-kammer lagen Tatsachen vor, aus denen zu schließen ist, dass sich die gesuchten Unterlagen – insbesondere von den N gefertigte Ausweiskopien und von ihnen ausgestellte Rechnungen – in den Geschäftsräumen des Notariats befinden.
Merke | Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zulässig, um den Beschuldigten zu ergreifen oder um Spuren einer Straftat zu verfolgen oder um bestimmte Gegenstände zu beschlagnahmen. Sie sind nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet, § 103 Abs. 1 S. 1 StPO. |
Dem Erlass der Durchsuchungsanordnung stand nach Ansicht der Strafkammer kein Beschlagnahmeverbot entgegen, das die Unzulässigkeit der Durchsuchungsanordnung zur Folge gehabt hätte.
Merke | Unzulässig sind Ermittlungsdurchsuchungen, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass nur Beweismittel aufgefunden werden, die nicht der Beschlagnahme unterliegen (vgl. BVerfG 6.11.14, 2 BvR 2928/10; LG Nürnberg-Fürth 8.5.24, 12 Qs 2/24; LG Hamburg 20.1.23, 608 Qs 12/22). Umgekehrt ist die Durchsuchung bei den in §§ 52, 53 StPO genannten Personen erlaubt, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschlagnahme unterliegende Gegenstände gefunden werden. |
Die nach dem angefochtenen Beschluss zu suchenden und erwartbaren Gegenstände entstammen nach Einschätzung der Strafkammer nicht einem Vertrauensverhältnis zwischen einem der Beschuldigten und den N, sondern vielmehr jenem zwischen zwei GmbHs einerseits und den N andererseits.
Relevanz für die Praxis
Wenn die Gegenstände im Gewahrsam von jemandem sind, der das Recht hat, die Aussage zu verweigern, gelten bestimmte Regeln. Es darf aber keine bestimmten Tatsachen geben, dass diese Person an einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist. Außerdem dürfen die Gegenstände nicht durch eine Straftat hervorgebracht worden sein oder gebraucht werden oder bestimmt sein, um eine Straftat zu begehen. Sie dürfen auch nicht aus einer Straftat herrühren, § 97 Abs. 2 StPO. Greifen diese Ausnahmen nicht, so unterliegen einem Beschlagnahmeverbot
- schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die nach § 52 oder § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3b StPO das Zeugnis verweigern dürfen (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO),
- Aufzeichnungen, die die in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3b StPO Genannten über die ihnen vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder über andere Umstände gemacht haben, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt (§ 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO), und
- andere Gegenstände einschließlich der ärztlichen Untersuchungsbefunde, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3b StPO Genannten erstreckt (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO).
„Hervorgebracht“ (vgl. § 97 Abs. 2 S. 2 Alt. 2. StPO) durch eine Straftat sind nur solche Gegenstände, die durch die Tat entstanden sind oder deren jetzige Beschaffenheit auf die Tat zurückzuführen ist. Das sind z. B. eine gefälschte Urkunde, ein betrügerisch erlangter Kaufvertrag oder die Urschrift und sämtliche Ausfertigungen einer Urkunde in den Fällen des § 271 StGB (vgl. Menges in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 97 Rn. 43).
„Gebraucht“ oder „bestimmt“ zur Begehung einer Straftat sind nur solche Gegenstände, die nach dem Täterplan in irgendeiner Phase – dies kann auch die Vorbereitungsphase sein – zu der Tatausführung im weiteren Sinne Verwendung gefunden haben oder Verwendung finden sollten (vgl. Menges in Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 97 Rn. 44). Hierunter können – so das LG Nürnberg-Fürth – z. B. (manipulierte) Buchhaltungsunterlagen und (falsche) Bilanzen, aber auch Urkunden fallen, wenn sie nach dem Täterplan bei der Tatausführung im weiteren Sinne Verwendung gefunden haben oder Verwendung finden sollten, mithin wenn mit ihnen unrichtige Steuererklärungen veranlasst und dadurch Steuervergehen begangen wurden oder begangen werden sollten (vgl. OLG Hamburg 8.1.81, 1 Ws 7/81; LG Aachen 16.3.81, 15 Qs 9/81; Hauschild in: MüKo, StPO, 2. Aufl., § 97 Rn. 60).
Merke | Verträge über die Gründung von Scheinfirmen, um unzulässigerweise Gewinne ins Ausland zu verlagern, sind i. d. S. beschlagnahmefähig. Handelt es sich dabei um notariell beurkundete Verträge, ist die Urkunde als solche Beweismittel und nicht nur deren im Einzelfall verwendete Ausfertigung. Deshalb darf die beim Notar verbliebene Urschrift (nicht aber dazugehörige Entwürfe und Korrespondenz) wie jede andere noch existierende Ausfertigung beschlagnahmt werden (vgl. Menges in Löwe-Rosenberg, StPO, a. a. O., § 97 Rn. 44 m. w. N.; Ladiges, DNotZ 24, 12, 19). |
Die Strafkammer merkt an, dass Ausweiskopien keinem Beschlagnahmeverbot unterliegen, wenn der Vorwurf besteht, ein Urkundsbeteiligter habe sich mit unechten oder gefälschten Ausweisdokumenten ausgewiesen. Zwar sei nur das Ausweisdokument an sich für die Urkundenfälschung gebraucht worden, die Kopie rühre aber aus einer Straftat her. Tritt eine Person gegenüber einem Notar im Rahmen einer Beurkundung für eine GmbH unter Verwendung eines fiktiven Namens auf und legt ein gefälschtes Ausweisdokument vor, erfülle dies den Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung nach § 271 Abs. 1 StGB.
In der Praxis führt es nach meiner Erfahrung im wirtschaftsstrafrechtlichen Kontext immer wieder zu Diskussionen, welches Vertrauensverhältnis beim Zugriff auf Unterlagen bei einem Berufsgeheimnisträger (Anwalt, Steuerberater, Notar etc.) geschützt ist.
Merke | Nach wohl inzwischen vorherrschender Meinung soll das Beschlagnahmeverbot aus § 97 Abs. 1 StPO nur das Vertrauensverhältnis zwischen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten und dem Klienten, wenn dieser der Beschuldigte ist, schützen (vgl. BVerfG 27.6.18, 2 BvR 1405/17; LG Köln 24.6.20, 119 Qs 3 – 10/20; LG Köln 24.6.20, 119 Qs 3 – 10/20; LG Bochum 16.3.16, II-6 Qs 1/16; LG Bonn 21.6.12, 27 Qs 2/12; Menges in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 97 Rn. 21 m. w. N.; a. A. etwa Park, Durchsuchung, 5. Aufl., Rn. 618; Lilie-Hutz/Ihwa, NZWiSt 18, 349). |
Der BGH ist der vorherrschenden Sichtweise inzwischen auch gefolgt, wenn die „anvertrauende Person“ eine juristische Person ist (27.1.21, StB 44/20). Die rechtliche Eigenständigkeit des Vertragspartners des Zeugnisverweigerungsberechtigten als juristischer Person dürfe auch im gegenständlichen Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden. Dies führt in der Praxis oft dazu, dass z. B. Insolvenzverwalter Schweigepflichtentbindungen aussprechen, die in Widerspruch zur Interessenlage des früher Handelnden stehen.
Auch die juristische Person kann sich allerdings in dieser Konstellation in einer beschuldigtenähnlichen Verfahrensstellung befinden. Erörtert wird diese Konstellation insbesondere – worauf die Strafkammer zutreffend hinweist – bei der Frage der Beschlagnahmefreiheit von Verteidigungsunterlagen (§ 148 StPO), die auf Veranlassung der und für die juristische Person von Berufsgeheimnisträgern angefertigt wurden (insbesondere Compliance- Unterlagen im Unternehmen; Internal Investigation).
Merke | § 148 StPO ist auf Unternehmen als Nebenbeteiligte im Strafverfahren entsprechend anwendbar, sofern ihnen eine Einziehung oder eine Geldbuße nach § 30 OWiG drohen. Unter diesen Voraussetzungen werden sie ähnlich wie Beschuldigte behandelt; sie dürfen sich daher in jeder Lage des Verfahrens eines Rechtsanwalts bedienen, um die wirtschaftlich häufig bedrohlichen Rechtsfolgen abzuwehren. Ist ein Unternehmen in die beschuldigtenähnliche Stellung eines Nebenbeteiligten eingerückt, genießt der Schriftverkehr zwischen ihm und dem gewählten Rechtsanwalt gem. § 148 Abs. 1 StPO Beschlagnahmefreiheit (vgl. Schneider, NStZ 16, 309, 311). |
Ab wann ein Unternehmen allerdings in die Beschlagnahmeschutz vermittelnde beschuldigtenähnliche Rechtsstellung nach § 148 Abs. 1 StPO einrückt, wird in der Phase des Ermittlungsverfahrens uneinheitlich beurteilt. Teilweise wird die Auffassung vertreten, es sei ausreichend, dass sich eine Nebenbeteiligung des Unternehmens nach Einleitung des Verfahrens aufgrund tatsachenbasierter Anhaltspunkte objektiv abzeichnet, sofern sie eine Einziehungs- oder Verfallsanordnung bzw. eine Verbandsgeldbuße als möglich erscheinen lassen (vgl. Schneider, NStZ 16, 309, 311). Dieser Sichtweise hat sich auch das BVerfG angeschlossen, wenn formuliert wird, die Forderung danach, dass sich die Einleitung eines Verfahrens gegen die juristische Person objektiv abzeichne, weil Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die juristische Person als Adressatin einer Verbandsgeldbuße oder als Einziehungsbeteiligte in Betracht komme, knüpfe in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise an die Voraussetzungen der Anhörungspflicht nach § 426 Abs. 1 S. 1 StPO i. V. m. § 444 Abs. 2 S. 2 StPO n. F. an (vgl. BVerfG 27.6.18, 2 BvR 1405/17).
Andere sind der Meinung, es sei bereits ausreichend, dass bekannt gewordene Missstände strafrechtliche Relevanz aufwiesen und sich das Unternehmen auch aus diesem Grunde an den Berufsgeheimnisträger wende, wobei der vonseiten des Mitarbeiters begangene Verstoß zugleich eine Pflichtverletzung des Unternehmens belege oder die „Früchte“ der Tat dem Unternehmen zugutegekommen seien, bzw. der Regelverstoß ein Fehlverhalten nahelegen müsse, das dem Unternehmen – unabhängig von der Einleitung staatlicher Ermittlungen – zugerechnet werden könne (s. insoweit Klengel/Buchert NStZ 16, 383, 386; Frank/Vogel NStZ 17, 313, 320; Jahn/Kirsch NZWiSt 13, 21, 30; van Wijngaarden/Egler NJW 13, 3549, 3553; Krug/Skoupil NJW 17, 2374, 2379).
Merke | Aus der Perspektive des Berufsgeheimnisträgers wird aus all dem deutlich, was erforderlich ist: klare Aktenführung! Klare Strukturierung des Mandats! Ordnungsgemäß geführte Handakte! |
AUSGABE: PStR 5/2025, S. 103 · ID: 50274437