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Der praktische FallWann wird das unfreiwillige Ausscheiden eines Gesellschafters zur Steuerhinterziehung?
| Gesellschaftsverträge enthalten oft Regelungen, die den Ausschluss von Gesellschaftern oder die Einziehung von Anteilen ermöglichen, insbesondere bei Fehlverhalten eines Gesellschafters. Ein häufiger Fall ist der Vermögensverfall: Vollstreckt ein Gläubiger in den Gesellschaftsanteil oder beantragt der Gesellschafter Insolvenz, droht die Beteiligung eines unerwünschten Dritten. Um dies zu verhindern, nutzen die übrigen Gesellschafter Bad-Leaver-Regelungen, um eine Versteigerung oder den Eintritt eines Insolvenzverwalters als Mitgesellschafter zu vermeiden. |
1. Der Fall aus der Praxis
A ist zu 70 % an der im Gesellschaftsregister eingetragenen ABC Grundbesitz eGbR beteiligt. Die Gesellschaft ist Eigentümerin von drei zu Wohnzwecken vermieteten Mehrfamilienhäusern, davon zwei in Berlin und eines in Cottbus. 2018 hatte A seinen Geschäftspartner B zu 2 % an den Immobilien beteiligt und eine GbR gegründet. In 2021 hat A die erzielten Wertzuwächse teilweise realisiert und 28 % der Gesellschaftsanteile an den Mitgesellschafter C veräußert. A hält persönlich noch andere variabel finanzierte Immobilien und gerät nach Anstieg der Zinsen in Zahlungsschwierigkeiten. Daraufhin erwirkt seine Hausbank einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und pfändet den Geschäftsanteil des A an der ABC Grundbesitz eGbR.
Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass ein Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann, wenn in der Person des Gesellschafters ein wichtiger Grund i. S. d. §§ 140, 133 HGB vorliegt oder ein Gesellschafter seine Verpflichtungen aus dem Vertrag in grobem Maß verletzt. Als wichtiger Grund ist neben der Eröffnung eines Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahrens und der Abgabe der eidesstattlichen Vermögensauskunft gem. § 802c ZPO aufgelistet: „Einzelzwangsvollstreckung in seine Gesellschaftsanteile oder seine Gesellschaftsrechte oder von Ansprüchen gegen die Gesellschaft mit dem Ablauf einer Frist von drei Monaten ab Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, falls die Zwangsvollstreckungsmaßnahme nicht zu diesem Zeitpunkt aufgehoben worden ist.“
Nachdem die Pfändung der Hausbank des A nach mehr als drei Monaten nicht aufgehoben ist, fürchten die Mitgesellschafter, dass auch die Bank der ABC Grundbesitz eGbR unruhig werden könnte, und machen von der gesellschaftsvertraglichen Möglichkeit Gebrauch, den A aus der Gesellschaft auszuschließen. Sie fassen ohne A, der in eigener Sache gesellschaftsvertraglich kein Stimmrecht hat, einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss. Nach dem Gesellschaftsvertrag steht A eine Abfindung zu, die wie folgt geregelt ist: „Im Falle des Ausscheidens aus wichtigem Grund ist der zum Vermögen der Gesellschaft gehörende Grundbesitz mit 75 % seines Verkehrswerts abzüglich der auf dem Grundbesitz dinglich lastenden und valutierenden Verbindlichkeiten anzusetzen.“
Die Mitgesellschafter beauftragen ihren Notar, das Ausscheiden von A aus der Gesellschaft beim Gesellschaftsregister anzumelden, und zahlen im Verhältnis ihrer Beteiligung den nach dem Gesellschaftsvertrag errechneten Abfindungsbetrag von 525.000 EUR (Verkehrswert 9 Mio. EUR abzüglich 8 Mio. EUR valutierende grundschuldgesicherte Verbindlichkeiten × 75 % Abschlag × 70 % Beteiligungsquote A) an die Bank als Pfändungsgläubiger aus. A, der damit rechnet, einen rettenden Investor zu finden, erhebt fristgerecht analog § 112 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 HGB Anfechtungsklage gegen den Gesellschafterbeschluss. Die Entscheidung des Gerichts steht aus.
2. Anzeige § 19 GrEStG
Wenn B und C nicht binnen zwei Wochen nach dem Gesellschafterbeschluss aktiv werden, liegt eine Steuerhinterziehung von Grunderwerbsteuer in sechsstelliger Größenordnung vor. Denn der Grunderwerbsteuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG wurde entgegen § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG nicht rechtzeitig binnen zwei Wochen (§ 19 Abs. 3 S. 1 GrEStG) angezeigt. Die Anzeige ist eine Steuererklärung (§ 19 Abs. 5 S. 1 GrEStG), das Ausbleiben der Anzeige erfüllt daher den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen, § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.
Anzeigepflichtig ist die ABC Grundbesitz eGbR. Denn diese muss als Steuerschuldnerin (§ 13 Nr. 6 GrEStG) die Anzeige einreichen. Täter der Steuerhinterziehung sind die vertretungsberechtigten Gesellschafter – im Regelfall also alle verbleibenden Gesellschafter der eGbR.
Der Grunderwerbsteuertatbestand ist verwirklicht. Denn Rechtsfolge des Gesellschafterbeschlusses über das Ausscheiden des A aus der Gesellschaft ist ein Anteilsübergang: Gem. § 712 Abs. 1 BGB (Geltung ab 1.1.24, früher § 738 BGB) wächst der Gesellschaftsanteil den verbliebenen Gesellschaftern an.
Die maßgebliche Schwelle des § 1 Abs. 2a GrEStG wird hierdurch überschritten: Die Anwachsung auf B entfällt nicht aufgrund einer Stellung als Altgesellschafter (BFH II R 18/17). Denn dieser Status war zur Gesetzesänderung am 1.7.21 mangels länger als 5 Jahre bestehender Beteiligung noch nicht erreicht. Maßgeblich nach § 23 Abs. 19 S. 1 GrEStG ist somit auch für B die Frist von 10 Jahren des § 1 (2a) GrEStG. Bei Berücksichtigung des Übergangs von 28 % in 2022 und der Anwachsung von 70 % aufgrund des Ausscheidens des A aus der Gesellschaft sind 98 % der Anteile innerhalb von zehn Jahren übergegangen.
Die Bemessungsgrundlage für die GrESt wird in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG gem. § 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nach den Grundbesitzwerten (§§ 151, 157 BewG) festgelegt. Maßgeblich ist der Feststellungsbescheid über die Grund besitzwerte, nicht der Verkehrswert von 9 Mio. EUR. Aufgrund der erforderlichen Feststellung der Grundbesitzwerte besteht auch hinsichtlich der Anzeige eine gesonderte Zuständigkeitsregel: Nach § 19 Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 17 Abs. 2 GrEStG ist die Anzeige an das für die gesonderte Feststellung zuständige FA (Belegenheits-FA des wertvollsten Grundstücksbestands) zu richten, das nicht für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständig sein muss. Die Anzeige muss schriftlich erfolgen, elektronisch ist im Gesetz schon vorgesehen, aber technisch noch nicht möglich. Die Zuständigkeitsprüfung ist erforderlich, da die Frist nur durch Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen FA gewahrt wird (Viskorf/Loose GrEStG, 20. Aufl., § 19 Rn. 41).
Praxistipp | Die Anzeige muss ausdrücklich an die Grunderwerbsteuerstelle gerichtet sein, eine allgemein an das zuständige FA adressierte Anzeige reicht nicht aus. |
Allerdings wird der Umfang der Steuerhinterziehung durch teilweise Steuerbefreiung unter zwei Gesichtspunkten reduziert: Die bereits bestehende Beteiligung (2 % und 28 %) ist gem. § 5 Abs. 1 S. 1 GrEStG auch in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigen (BFH II R 17/12). Es greift außerdem die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG für Grundstücksschenkungen unter Lebenden. Im Erlass der Obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.11.18, S 4501 - 10 - V A 6, BStBl 18 I, 1314 ist in Tz. 8 betreffend das Verhältnis zu Befreiungsvorschriften geregelt: „§ 1 (2a) GrEStG fingiert einen Grundstücksübergang von einer Personengesellschaft mit altem Gesellschafterbestand auf eine fiktiv neue Personengesellschaft mit neuem Gesellschafterbestand. Die Steuerbefreiungen des § 3 GrEStG sind zu beachten.“
3. Schenkungsteueranzeige
Der Gesellschafterbeschluss erging gegen den Willen des ausgeschlossenen Gesellschafters und wird gerichtlich angefochten. Auch wenn es daher nicht naheliegt, von einer Schenkung auszugehen, muss aber § 7 Abs. 7 ErbStG beachtet werden: Als Schenkung gilt auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang eines Anteils einer Personengesellschaft auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für den Anteil zur Zeit seines Ausscheidens nach § 12 ErbStG ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt. Wegen des gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Wertabschlags, um den Abfindungsanspruch zu ermitteln, wird bei der Anwachsung des Anteils auf die übrigen Gesellschafter steuerlich eine Schenkung fingiert. Das in § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geforderte subjektive Element ist kein Tatbestandsmerkmal in § 7 Abs. 7 ErbStG (BFH II R 21/20), auf die Freigiebigkeit kommt es daher nicht an.
Schenkungen müssen gem. § 30 Abs. 1 ErbStG binnen drei Monaten dem Erbschaftsteuer-FA angezeigt werden. Die Verpflichtung trifft nach § 30 Abs. 2 ErbStG auch den Schenker. Die Anzeige ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Notariat das Ausscheiden des Gesellschafters zum Gesellschaftsregister anmeldet. Die Anwachsung ist Rechtsfolge des Gesellschafterbeschlusses, der privatschriftlich gefasst und nicht beurkundet wird. Die Befreiungsvorschrift des § 30 Abs. 3 S. 2 ErbStG greift somit nicht.
Da mangels Verwandtschaftsverhältnis jeweils nur ein Freibetrag von 20.000 EUR zur Verfügung steht (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) und sich die Differenz zwischen Anteilswert und Abfindung auf rund 175.000 EUR beläuft, fällt Schenkungsteuer für die Anwachsung bei C an, da sein Freibetrag überschritten ist. Mangels Steuerverkürzung bei B scheidet eine eigene Steuerhinterziehung aus. Das Unterlassen der Anzeige führt aber bei A und C zu einer Steuerhinterziehung, wenn die Schenkungsteuer nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt wird.
Praxistipp | Der Berater muss die Mandatsverhältnisse im Blick haben. Die grunderwerbsteuerliche Anzeige ist für den Steuerschuldner der GrESt (die ABC Grundbesitz eGbR, vertreten durch die verbliebenen Gesellschafter B und C) abzugeben, die schenkungsteuerliche Anzeige für den unfreiwilligen Schenker (A) und die Beschenkten (B und C). Achtung: Es droht Interessenkollision Da A gegen die ABC Grundbesitz eGbR klagt und zudem gesamtschuldnerische Haftung für die Schenkungsteuer besteht (§ 20 Abs. 1 ErbStG), dürfte einer Abgabe der Anzeigen sowohl für A und B/C durch den gleichen Berater eine Interessenkollision entgegenstehen. Dies erst recht, wenn auch die Gesellschaft im Anfechtungsprozess vertreten wird. Schenkungsteuerlich werden aber alle entlastet, wenn ein Verpflichteter die Schenkung angezeigt hat. |
4. Gesellschaftsregister
Für Kapitalgesellschaften besteht Transparenz hinsichtlich der Veränderungen im Gesellschafterbestand wegen Beurkundungspflicht der Abtretung, der Handelsregistereintragung und der notariellen Gesellschafterlisten schon lange. Der Berater muss allerdings bei der Einziehung von GmbH-Anteilen nach § 34 GmbHG zusätzlich die ertragsteuerlichen Auswirkungen eines möglichen Verlustuntergangs nach § 8c KStG bei der Steuererklärung berücksichtigen.
Gesellschaften bürgerlichen Rechts können seit dem 1.1.24 in das Gesellschaftsregister eingetragen und somit „eGbR“ werden. Für grundbesitzende Gesellschaften ergibt sich ein indirekter Zwang zur Registrierung. Denn nach § 47 Abs. 2 GBO soll für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Recht im Grundbuch nur eingetragen werden, wenn sie im Gesellschaftsregister eingetragen ist. Faktisch müssen GbR mit Grundbesitz daher ins Gesellschaftsregister eingetragen werden, um grundbuchfähig zu sein.
Die mit der Eintragung einhergehende Publizität des öffentlichen Registers macht das Ausscheiden von Gesellschaftern ohne Weiteres nachvollziehbar. Künftig tritt neben eine richterliche Information an die Finanzverwaltung aus dem zivilrechtlichen Gesellschafterstreit auch das Gesellschaftsregister als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung hinzu. Das Ausscheiden des Gesellschafters aus der GbR ist daher keine privatschriftliche Angelegenheit mehr.
AUSGABE: PStR 5/2025, S. 112 · ID: 50315972